EditorialDer Mauerfall und was er alles auslöste

Editorial / Der Mauerfall und was er alles auslöste
 Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

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Länger als sie stand, ist sie nun schon weg, die Berliner Mauer, deren Überwindung via friedliche Revolution sich an diesem Wochenende zum 30. Mal jährte und von unseren deutschen Nachbarn mit recht viel Pathos in Berlin und an anderen Orten der ehemaligen innerdeutschen Grenze gefeiert wurde.

Die November- und Dezembertage des Jahres 1989 waren schon ganz besondere und gingen weder am Rest Europas noch an Luxemburg spurlos vorbei. Seltsame Dinge geschahen damals: Eine Delegation von „Blauhemden“ (die Jugendorganisation der Sozialistischen Einheitspartei) tauchte in der Hauptstadt auf und versicherte im offenen Gespräch mit der Luxemburger Gewerkschaftsjugend, es gehe nun keineswegs darum, vereinfachten Zugang zu „Golf“, Videorecordern und anderen „kapitalistischen“ Verlockungen zu bekommen, sondern darum, ein „richtiges“ demokratisches, aber vor allem sozialistisches Deutschland neben dem kapitalistischen Westdeutschland aufzubauen.

Kurze Zeit nach dem Mauerfall tauchte zudem ein gewisser Thorsten Krenz in Luxemburg auf und verdingte sich vordergründig als Schreiber für ein werbeorientiertes Blatt im Osten des Landes – der Sohn des Nachfolgers des Staatsratsvorsitzenden Honecker, Egon Krenz, verschwand aber recht schnell wieder von der nationalen Bildfläche. Glasnost und Perestroika hatten derweil die Kommunistische Partei so verwirrt, dass sie sich spaltete.

Neben diesen nationalen Folgen mit eher anekdotischem Charakter der „Wende“, wie Westdeutschland die Zeit nach dem Mauerfall schnell definierte, waren die geopolitischen und wirtschaftspolitischen Auswirkungen von einer weitaus dramatischeren Tragweite für Europa und die Welt. Das weltpolitische Gegengewicht zum Kapitalismus fehlte plötzlich. Die Sozialdemokratie wurde angesichts der neu gemischten weltpolitischen Karten quasi überrollt und führte nur noch Rückzugsgefechte gegen den inzwischen ungezügelt auftretenden Kapitalismus.

Erst die Wirtschaftskrise von 2008 hatte ein Umdenken und eine starke Rückbesinnung ehemals linker Kräfte auf emanzipatorische Werte zur Folge. Diese wurden jahrzehntelang nur noch effizient von freien Gewerkschaften verteidigt; dies in einem schwierigen Umfeld, mit wenig politischer Unterstützung und mächtigen Gegnern, den ungebremst auftretenden Verteidigern eines freien Handels mit einem Minimum an Regeln.

Dass der Sozialdialog in Luxemburg, der inzwischen wieder hart attackiert wird, neben einer nischenorientierten Wirtschaft und einer sich langsam läuternden Sozialdemokratie für ein recht glimpfliches Überwinden der Krise sorgte, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass, seit der „Wind des Wechsels“ geweht hat, die Unterschiede zwischen Arm und Reich größer wurden … auch in Luxemburg, aber besonders in den meisten anderen Ländern, mit den unappetitlichen Auswirkungen, die zurzeit an der europäischen Idee nagen.

Auch dies sollte die UEL bedenken, die den Sozialdialog weiter infrage stellt, wenn auch nach der Ankündigung einer gemeinsamen Kundgebung aller repräsentativen Gewerkschaften des Landes weniger vehement als vorher.

Frank Bertemes
12. November 2019 - 8.49

Einmal mehr ein wichtiger Leitartikel aus der Feder von Robert Schneider. Leider muss man trotz der manifesten Risiken noch zunehmender sozialer Probleme (bspw. “working poor”, Altersarmut , Armut generell) – das neben der vom Patronat provozierten Problematik des Sozialdialogs – die bedauerliche Situation des gewerkschaftlichen Engagements besonders der jungen Arbeitnehmer bedauern. Dies führt zu seriösen Problemen der Gewerkschaften, siehe die drohende Führungsmisere für die mehr als fragwürdige Zukunft des FNCTTFEL-Landesverbandes. Es fällt auf, dass bei der CFL immer weniger junge Leute sich gewerkschaftlich organisieren und engagieren, eine besonders für die streitbaren Eisenbahner historisch gesehen mehr als bedenkliche und bedauerliche Entwicklung, die deutliche Spuren hinterlässt. Der Fall der Mauer und die deutsche Wiedervereinigung, die viele sich gewünscht haben und vor dreißig Jahren endlich Realität wurde, hat jedoch für viele Ostdeutsche längst nicht das gebracht, was sie sich gewünscht haben. Die bittere Realität des brutalen Neoliberalismus hat besonders die ostdeutsche Bevölkerung sehr hart getroffen und ihre Träumevon (vermeintlich) “blühenden Landschaften” für viele von ihnen zum realpolitischen Albtraum werden lassen….”Wind of change”? Antwort