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StandpunktWie der Euro Europa spaltete: 20 Jahre nach Einführung bleibt er ein Schönwetterkonstrukt

Standpunkt / Wie der Euro Europa spaltete: 20 Jahre nach Einführung bleibt er ein Schönwetterkonstrukt
 Foto: AFP/André Pain

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In diesem Monat vor zwanzig Jahren wurde die europäische Einheitswährung mit der Einführung physischer Euro-Banknoten und -Münzen greifbare Realität. Aus diesem Anlass veröffentlichen die Finanzminister der Eurozone eine gemeinsame Erklärung, in der die Währung als „eine der greifbarsten Errungenschaften europäischer Integration“ bezeichnet wird. In Wahrheit allerdings hat der Euro die europäische Integration überhaupt nicht vorangebracht. Ganz im Gegenteil.

* Zum Autor

Yanis Varoufakis ist ehemaliger griechischer Finanzminister, Parteichef der MeRA25 und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen.

Der Hauptgrund für die Einführung des Euro bestand darin, die Integration durch die Eliminierung der Kosten für Währungskonvertierungen und – noch wichtiger – des Risikos destabilisierender Abwertungen zu erleichtern. Dies – so wurde den Menschen in Europa versprochen – würde den grenzüberschreitenden Handel fördern. Der Lebensstandard würde sich angleichen. Die Konjunkturzyklen würden gedämpfter ausfallen. Es gäbe mehr Preisstabilität. Und Investitionen innerhalb der Eurozone würden insgesamt zu einem rascheren Produktivitätswachstum und zu konvergierendem Wachstum zwischen den Mitgliedsländern führen. Kurzum, der Euro würde die freundliche Germanisierung Europas untermauern.

Zwanzig Jahre später hat sich keines dieser Versprechen erfüllt. Seit Gründung der Eurozone ist der Handel innerhalb ihrer Grenzen um 10 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg fällt allerdings deutlich geringer aus, als das Wachstum im Welthandel im Ausmaß von 30 Prozent und der mit 63 Prozent noch deutlichere Anstieg des Handels zwischen Deutschland und drei EU-Mitgliedsländern, die den Euro nicht eingeführt haben: Polen, Ungarn und die Tschechische Republik.

Gleiches gilt für produktive Investitionen. Eine gigantische Welle an Krediten aus Deutschland und Frankreich überspülte Länder der Eurozone wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien und führte zu aufeinanderfolgenden Pleiten, die den Ausgangspunkt der Eurokrise vor einem Jahrzehnt bildeten. Die meisten ausländischen Direktinvestitionen flossen jedoch aus Ländern wie Deutschland in jenen Teil der EU, der sich gegen die Einführung des Euro entschied. Während es in der Eurozone also zu einer Divergenz zwischen Investitionen und Produktivität kam, wurde mit Ländern außerhalb der Eurozone Konvergenz erreicht.

Keine Konvergenz

Im Hinblick auf die Einkommen im Jahr 1995 lässt sich feststellen, dass man pro 100 Euro Verdienst eines durchschnittlichen Menschen in Deutschland in Tschechien 17 Euro bezahlt bekam, in Griechenland 42 und in Portugal 37 Euro. Unter den drei Vergleichsländern konnten nach 2001 nur in Tschechien keine Euro-Banknoten an den Geldautomaten behoben werden. Und doch hatte sich das tschechische Einkommen im Jahr 2020 den 100 Euro eines durchschnittlichen Bewohners Deutschlands um satte 24 Euro angenähert, während der entsprechende Wert in Griechenland bei nur 3 und in Portugal bei 9 Euro lag.

Die Schlüsselfrage lautet nicht, warum mit dem Euro keine Konvergenz herzustellen war, sondern, warum überhaupt jemand dachte, dass es gelingen würde. Ein Blick auf drei Länderpaare mit gut integrierten Volkswirtschaften – Schweden und Norwegen, Australien und Neuseeland sowie die USA und Kanada – liefert nützliche Einblicke. Die enge Integration dieser Länder wurde weiter vertieft – und war nie gefährdet – weil sie eine Währungsunion vermieden hatten.

Um die Rolle der geldpolitischen Unabhängigkeit bei der Aufrechterhaltung der engen Integration ihrer Volkswirtschaften zu verstehen, denke man an die Inflationsraten. Diese lagen seit 1979 in Schweden und Norwegen, in Australien und Neuseeland sowie in den USA und Kanada in etwa auf dem gleichen Niveau. Und doch kam es im selben Zeitraum zu starken Schwankungen der bilateralen Wechselkurse ihrer jeweiligen Währungen, die so als Stoßdämpfer in asymmetrischen Rezessionen und Bankenkrisen wirkten und dazu beitrugen, die integrierten Volkswirtschaften in Gleichklang zu halten.

