Oft genug kriegt Luxemburg sein Fett weg, wenn es um Steuervermeidung geht. In einer aktuellen Erklärung der NGO Tax Justice Network sind jetzt die G7-Staaten an der Reihe. In dem Statement vom letzten Freitag hieß es, durch die Gruppe der Sieben entgingen der Welt jährlich 115 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen, weil sie multinationalen Konzernen und wohlhabenden Einzelpersonen aus aller Welt den Missbrauch von Steuern ermöglichen. Die Erklärung der NGO fällt zeitlich zusammen mit dem Treffen der Finanzminister der G7-Staaten vom 18. bis zum 20. Mai in Bonn.
Die NGO hat ermittelt, dass durch Steuervermeidungstricks letztes Jahr 483 Milliarden Dollar zu wenig bezahlt wurden. Der Großteil davon (312 Milliarden Dollar) sei Unternehmen geschuldet, die ihre Profite in Steueroasen verschieben, so die NGO in ihrem Bericht vom letzten Jahr. Als Hauptverantwortliche hat das Tax Justice Network das Vereinigte Königreich mit seinem „Spinnengeflecht“, die Niederlande, Luxemburg und die Schweiz ausgemacht und spricht im Zusammenhang mit diesen Ländern von der „Achse der Steuervermeidung“.
Die Beobachtung, dass Konzerne ihre Profite hin und her schieben, macht nicht nur die NGO, sondern auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bei der Luxemburg Mitglied ist. In einem Statement vom 29. Juli 2021 schreibt die OECD: „ […] Dennoch deuten die neuen Statistiken auf eine anhaltende Diskrepanz zwischen dem Ort, an dem die Gewinne gemeldet werden, und dem Ort, an dem die wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden.“
Der Internationale Währungsfonds schreibt: „Steuerparadiese kosten die Regierungen insgesamt zwischen 500 und 600 Milliarden Dollar pro Jahr an entgangenen Körperschaftssteuereinnahmen, je nach Schätzung, mit legalen und nicht-so-legalen Mitteln.“ Die Schätzung der NGO liegt also durchaus im Rahmen dessen, was auch andere errechnet haben – mit dem Unterschied, dass das Tax Justice Network Länder wie die USA, Frankreich und Deutschland mit einbezieht und nicht nur Länder, denen traditionell der Ruf anhaftet, ein Steuerparadies zu sein.
Die Beobachtung ist auch nicht neu. Seit Jahren arbeitet die internationale Handelsorganisation OECD daran, Steuerschlupflöcher zu schließen. Das Resultat ist der BEPS-Aktionsplan. BEPS steht für „Base Erosion and Profit Shifting“. Der Plan ist ein Konvolut von hunderten Seiten an neuen Regeln, die zum Ziel haben, multinationalen Unternehmen die Steuervermeidung zu erschweren. Die OECD will genau diese Löcher schließen. Das ist jedoch nicht ganz einfach. Die OECD hat aber keine gesetzgeberische Kraft. Sie kann höchstens die Mitgliedstaaten politisch unter Druck setzen, sich zu verpflichten und die Regeln zu ratifizieren.
2017 haben bereits 87 Länder ein entsprechendes OECD-Abkommen unterzeichnet, darunter auch Luxemburg. Im Februar 2019 hatte das Luxemburger Parlament einen Gesetzestext verabschiedet, mit dem das Abkommen in Luxemburg Realität werden soll. Kritik kam damals von der Linken. Das ambitionierte Abkommen bietet den Ländern die Möglichkeit, Ausnahmen und Vorbehalte zu formulieren. „Cherry Picking“, wie der Abgeordnete David Wagner es damals nannte. Wagner sprach im Parlament von dem Schaden, den multinationale Unternehmen in Entwicklungsländern anrichten können. Das Land, in dem der Sitz des Betriebes ist, meist in der nördlichen Hemisphäre, profitiert. Das Land, in dem die Produktion stattfindet, verliert. Mehr Geld fließt von armen Ländern in reiche, so Wagner. „Es werden nur Pflaster auf die eklatanten Missstände geklebt“, monierte Wagner.
