Auch wenn das Festival mit einigen Line-Up-Änderungen am ersten und schlechtem Wetter am zweiten Tag zu kämpfen hatte – die Rückkehr des Koll an Aktioun nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause war ein voller Erfolg, was zum Teil eben gerade an den spontanen Umplanungen lag.
Man denke da (vor allem) an die sehr spontan ins Line-Up eingefügten Australier von Cash Savage and the Last Drinks, die auf der Schieferbühne eine Stunde vor dem Headliner Mutiny on the Mutiny an die Stelle von PABST traten – und mit ihrem Sound irgendwo zwischen dem soulig-bluesigen Neo-Folk von 16 Horsepower, dem jovialen, frenetischen Indierock von Arcade Fire und der rotzigen Post-Punk-Wut von Protomartyr vollends begeisterten.
Im Zentrum des teils frenetischen, teils melancholischen Bandsounds steht Sängerin Cash Savage, die mit ihrer Background-Band The Last Drinks stets zwischen Entsetzen über den Zustand der Welt und Begeisterung, auf einer Festival-Bühne zu stehen, pendelte – und deren Timbre teilweise an Win Butler oder David Eugene Edwards erinnert.
Vor dem letzten Song erwähnt Cash Savage die katastrophalen Buschbrände in Australien und fragt in einem ergreifenden Ton, was wir mit unserem Erdball angerichtet haben, bevor sie das Publikum mit Lyrics wie „The World is cooked“ und „Who doesn’t love a sunny day?“ (eine Textzeile, die im Songtext gleichzeitig trist-ironisch und verzweifelt-wütend nachhallt) abschließt und den Zuschauer erfreut (über das Konzert) und nachdenklich (über den Zustand der Welt und das (zu) gute Wetter draußen) zurücklässt.
Apropos Katharsis: Eine Stunde später spielten Mutiny on the Bounty ihr erstes Konzert in mehr als sechs Monaten. Wer dachte, die Band könnte nach dem tollen Auftritt in der Kulturfabrik im letzten Juli nicht tanzbarer, hitdichter oder präziser werden, wurde hier definitiv eines Besseren belehrt.
Ein Mathrock-Feuerwerk
Abgesehen von zwei instrumentalen Verschnaufpausen wurde in einwandfreiem Tongewand und mit einer musikalischen Raffinesse, die nicht nur hierzulande ihresgleichen sucht, ein Mathrock-Feuerwerk nach dem anderen gezündet: Mit „North Korea“, „Mapping the Universe“, „MKL JACKSON“, „Myanmar“, „Dance Automaton Dance“ (als Einleitung zum Encore) oder auch „Countach“, „Ecliptic“ und „Ice Ice Iceland“ hat die Band in den letzten Jahren eine Setlist ohne irgendwelche Leerläufe oder Füller aufgestellt und diese Songs immer weiter perfektioniert. Die Vorfreude auf die neue Platte, die seit Jahren in der Mache ist und von der uns die Band manchmal ein oder zwei Teaser vorstellt, wächst auf jeden Fall mit jedem Auftritt.
Dass man danach in der „Musikstiffchen“ die tanzbaren Orgel-Albernheiten von Mambo Schinki ertragen sollte, konnte dann auch niemandem mehr die Laune verderben – zumal davor mit dem feministischen Elektropop von Elena Steri, die ihr Konzert mit „Boysclub“, einem Track gegen die Männerdominanz in der Musikindustrie, ironisch-wütend, aber auch etwas plakativ abschloss (in der Juni-Ausgabe des Musikexpress stammen die zehn Platten des Monats allesamt von weiblichen Künstlerinnen; die Redaktion unterstreicht dabei, dass dies nichts mit positiver Diskriminierung zu tun habe und zeigt somit, dass sich die Genderbalance im Pop so langsam aber sicher ändert – eine Gegebenheit, die sehr begrüßenswert ist, der aber dann auch Tribut gezollt werden sollte). Mit Nicools recht vielseitigem, oft feministischen Hiphop über doofe Chefs, Liebe, Gleichberechtigung und den Tod sowie dem unterhaltsamen, wenn auch nicht sonderlich innovativen Indierock von White Noise konnten definitiv sowohl musikalische wie auch politische Akzente gesetzt werden.
Auch abseits der Konzerte konnte das Koll an Aktioun mit kulinarischen Aktivitäten, Workshops für Kids, der Ausstellung im Schiefermuseum, aber auch einer tollen Auswahl an vegetarischen und veganen Speisen sowie einem „unveganen“ Grillstand und Getränkeständen (mit einem sorgfältig ausgewählten Angebot an Biersorten und Bioschorlen sowie den stets tollen Weinen von „Vins fins“) trumpfen. Und dass die Kids während der Konzerte oftmals deutlich mehr abgingen als die Generation ihrer Eltern (lobende Ausnahme: das Mutiny-Konzert, bei dem dann auch das erwachsene Publikum bis zum Umfallen tanzte), setzt eigentlich ein gutes Zeichen für die musikalische Zukunft Luxemburgs.
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