Maximale Divergenz

Ähnliches ereignete sich in der EU zwischen Deutschland, der führenden Volkswirtschaft in der Eurozone, und Polen, das bei seiner eigenen Währung blieb. Als der Euro eingeführt wurde, wertete der polnische Zloty um 27 Prozent ab. Nach 2004 stieg er um 50 Prozent an, bevor er während der Finanzkrise 2008 wieder um 30 Prozent fiel. Auf diese Weise vermied Polen einerseits ein durch Auslandsschulden geschürtes Wachstum – das in Mitgliedsländern der Eurozone wie Griechenland, Spanien, Irland und Zypern prägend war – und andererseits auch eine massive Rezession, als die Eurokrise voll ausgebrochen war. Ist es also verwunderlich, dass keine EU-Volkswirtschaft eine beeindruckendere Konvergenz mit Deutschland aufwies als Polen?

Rückblickend hat es den Anschein, als sei die Architektur des Euro so konzipiert worden, dass es zu maximaler Divergenz kommt. Tatsächlich schufen die Europäer eine gemeinsame Zentralbank, der aber die Rückendeckung eines gemeinsamen Staates fehlte, während man es den Staaten gleichzeitig ermöglichte, ohne die Unterstützung einer Zentralbank weiterzumachen und das auch noch in Zeiten einer Finanzkrise, wenn die Staaten die auf ihrem Territorium operierenden Banken retten müssen.

In guten Zeiten führten grenzüberschreitende Kredite zu untragbar hohen Schulden. Und dann, bei den ersten Anzeichen einer finanziellen Notlage (entweder einer öffentlichen oder privaten Schuldenkrise) erschien das Menetekel: ein Krampfanfall in der gesamten Eurozone, dessen unvermeidliches Ergebnis in starker Divergenz und enormen neuen Ungleichgewichten bestand.

Laienhaft ausgedrückt könnte man sagen, die Europäer ähnelten einem glücklosen Autofahrer, der zur Vermeidung der Seitenneigung seines Autos in Kurven die Stoßdämpfer entfernte, um dann geradewegs in ein tiefes Schlagloch zu fahren. Der Grund, warum Länder wie Polen, Neuseeland und Kanada die globalen Krisen überstanden haben, ohne hinter Deutschland, Australien und die USA zurückzufallen (oder, schlimmer noch, ihre Souveränität an sie abzugeben), liegt genau darin, dass sie sich einer Währungsunion mit diesen Ländern widersetzt haben. Wären sie den Verlockungen einer gemeinsamen Währung erlegen, hätten die Krisen von 1991, 2001, 2008 oder 2020 sie zu Schuldenkolonien gemacht.

Apathie verheißt nichts Gutes

Mancherorts wird argumentiert, Europa hätte mittlerweile seine Lehren gezogen. Schließlich wurde die Eurozone nach der Eurokrise und als Reaktion auf die Pandemie mit neuen Institutionen wie dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (einem gemeinsamen Rettungsfonds), einem gemeinsamen Bankenaufsichtssystem und dem Aufbauprogramm Next Generation EU gestärkt.

Dabei handelt es sich zweifellos um umfassende Änderungen. Allerdings stellen sie das Minimum dessen dar, was notwendig war, um den Euro am Leben zu erhalten, ohne seine charakteristischen Merkmale zu verändern. Mit der Umsetzung dieser Programme hat die EU ihre Bereitschaft bekräftigt, alles zu ändern, damit alles beim Alten bleiben kann – oder, genauer gesagt, um die einzige Änderung zu vermeiden, auf die es tatsächlich angekommen wäre: nämlich die Schaffung einer echten fiskalischen und politischen Union, die eine Voraussetzung für die Bewältigung makroökonomischer Schocks und die Beseitigung regionaler Ungleichgewichte ist.

Zwanzig Jahre nach seiner Einführung bleibt der Euro ein Schönwetterkonstrukt, das eher die Divergenz verstärkt als die Konvergenz voranzutreiben. Bis vor kurzem bot diese Entwicklung Anlass zu hitzigen Debatten – und damit zur Hoffnung, Europa sei sich jener Zentrifugalkräfte bewusst, die seine Grundlagen bedrohen.

Doch damit ist es vorbei. Als nämlich die Finanzminister der Eurozone ihr gemeinsames Loblied auf die Einheitswährung anstimmten, geschah etwas Bemerkenswertes: nämlich nichts. Niemand stimmte in den feierlichen Chor ein. Niemand war in ausreichendem Maße berührt, um Widerspruch zu leisten. Eine derartige Apathie verheißt nichts Gutes für eine Union, die gerade durch zunehmende Ungleichheit und fremdenfeindlichen Populismus auseinandergerissen wird.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.

Copyright: Project Syndicate, 2022, www.project-syndicate.org

Grober J-P.
7. Februar 2022 - 23.17

Was soll das H. Yanis, versteh Sie nicht? Alles wieder zurück auf Drachmen? Als kleiner Mann bin ich doch eher für den €. So kann ich direkt beurteilen was der Ouzo in Delphi kostet, oder der Porto in Porto.