Afrikas Führungsrolle
Auf solche Missstände machten nun afrikanische Finanzminister aufmerksam. Die Minister haben bei einer Konferenz vom 16. und 17. Mai in Dakar (Senegal) eine Resolution verabschiedet, in der die Vereinten Nationen dazu aufgefordert werden, unter ihrer Schirmherrschaft Verhandlungen über ein internationales Übereinkommen über Steuerfragen aufzunehmen, an denen alle Mitgliedsstaaten und einschlägigen Akteure beteiligt sind, und das Steuertricks und Steuerhinterziehung unterbinden soll. Das Tax Justice Network sieht darin eine anhaltende afrikanische Führungsrolle in der Frage des internationalen Steuermissbrauchs bestätigt. (Anmerkung: Tatsächlich beschäftigt sich die Resolution neben Steuertricks mit einer ganzen Reihe von Themen, darunter Kunst und Kultur und Klimawandel). „Die Aushandlung einer Steuerkonvention – die auch eine UN-Rahmenkonvention sein könnte, mit ähnlichen Merkmalen wie die UNFCCC zur Klimakrise – würde eine tiefgreifende Veränderung der internationalen Steuerarchitektur bedeuten“, schreibt das Tax Justice Network.
Das Tax Justice Network legt neben den bereits genannten Zahlen und Berichten auch einen Steueroasen-Index vor, in dem Luxemburg momentan Platz 6 belegt (nach den britischen Jungferninseln, den Caymaninseln, den Bermudas, den Niederlanden und der Schweiz). Dieser „Corporate Tax Haven Index“ ist laut der NGO „eine Rangliste der Länder, die multinationalen Konzernen am meisten dabei helfen, zu wenig Körperschaftssteuer zu zahlen“. In einem Länderbericht heißt es, durch Erleichterung von globalem Steuermissbrauch sei Luxemburg für 30 Milliarden Dollar Steuerausfälle in anderen Ländern verantwortlich.
Zu beachten ist, dass es keine einheitliche Definition von Steueroasen gibt. Die NGO beruft sich auf ein selber designtes Bewertungssystem, um die vermeintlichen Steueroasen zu ranken, und benutzt u.a. OECD-Zahlen. Die Organisation hat ihren Sitz in Bristol (England) und finanziert sich zum Großteil über Spenden. Laut dem letzten verfügbaren Jahresbericht 2020 kommen die Spenden von so diversen Organisationen wie der Europäischen Kommission, der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und der norwegischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (Norad).
Andere Beobachter sehen Luxemburg längst nicht mehr als Steueroase. Der Finanzplatz profitierte jahrelang vom Bankgeheimnis und hatte eine Reihe schwieriger On-off-Beziehungen mit den Schwarzen und Grauen Listen der Finanzobservateure dieser Welt. Schließlich half Luxemburg auch nicht mehr die Feststellung, dass andere es ja auch tun. Im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise hatte Luxemburg dem internationalen Druck nachgegeben und sein Bankgeheimnis abgeschafft. Reformen wurden gemacht und Finanzminister Pierre Gramegna betonte regelmäßig, er wolle das Land regelkonform machen.
Der aktuelle Koalitionsvertrag sieht auch vor, die Regierung werde „die internationale Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs in Sachen Unternehmensbesteuerung sichern, während weiterhin entschieden der Weg der Transparenz und der Bekämpfung von Steuerflucht auf internationaler Ebene beschritten wird.
In einer Erklärung der Regierung zu „OpenLux“ heißt es: „Luxemburgs Gesetzgebung ist in vollem Einklang mit allen EU- und internationalen Vorschriften und Transparenzstandards und wendet ausnahmslos alle EU- und internationalen Maßnahmen zum Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten und zur Bekämpfung von Steuermissbrauch und Steuervermeidung an. Weder die EU noch die OECD haben ein schädliches Steuersystem oder schädliche Steuerpraktiken in Luxemburg festgestellt.“
Als die USA im letzten Jahr eine globale Mindeststeuer für Unternehmen vorgeschlagen haben, sagte der damalige Luxemburgs Finanzminister Gramegna (DP) in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg: „Die Vorschläge der USA gehen in die richtige Richtung und sind im besten Interesse sowohl Europas als auch der Vereinigten Staaten.“
An den G7-Staaten hat das Tax Justice Network noch eine weitere Kritik: Fünf von ihnen, die USA, UK, Deutschland, Italien und Japan, würden den weltweiten Fortschritt beim Finanzgeheimnis untergraben. Besonders die USA werden hierfür von der NGO an den Pranger gestellt. Die Staaten verlangten von anderen Transparenz und Informationen, die eigenen Informationen teilten sie allerdings nicht, so die NGO.
*Die G7-Staaten sind: Deutschland, Italien, Frankreich, Japan, UK, USA und Kanada.
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