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LalléngerbiergWie eine gefährdete Vogelart über geschlossene Wege und angeleinte Hunde bestimmt

Lalléngerbierg / Wie eine gefährdete Vogelart über geschlossene Wege und angeleinte Hunde bestimmt
Nicht jeder Mensch respektiert die Stoppschilder Foto: Editpress/Julien Garroy

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Der „Lalléngerbierg“ ist bei den Wander- und Mountainbike-Freunden der benachbarten Gemeinden äußerst beliebt. In dem Naturschutzgebiet lebt die Heidelerche – eine gefährdete Vogelart. Jan Herr kümmert sich um den „Lalléngerbierg“ und erklärt im Tageblatt-Gespräch, warum wegen des Vogels Wege geschlossen und Hunde angeleint werden müssen.

Luxemburg hat wunderschöne Naturgebiete. Die meisten Menschen denken dabei wahrscheinlich zuerst an das Müllertal – doch auch der Süden hat Wälder und Wiesen, die zum Wandern, Mountainbiken und Joggen einladen. Ein Beispiel: der „Lalléngerbierg“. Das Naturschutzgebiet befindet sich mitten im südlichsten Ballungsgebiet des Großherzogtums. Kein Wunder also, dass jeden Tag etliche Bewohner der Umgebung beim roten Gestein frische Luft schnuppern. Doch den Menschen, die den „Lalléngerbierg“ regelmäßig besuchen, sind in den vergangenen Monaten wahrscheinlich die vielen geschlossenen Pfade aufgefallen. Der Hauptgrund: eine Vogelart. Die Heidelerche, um genauer zu sein.

Die Heidelerche
Die Heidelerche Foto: Ján Svetlík, Lullula arborea (Ján Svetlík), CC BY-SA 2.0

„Sie sind fast überall in Luxemburg ausgestorben, vor allem wegen der kommerziellen Landwirtschaft. Wir haben in Luxemburg noch etwa 25 Paare des Vogels“, erklärt Jan Herr gegenüber dem Tageblatt. Der Biologe arbeitet bei der Naturverwaltung und kümmert sich seit 2018 um das Natura-2000-Gebiet im Minett – dazu gehört auch der „Lalléngerbierg“. Die Heidelerche sei europaweit geschützt. Der Vogel benötige eine niedrige und undichte Vegetation. Er verbringe einen großen Teil seines Lebens auf dem Boden, weil er dort seine Nahrung suche und Nester baue. Deswegen sei der Trockenrasen des Natura-2000-Gebiets ideal für die Vogelart.

„Wir haben über den Winter Maßnahmen getroffen, um den Lebensraum für diese Vogelart zu verbessern –  wie etwa die Entbuschung“, sagt Herr. Das Problem sei allerdings, dass sich kurz danach wieder die ersten Wege durch dieses Gebiet entwickeln würden, weil die Menschen dort spazieren und Fahrrad fahren würden. Der Vogel sei sehr „störungsempfindlich“. „Es geht hauptsächlich darum, Zonen zu haben, die relativ ruhig bleiben, und gleichzeitig noch Wege zu haben, auf denen die Menschen ohne Probleme spazieren gehen können“, meint Herr.

Bei der Schließung verschiedener Pfade wurde darauf geachtet, größere Gebiete freizulegen
Bei der Schließung verschiedener Pfade wurde darauf geachtet, größere Gebiete freizulegen Bild: Administration de la nature et des forêts

Die Pfade waren sowieso verboten

Biologe Jan Herr
Biologe Jan Herr Foto: privat

„Eigentlich wurde kein Weg geschlossen, auf dem es nicht sowieso schon per ‚règlement grand-ducal’ verboten war, spazieren zu gehen“, sagt der Biologe. Keiner der Pfade, die von den Schließungen betroffen waren, sei vorher beschildert gewesen. 2016 wurde das Gebiet als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Verschiedene Wege seien also schon vorher entstanden – nach und nach seien noch kleinere Pfade hinzugekommen.

