DP: Bettel pausiert, Cahen fehlt, Backes übernimmt
Die DP machte über den Sommer nicht sonderlich viel von sich reden. Pünktlich zum Ferienauftakt am 15. Juli haben die Liberalen ihre Kandidaten für die Wahlen vorgestellt. Mit dem ehemaligen Schwimmer Raphaël Stacchiotti und der ehemaligen Tennisspielerin Mandy Minella sind die Liberalen die einzigen, die dem alten Muster folgen und Sportler als Stimmenfänger rekrutierten. Einen RTL-Journalisten haben sie dagegen nicht überzeugt bekommen. Nach der Kandidaten-Vorstellung wurde es ruhig. Sogar der im Kommunalwahlkampf omnipräsente Staatsminister Xavier Bettel gönnte sich eine Pause und überließ seiner Co-Spitzenkandidatin das Feld. Finanzministerin Yuriko Backes traf sich mit ihren Amtskollegen aus den deutschsprachigen Ländern und durfte anschließend Parteifreundin Lydie Polfer bei der Einweihung der „Schueberfouer“ behilflich sein. Aus dem städtischen Schöffenrat fehlte für den traditionellen Termin übrigens nur Corinne Cahen, die sich in den vergangenen Jahren den „Fouerstart“ nie entgehen ließ. Sie strebt ja auch kein Ministermandat mehr an und musste Polfer ohnehin den Bürgermeisterstuhl überlassen. Spätestens nach der Fouer gehört die DP-Bühne sowieso wieder Xavier Bettel.
LSAP: außer Spesen viel gewesen
Bereits vor den eigentlichen Sommerferien sorgte die LSAP für die erste inhaltliche Debatte in diesem Wahlkampf. Die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung zwang sämtliche Parteien dazu, Farbe zu bekennen. Anschließend ließ die Spitzenkandidatin der Sozialisten, Paulette Lenert, es etwas ruhiger angehen. Nicht einmal durch die Einladung von Karl Lauterbach, zum Treffen der Gesundheitsminister aus den deutschsprachigen Ländern, ließ Lenert ihren Urlaub unterbrechen. Sie wurde von Santé-Direktor Jean-Claude Schmit vertreten. Der steht bekanntlich auch auf der LSAP-Liste. Keine Pause gönnte sich dagegen ihr Partei- und Regierungskollege Franz Fayot. Nachdem sein allzu laxer Umgang mit Spesen und die Vermischung von Privatem und Beruflichem an die Öffentlichkeit gelangt waren – Stichworte: Wasserfall, Chardonnay und Hochlandkaffee –, sah es aus, als sei Fayots Stern am Sinken. Doch der Wirtschafts- und Kooperationsminister nahm den Sommer bei den Hörnern. Wenn Fayot mal partout ein paar Tage lang keinen Anlass für eine Pressekonferenz fand, trat er als Vertreter der Fondation Robert Krieps vor die Medien. Ob da jemand etwas gutzumachen hatte? Seine Auftritte dürften bei der Spesenabrechnung nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Das Gleiche gilt für Taina Bofferdings Sommertour. Die Innenministerin lässt sich dabei ablichten, wie sie jedem Feuerwehrmann persönlich die Hand schüttelt. Andere LSAP-Kandidaten konnte man auf Facebook sehen, wie sie durch ihr Haus führten und ihre Hobbys oder beruflichen Tätigkeiten vorstellten. Als ob in Luxemburg Inneneinrichtungen und nicht Köpfe gewählt würden.
