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„Anything goes“Weniger Steuern als Wahlkampfknüller: CSV stellt Eckpunkte ihres Programms vor

„Anything goes“ / Weniger Steuern als Wahlkampfknüller: CSV stellt Eckpunkte ihres Programms vor
CSV-Spitzenkandidat Luc Frieden stellt die zehn Prioritäten seiner Partei für die Chamberwahlen im Oktober vor. Neben ihm Claude Wiseler,  Elisabeth Margue und Alex Donnersbach. Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Weniger Steuern, mehr Wohnungen und Sicherheit – das versprechen die Christsozialen in ihrem Wahlprogramm, das die Partei in Grundzügen vorgestellt hat. Eine liberal-konservative Handschrift ist zu erkennen, ein Alleinstellungsmerkmal nicht.

Wo die CSV zu finden ist, diese Frage zu beantworten, liegt heute nicht immer auf der Hand. In der Ära von Premierminister Jean-Claude Juncker hätte es vielleicht noch geheißen: in der Mitte der luxemburgischen Gesellschaft, oder mitte-rechts des politischen Spektrums. Heute ist das schon nicht mehr ganz so klar, selbst wenn sich die CSV nach wie vor als „große Volkspartei“ versteht, wie ihr Spitzenkandidat Luc Frieden am Montagvormittag betonte.

Um die zehn Prioritäten vorzustellen, hatten die Christsozialen die Presse zuerst ins „Public House“, ein Pop-up-Restaurant am hauptstädtischen Boulevard Roosevelt, eingeladen, um dann die Journalisten „aus technischen Gründen“ zur Charly’s Gare umzuleiten. Bekanntlich hat sich dort direkt nebenan seit dem vergangenen Jahr ein Pop-up-Café namens „Bonne Nouvelle“ niedergelassen, von denselben Betreibern wie die des „Public House“.

Um gute Neuigkeiten sollte es auch Frieden zusammen mit den beiden Parteipräsidenten Elisabeth Margue und Claude Wiseler sowie CSJ-Präsident Alex Donnersbach gehen, wenn die Partei bei den Gemeindewahlen eine Woche zuvor nicht einen Dämpfer erlitten hätte. Sie blieb zwar stärkste Partei auf kommunaler Ebene, rutschte jedoch im Vergleich zu 2017 von insgesamt 30,4 Prozent auf 26,06 Prozent der Wählerstimmen landesweit ab. Vor allem in der Hauptstadt behalten die Liberalen die Oberhand.

Dass Premierminister Xavier Bettel kurz zuvor im Interview mit Reporter.lu auf die Frage, ob er sich in einer künftigen Regierung vorstellen könne, auch eine andere Funktion als die des Premierministers zu übernehmen, geantwortet hatte, er wolle „nichts ausschließen“, und er Luc Frieden als „angenehmen Gesprächspartner“ bezeichnete, soll nicht überinterpretiert werden. Aber zumindest ist klar: Der Wahlkampf ist eröffnet.

Pop-up-Ambiente

Frieden jedenfalls stellte in der Pop-up-Umgebung der Charly’s Gare die zehn Prioritäten für die Nationalwahlen am 8. Oktober vor. Dazu gehören im Einzelnen:

1. Die Kaufkraft solle erhöht werden, indem u.a. die Steuertabelle etappenweise an die Inflation angepasst wird; die Steuern sollen zwar „für alle Menschen“ gesenkt werden; doch vor allem Alleinerziehende sollten entlastet werden, indem zum Beispiel die Übergangsperiode, um von Steuerklasse 2 in Steuerklasse 1a zu landen, von drei auf sechs Jahre verlängert wird; außerdem soll der Eingangssteuersatz höher gesetzt werden; keine Erbschafts- und Vermögenssteuer

2. Junge Familien: Hierbei sollen etwa vier unbezahlte „Elterestonnen“ pro Woche die „Work-Kids-Balance“ verbessern; junge Menschen sollen in den Genuss von Steuerfreibeträgen kommen; wer seine Kinder zu Hause versorgt und nicht in Betreuungsstrukturen gibt, soll ein doppeltes Kindergeld bekommen.

3. Im Wohnungsbau soll mehr und schneller sowie ein wenig höher und dichter gebaut werden; dazu weniger Kompensation im Perimeter, weniger Impaktstudien; Genehmigungsprozeduren sollen beschleunigt werden und strenge Fristen haben; die Mehrwertsteuer auf bestimmte Zeit auf drei Prozent gesenkt werden; der Privatsektor soll verstärkt mit ins Boot genommen werden.

4. Besserer Zugang zum Gesundheitswesen: Wartezeiten u.a. in Notaufnahmen reduzieren; die Zahl der „Maisons médicales“, die sieben Tage in der Woche geöffnet sind, soll steigen; Verbesserung der Notdienste.

5. Sicherheit: Rekrutierung von 700 Polizisten in fünf Jahren; verstärkte Präsenz der Polizei; Videoüberwachung an den Brennpunkten.

6. Bildung: Schule muss den Schülern Kompetenzen von 2030 beibringen; Reform des Sprachunterrichts; Deutsch als Fremdsprache, aber weiter auch als Alphabetisierungssprache; Hausaufgabenhilfe müsse flächendeckend eingeführt werden; mehr Wahlmöglichkeiten unter Fächern für Sekundarschüler statt immer mehr neue Sektionen; Orientierung durch Talenttests.