Seit der Schließung mussten also verschiedene Menschen ihre übliche Route ändern. Ein Umstand, mit dem einige Zeitgenossen nicht zufrieden sind. „Wir haben versucht, über die sozialen Medien sowie Plakate die Menschen darauf hinzuweisen, warum das gemacht wird, aber es ist klar, dass es Menschen gibt, denen das alles nicht gefällt“, sagt Herr. Auch wenn es so aussehe, als seien viele Wege geschlossen worden, handele es sich dabei hauptsächlich um kleinere Verzweigungen.

„Bei der Schließung der Wege haben wir darauf geachtet, dass es mehrere größere zusammenhängende Gebiete gibt, die zu bleiben“, sagt Herr. Schließlich brauche man nicht neben jedem Pfad auch einen Parallelweg.

Wer entscheidet, welche Wege geschlossen werden?

Doch wer entscheidet, welche Wege zugemacht werden? Die EU bzw. die Regierung legen mithilfe von Verwaltungsplänen fest, welche Arten geschützt werden müssen – das bezieht sich sowohl auf Fauna als auch auf Flora. So soll auch der Trockenrasen erhalten bleiben, weil er europäisch geschützt ist. Die Luxemburger Naturverwaltung müsse dann schauen, wo diese Arten vorkommen. „Wir müssen der Europäischen Kommission alle sechs Jahre mitteilen, wo dieser Artenschutz dran ist“, erklärt Herr.

Welche Wege zugemacht werden, wird in der Naturverwaltung entschieden und mit den betroffenen Gemeinden abgesprochen. „Die Entscheidungen auf dem Feld, welche Wege genau zugemacht werden, das bin eher ich, der sich darum kümmert, auch weil ich am meisten vor Ort bin und den Bereich am besten kenne“, sagt Herr. Er müsse letztendlich entscheiden, was sinnvoll ist und was nicht.

Naturschutzgebiet „Lalléngerbierg“

Der „Lalléngerbierg“ ist ein ehemaliges Tagebaugebiet zwischen Schifflingen, Kayl und Esch. Das Gebiet hat einen außergewöhnlichen natürlichen Reichtum. Daher ist es auf europäischer Ebene (Natura-2000-Gebiet seit 2004) und auf nationaler Ebene (Naturschutzgebiet seit 2016) geschützt. Seit 2020 gehört es zu den Kerngebieten der „Minett Unesco Biosphere“. Das Gebiet beherbergt ausgedehnte Trockenrasen, die Lebensräume für eine Vielzahl seltener, geschützter Arten bilden – darunter Orchideen, Schmetterlinge, Reptilien und Vögel.

Hunde an der Leine

Seit dem ersten März müssen Hunde auf dem „Lalléngerbierg“ auch wieder an der Leine geführt werden. Wie jedes Jahr können die Vierbeiner dann ab Oktober wieder frei über die Wiesen laufen. Auch hierbei handelt es sich um eine Initiative, die Tierwelt – und vor allem die Heidelerche – zu schützen. „Das ist problematisch, wenn man permanent Hunde hat, die durch die Wiesen laufen“, sagt Herr. Für den Vogel sei der Hund ein potenzielles Raubtier, der immer wieder Fluchtreaktionen auslöse. Das koste Energie. „Wenn nur zehn Hunde pro Tag dort oben herumlaufen würden, dann wäre es kein Thema. Aber es gibt Tage, an denen sehr viel Hunde dort unterwegs sind“, sagt der Biologe.

Es sei auch möglich, dass die Hunde die Nester aufstöbern und so Schaden entsteht. Wenn der Hund hinter einem Reh oder einem Hasen herjage, dann sei das einfach zu erkennen. Allerdings sei es für den Besitzer nicht einfach zu erkennen, wenn das Tier das Nest einer Heidelerche aufspürt. „Was ich sehr oft höre: ‚Wir sind Tierfreunde, deswegen ist der Hund nicht an der Leine‘ – aber auch die Heidelerche ist ein Tier und das kommt nur noch in diesem Gebiet vor“, sagt Herr.