„déi gréng“: Sicherheit anstatt Klimapolitik
Die Grünen hielten sich den Sommer über relativ bedeckt. Womöglich musste man sich nach dem schlechten Abschneiden bei den Kommunalwahlen erst einmal sammeln. Der Sommer hierzulande eignete sich auch nicht unbedingt, um auf grüne Kernthemen aufmerksam zu machen. Sattgrüne Wiesen und Wälder drängten die Klimawandel-Debatte zumindest in Luxemburg etwas in den Hintergrund, auch wenn andere Teile der Welt in Brand standen. Die meisten Touristen konnten dennoch nach Rhodos fliegen. In Luxemburg dominierte den Sommer über die Sicherheitspolitik. Vor allem der Fall von mutmaßlicher Polizeigewalt, wegen der vier Polizisten in Untersuchungshaft sitzen, stand im Fokus. Und auch wenn er zu dem Fall nichts sagen kann, so war Polizeiminister Henri Kox dennoch ein gefragter Mann. Kox fiel aber auch durch eine unglückliche Antwort auf eine parlamentarische Frage auf. Nachdem er dort behauptet hatte, dass die Belegschaft der Polizei zwischen 2020 und 2023 um 1.300 Mitarbeiter gewachsen sei, musste er wenig später zurückrudern. Die Belegschaft ist in dem Zeitraum lediglich um 180 Mitarbeiter gewachsen, wenn man Renteneintritte und andere Abgänge mitrechnet. Über den Zahlensalat war der Minister selbst auch nicht „amused“. Seine Partei versuchte dennoch, mit der Bilanz von Kox und seiner grünen Regierungskollegen über den Sommer zu punkten.
Vize-Premier Bausch, der bekanntlich keinen Ministerposten mehr anstrebt, dennoch als Co-Spitzenkandidat im Zentrum für die Chamber kandidiert, macht zum Ende des Sommers dann auch wieder Wahlkampf und dies in gewohnter Kommunalwahlkampfmanier. Er lud vergangenen Freitag zur Einweihung eines provisorischen Radweges ein. Nochmal: Der Vize-Premier weiht ein Radfahrprovisorium ein. Ansonsten waren „déi gréng“ über den Sommer bemüht, das Image der Verbotspartei loszuwerden. Spitzenkandidatin Sam Tanson rief beim Kongress im Juli dazu auf, gegen Desinformation in Bezug auf die Politik von „déi gréng“ aktiv vorzugehen.
CSV: erste Fettnäpfchen gefunden
Spitzenkandidat Luc Frieden tingelte den gesamten Sommer über durch das Land, besichtigte Unternehmen und versuchte zu erklären, dass seine Partei nichts mit Religion am Hut hat und das C im Namen für Grundwerte stünde. Das ist dem ehemaligen Finanzminister ebenso gut gelungen, wie sein Rettungsversuch nach seinem Faux-pas in Sachen TVA-Logement. Diese wollte Frieden wieder auf drei Prozent senken, was aufgrund einer EU-Direktive nicht möglich ist. Er habe diese Direktive sehr wohl gekannt, meinte Frieden im Nachhinein. Er behauptete, dass es mit ihm nie zu einer Erhöhung gekommen wäre und der niedrige Prozentsatz somit immer noch aktuell wäre oder er aber zumindest mit der EU verhandelt hätte, um die TVA-Logement wieder zu senken. Ansonsten betonte der Spitzenkandidat über den Sommer immer wieder das Scheitern der aktuellen Regierung in wichtigen politischen Dossiers und betonte, dass die CSV wieder mitregieren wolle. Dass seine Partei auch den Premierminister stellen wolle, kam Frieden auch im Sommer nicht über die Lippen.
Für Kopfschütteln sorgte aber vor allem eine Aktion der CSV. Aus einem Interview der LSAP-Politikerin Liz Braz im Luxemburger Wort, in dem sie lediglich mit Zahlen antworten durfte, schlussfolgerten die Christsozialen, dass mit der LSAP eine Erbschaftssteuer in direkter Linie eingeführt werde. Das hatte Braz allerdings so nicht behauptet. Nach dem Vorstoß der CSV sah sich sogar das Wort zu einer Stellungnahme veranlasst und sprach von schlechtem politischen Stil.
