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EditorialWenn die Sicherheitsankündigungen der Regierung falsche Hoffnungen wecken

Editorial / Wenn die Sicherheitsankündigungen der Regierung falsche Hoffnungen wecken
Mehr Personal für den Rechtsstaat, um bestehende Gesetze zu nutzen, statt neue zu schaffen  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Sicherheit war ein im Wahlkampf dominierendes Thema. Die neue CSV-DP-Regierung gibt sich Mühe, es weiterhin als ihr besonders wichtig zu vermitteln. Dabei streut sie den Menschen nicht wenig Sand in die Augen.

Einfach nur mehr Sicherheit garantieren zu wollen, greift als Ankündigung zu kurz. Vor allem dann, wenn die Ansätze nur Symptombekämpfung sind und stark nach Law and Order riechen, statt mehr Verständnis zu zeigen und von Ursachenforschung zu zeugen. Eine neue Gemeindepolizei, Videoüberwachung, wie jüngst auch von den Bürgermeistern von Esch und Wiltz bestätigt, strikte Handhabung des Platzverweises, all dies ist eigentlich Täuschung der Bürger. Das gilt besonders für die Ankündigung der „comparution immédiate“, also des sofortigen Vorladens eines vermeintlichen Verbrechers vor einen Richter.

Einst wurden Verbrecher oder einfach nur Andersdenkende am nächsten Baum aufgeknüpft. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Aber heute sind wir doch weiter? Zumindest als demokratisch bis ins Mark geprägte Gesellschaft in Luxemburg. Es gibt Gesetze, noch und nöcher, die Gewalt und Verbrechen unter Strafe stellen. Warum brauchen wir also noch mehr?

Die Menschenrechtskommission schaut jedenfalls mit Sorge auf viele Justiz- und Sicherheitspläne der neuen Regierung. Der Kommissionsvorsitzende Gilbert Pregno sagte, dass „bei uns Menschenrechtlern die roten Ampeln angehen“. Pregno hob die „comparution immédiate“ hervor. In Frankreich gebe es sie, man wolle sie aber wieder abschaffen, weil die Rechte der angeklagten Person nicht ausreichend berücksichtigt würden. Für Pregno sind die Pläne der Regierung eine Konsequenz aus der seiner Meinung nach sehr populistischen Auseinandersetzung mit Menschen, die wegen Drogengeschichten oder Diebstahl festgenommen wurden. Oft hieße es, die Prozeduren seien zu lang: „Aber Prozeduren sind auch Garantien für die Freiheit von Menschen“, sagte Pregno.

Auch dem Juristen Frank Engel (Fokus) ist die „comparution immédiate“ suspekt. Einen „rechtsstaatlichen Kulturbruch“ nennt er sie. Was jetzt als sofort bezeichnet würde, werde sich später nur als „etwas schneller“ herausstellen. „Warum also nicht gleich hingehen, weniger dramatische Worte wählen und das tun, was Fokus im Wahlkampf vorgeschlagen hat, nämlich sich die nötigen Ressourcen zu geben, um die jetzige Gerichtsbarkeit dort zu beschleunigen, wo es unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien möglich ist?“

Was die neue Regierung machen wird, steht in den Sternen. Genaue Ausführungsbestimmungen sind bisher nicht öffentlich bekannt. Am Ende bleibt die Frage: Was, wenn diese und alle anderen neuen oder neu verpackten Maßnahmen nicht fruchten? Was ist zum Beispiel, wenn sich, wie jüngst in Dublin (Irland) oder in Romans-sur-Isère (Frankreich), eine aufgebrachte Menschenmenge dazu erkoren fühlt, ihr tumbes Demokratieverständnis mit Gewalt durchzusetzen? Wer wird sie bremsen? Gesetze wohl kaum, denn die gibt es auch in Irland und in Frankreich.

Die Antworten sind um ein Vielfaches komplizierter als die jetzt angetretene Regierung in Luxemburg den Bürgern verklickern möchte. Wer in der Diskussion um Sicherheit nur von Repression spricht, hat bereits verloren.