Hunde, die Schafe reißen

Ein anderer Punkt: Der Trockenrasen werde zum Teil auch mit Schafen beweidet. „Quasi jedes Jahr werden ein, zwei Schafe schlimm von Hunden angegriffen, die nicht an der Leine sind – ihnen wird der Hals aufgerissen“, erklärt Herr. Die Schafe müssten dann zum Veterinär, wo dieser ihnen den Hals zusammennähen muss – falls sie überleben. Vergangenes Jahr mussten so laut Herr zwei Schafe euthanasiert werden. Hunde würden auch regelmäßig in die Herde laufen, die Tiere aufscheuchen und verjagen.

Laut Hundegesetz muss man seinen Hund sowieso immer unter Kontrolle haben. Jan Herr diskutiert regelmäßig mit Hundebesitzern, die behaupten, dass ihr Hund niemandem etwas tut. „Ich kann das absolut nachvollziehen und ich weiß auch, dass verschiedene Hunde so erzogen wurden, dass sie bei den Menschen bleiben, aber das ist noch lange nicht bei jedem Hund der Fall“, sagt Herr. Er habe schon sehr oft beobachtet, dass ebendiese Menschen es kurz darauf nicht fertigbrachten, ihren Vierbeiner zurückzurufen. „Ich weiß auch nicht, wie man in einem Reglement festhalten könnte, dass die Menschen, die ihren Hund gut im Griff haben, ihn laufen lassen dürfen und die anderen nicht“, sagt Herr.

Hunde dürfen nur während fünf Monaten im Jahr ohne Leine auf dem „Lalléngerbierg“ laufen
Hunde dürfen nur während fünf Monaten im Jahr ohne Leine auf dem „Lalléngerbierg“ laufen Archivfoto: Editpress/Isabella Finzi

Mit Beerpong-Tisch im Naturschutzgebiet feiern

Während der Grillsaison würden regelmäßig größere Gruppen in der Trockenwiese den Wegwerf-Grill auspacken oder sogar ein Feuer machen. Ein Problem, das sich während der Pandemie noch verschärft habe, so Jan Herr. „Da war viel Remmidemmi.“ Doch nicht nur das Feuer, das in der trockenen Wiese gefährlich ist, sei problematisch. Der Lärm würde auch hier wieder die Tierwelt durcheinanderbringen. Wenn die Fete dann vorbei sei, würden die Partymacher Brandflecken und Müll hinterlassen. „Wir finden regelmäßig eine unmögliche Quantität Dreck: Flaschen, Wegwerf-Grills, Zigarettenkippen – das ist nicht zu tolerieren“, sagt der Biologe.

Ein Team von drei Mitarbeitern muss während der Schönwetter-Saison fast jeden Montag die inoffiziellen Grillplätze aufstöbern und säubern. Vergangenes Jahr haben laut Herr ungefähr 30 junge Menschen mitten in einem Heidelerchen-Revier gefeiert – mit Feuer, Kühltruhe und Beerpong-Tisch. „Wenn man dann dorthin gekommen ist, um etwas zu sagen, wurde man sofort dumm angemacht“, erklärt Herr. Die Anwesenden ließen sich die Feierlaune erst versauen, nachdem die Polizei gerufen wurde – die Partymeile sei dann abgeräumt worden.

Es gehe nicht darum, die Menschen zu schikanieren

Es gebe allerdings keine regelmäßigen Patrouillen, die ununterbrochen prüfen würden, ob jeder sich an die Regeln hält. „Hauptsächlich bin ich in diesen Gebieten unterwegs – ich versuche, die Menschen darauf anzusprechen“, sagt Herr. Bis jetzt habe noch niemand einen Strafzettel erhalten, aber es sei wichtig, mit den Menschen zu reden und ihnen zu erklären, warum die Regeln existieren. Die Naturverwaltung sei in den vergangenen zwei Jahren während der warmen Saison regelmäßig mit dem Förster durch die Gebiete spaziert. Dabei sei es um Sensibilisierung gegangen.

„Der Naturschutz ist eben unsere Aufgabe“, erklärt Jan Herr. „Wir machen das nicht, um die Menschen zu schikanieren, da ist ein Gedanke dahinter.“