Friedens Vorgänger als Spitzenkandidat, Claude Wiseler, reiste unterdessen mit seiner Frau durch die USA und Brasilien, um potenzielle Wähler zu treffen – auf private Kosten, wie er betonte. So wirklich erfolgreich war die Reise nicht, wie sich in der vergangenen Woche herausstellte. 188 Luxemburger aus Brasilien und 149 Luxemburger aus den USA haben sich für die Briefwahl eingeschrieben. Parteikollege Michel Wolter war ebenfalls in den USA – auf den Spuren der luxemburgischen Auswanderer – unterwegs. Selbstlos nannte er den Ausflug „Michi on Tour“. Anschließend nahm er sich ein Beispiel am deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und ließ sich von Kindern interviewen. Ob er damit ähnlich erfolgreich abschneidet wie der SPD-Politiker, wird sich am 8. Oktober zeigen.
ADR: ein Sommer wie eine Transferperiode
Der Sommer bei der ADR hatte schon fast etwas von einer Transferperiode im Fußball. Zuerst weigert sich die Partei, ihren Abgeordneten Roy Reding noch einmal für die Wahlen aufzustellen, was diesen zum Parteiaustritt bewegt, und dann verlassen einige Mitglieder der Sektion Norden die Partei. Wenig später zieht sich dann auch noch Alain Vossen, der eigentlich als Kandidat im Osten vorgesehen war, zurück und gibt ebenfalls seine Parteikarte ab. Grund waren alte Facebook-Einträge von Vossen, die ihn in einem T-Shirt mit SS-Runen zeigen sowie geteilten Hitler-Memes mit geschmacklosen und zum Teil den Holocaust verharmlosenden Sprüchen. Wohlgemerkt hat Alain Vossen, alias Alain Machete, wie er sich auf Facebook nannte, seine Kandidatur selbst zurückgezogen. Es war nicht die Partei, die Herrn Machete aufgrund der Nazi-Posts ausgeschlossen hat.
Das bestärkt wohl Roy Reding, der nach seinem Parteiaustritt behauptete, dass ihn der zunehmende völkische Diskurs in der Partei störte. Dieser habe mit dem Parteibeitritt der Wee2050-Mitglieder zu tun, womit Reding vor allem Parteipräsident Fred Keup und den Spitzenkandidaten im Zentrum, Tom Weidig, visierte. Dass Reding das erst so spät auffiel, lag womöglich an der Tatsache, dass er vor allem durch Abwesenheit glänzte. Das war laut Keup der Grund, wieso Reding keinen Platz mehr auf der ADR-Liste fand. Dabei war es vor allem Reding, der dafür sorgte, dass die ADR die neue Heimat der Corona-Kritiker und -Leugner wurde. Eigentlich wollte die Partei genau auf diese Wähler setzen, nun hat sich ihr Präsident aber von Redings Corona-Aussagen distanziert. Vielleicht auch deshalb, weil Keup sich wieder mehr Gemächlichkeit und Geborgenheit wünscht, wie er im „RTL-Sonndesinterview“ erklärte. Früher sei vieles besser gewesen und wie immer sieht die ADR die Wurzel allen Übels im Wachstum.
„déi Lénk“: Finger weg von den Socials
Wer sich Serge Tonnar ins Boot holt, der kann sich sicher sein, dass er im Gespräch bleibt. Das mussten auch „déi Lénk“ in diesem Sommer erfahren. Sie haben Tonnar das Passwort ihres Facebook-Accounts überlassen und der hat sich ausgetobt. Ein rosa Barbie-Pony, von dem russischen Kriegsherrn Wladimir Putin geritten, starrt aufs Meer, und zu lesen war „make love not war“. Ein ähnlicher Post zeigte den US-Präsidenten Joe Biden als Ken. Die Kritik an den Postings ging in die unterschiedlichsten Richtungen, von Russland-Nähe über Russen-Hass bis hin zu Homophobie war alles dabei. Die Message schien jedenfalls nicht so klar gewesen zu sein, wie Tonnar es annahm. Seine Posts waren nicht mit der Partei abgesprochen. Tania Mousel bezeichnete die Polemik im Interview mit dem Radio 100,7 als „nicht ganz glücklich“. Damit sich so etwas in Zukunft nicht mehr wiederholt, sollen kritische Posts in Zukunft intern abgesprochen werden. Im Netz haben „déi Lénk“ diesen Sommer nicht überzeugt, in der realen Welt haben sie aber allemal ein paar Ausrufezeichen setzen können. Da wäre unter anderem ihre Forderung nach der Abschaffung des Staatsrates (in seiner jetzigen Form), nach der Recherche von reporter.lu. „déi Lénk“ haben sich als einzige Partei in diesem Dossier klar positioniert. Da wäre aber auch noch ihr riesiges Plakat an einem seit Jahren leerstehenden Haus in der hauptstädtischen avenue de la Liberté. „Wiem gehéiert dëst Haus?“, prangt auf dem Plakat. Damit legen sie den Finger genau in die Wunde der Wohnungskrise.
Piraten: Erholen vom Wahlerfolg
Die Piraten gehörten zu den Gewinnern bei den Kommunalwahlen. Im Sommer blieben sie eigentlich recht unauffällig. Sven Clement verbrachte einen Teil seines Sommers in Brasilien. Wie bereits im Frühjahr, versuchte er die 26.000 Luxemburger im größten Land Südamerikas für die Wahlen zu mobilisieren. Die Mission war, wie bereits erwähnt, alles andere als erfolgreich, mit lediglich 188 angefragten Briefwahlen. In Luxemburg sorgte bei den Piraten vor allem der erste Auftritt der neuen Escher Gemeinderätin Tammy Broers für Gespräch. Broers’ Vorstellung war nicht unbedingt souverän. Auf Social Media mussten sich die Piraten die Kritik gefallen lassen, dass sie für die Kommunalwahlen auf Teufel komm raus so viele Listen wie möglich präsentierten wollten und ihre frisch gebackenen Mandatsträger ins offene Messer haben laufen lassen. So sah es zumindest Linken-Politiker Samuel Baum. Für Oberpirat Sven Clement war Broers’ Auftritt mit Nervosität zu erklären. Er warf Baum vor, „op jonk Fraen a Gemengeréit (ze) klappen, déi immens nervös sinn“. Ob die Piraten den Sommer genutzt haben, um ihre neuen Mandatsträger auf ihre Rolle in den Gemeinderäten vorzubereiten, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Das außerparlamentarische Sommerloch
Nicht nur die in der Chamber vertretenen Parteien haben im Sommer mehr oder weniger auf sich aufmerksam gemacht. Fokus hatte gleich mehrere Pressekonferenzen einberufen. Zuerst ging es um die Förderung von Wasserstoff, einem Thema, mit dem sich Spitzenkandidat Frank Engel als Wasserstoff-Lobbyist gut auskennt. Anschließend sprang seine Partei auf die Sicherheitsdebatte auf. Roy Reding hat seinerseits nach seinem ADR-Austritt in Rekordtempo 60 Kandidaten zusammenbekommen und griff dabei auf viele Personen zurück, die sich in der Corona-Pandemie als Impf- oder Maßnahmengegner hervortaten. Auf jeden Fall tritt „Liberté-Fräiheet“ in allen Bezirken an, wenn auch nicht jeder Kandidat oder jede Kandidatin wirklich gewählt werden will. Nachdem Jessica Schiltz durch das Verbreiten vor Verschwörungstheorien aufgefallen war, hat sie anschließend erklärt, dass sie die Nase voll habe von den Diffamierungen und Anfeindungen. Sie kandidiert zwar weiter, will aber nicht gewählt werden. Volt tritt zwar nicht in allen vier Bezirken an, sorgte aber mit einer Forderung für Aufsehen. So ist die Partei der Meinung, dass „Luxemburg ein ökonomisches Interesse daran hätte, den Atommüll anderer Länder in einem Endlager zu lagern“. Die Kommunisten fallen nicht unbedingt mit ausgefallenen Ideen auf. Sie setzen sowohl beim Programm wie beim Personal auf Kontinuität. Wie Langzeitpräsident Ali Ruckert bei den Kollegen von RTL erklärte, soll der Mindestlohn um 20 Prozent steigen und das kapitalistische System endlich überwunden werden.
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