7. Wirtschaft: Für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und inklusive Ökonomie; 20 Prozent weniger „charges administratives“; Investitionen in die ökologische und digitale Transformation; Unterstützung des Handwerks; Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes aufrechterhalten; Körperschaftssteuersatz soll auf OECD-Niveau gesenkt werden.

8. Klima und erneuerbare Energien: Erste Etappe 30 Prozent erneuerbare Energien im Jahr 2030; offen für neue Technologien.

9. Mobilität: Von den Umgehungsstraßen zur Entlastung der Kommunen soll nicht nur gesprochen, sondern sie sollen auch gebaut werden; die Tram soll auf die Nachbargemeinden der Hauptstadt ausgeweitet werden; zusammenhängende Radwege.

10. Digitalisierung: Beschleunigung der Digitalisierung aller Prozeduren nach dem Vorbild von Estland; steuerliche Anreize; Blockchain.

„Neuralgische Zone“

Das alles zusammen ist noch nichts Revolutionäres, aber stellt die Eckpunkte des 93 Seiten langen Wahlprogramms dar, das beim CSV-Konvent am 8. Juli im Limpertsberger „Tramsschapp“ vorgestellt werden soll (dort werden auch die Kandidaten für die Chamberwahlen bestimmt). Das einstimmig abgesegnete Programm sei das Ergebnis einer „monatelangen Arbeit“, wie Co-Parteipräsident Claude Wiseler betonte. Die Reihenfolge der Prioritäten sei eher zufällig, erklärte Frieden. Dass die Ökonomie als Punkt sieben genannt wird, heißt nicht, dass sie am siebtwichtigsten ist. Der Spitzenkandidat betont die Bedeutung des Triple A für die luxemburgische Wirtschaft. Auch seien solide Staatsfinanzen grundlegend für die Politik. Eine Gratispolitik hingegen sei nicht zielführend.  

Sicherlich ist eine eher liberal-konservative Handschrift zu erkennen, aber ein wirkliches CSV-Alleinstellungsmerkmal fehlt auf den ersten Blick. Zu analysieren gilt das gesamte Wahlprogramm sowie seine Überschneidungen und feinen Unterschiede zu den konkurrierenden Parteien. Inwiefern sie mit den Vorstellungen möglicher Koalitionspartner kompatibel ist, muss sich noch zeigen und könnte zur politischen Wahlarithmetik werden. „Anything goes“, wie schon das gleichnamige Musical von Cole Porter besagte. Oder im Neusprech des 21. Jahrhunderts: „Pop-up“.

In der politischen Mitte ist es in Luxemburg eng, gerade die rechte Mitte ist „zur politisch neuralgischen Zone“ geworden, wie der Frankfurter Politikwissenschaftler Thomas Biebricher jüngst in seinem Buch „Mitte/Rechts“ über die „Krise des internationalen Konservativismus“ schreibt. Biebricher lenkt seinen Fokus auf Italien, Frankreich und auf das Vereinigte Königreich: auf das Vakuum nach der Implosion der Democrazia Cristiana, auf die Républicains in Frankreich nach Chirac und Sarkozy und auf die Tories der Post-Thatcher-Ära. Seine Beispiele könnten fortgesetzt werden mit den deutschen Christdemokraten nach Angela Merkel – oder mit der luxemburgischen CSV der Gegenwart.

JJ
21. Juni 2023 - 19.14

Die Dino-Partei probiert es mit der Liebe die durch den Magen geht.Oder eben durch die Brieftasche.Wie Erdogan,der vor den Wahllokaleb Geld an die Wähler verteilte,probieren es die Jünger des Herrn mit Steuererleichterungen,die man später ja wieder einkassieren kann.Frieden kennt sich da aus.Ein Mann vom Fach. Gambia hat viel erreicht in den 2 Amtsperioden.Dafür hatte die CSV gefühlte 300 Jahre Zeit und...hat noch nicht einmal die Schwarzkittel aus den Schulklassen bekommen. Ändert euren Parteinamen,wie euer geschasster Engel,denn die Christen sterben weg und neue ,anders denkende Wähler wollen eben nicht unbedingt Anhänger einer Sekte im Parlament oder der Regierung.Vielleicht gibt das mehr Stimmen als die Steuerfalle à la Frieden. Übrigens,der Mann ist doch reif für die Rente,was macht der in der Politik? Da kann JCJ ja gleich wieder kommen.Bei Königen geht das ja anscheinend,je oller je doller.

Irma
21. Juni 2023 - 17.23

Man sieht, dass diese Leute an sprechende Schlangen glauben.

Die glauben das bestimmt selber.

Grober J-P.
20. Juni 2023 - 16.37

A propos Wohnungsbau. Der liebe Luc hat sich noch nie in so einem Wohnsilo verirrt, was vom Privatsektor gebaut und verkauft wurde.

"der Privatsektor soll verstärkt mit ins Boot genommen werden."
Dann aber zu den heute geltenden Normen und zu erschwinglichen Preisen.
Glaube, das geht leider schief.
"die Steuern sollen zwar „für alle Menschen“ gesenkt werden."
Herrlich, und die Geringverdiener müssen die Indextranchen zurückbezahlen, oder ?

Sten
20. Juni 2023 - 11.31

@Sam/ Fragen sie X. Bettel was er in den letzten 10 Jahren gemacht und gespart hat.

max.l
20. Juni 2023 - 8.24

"Sam, bei deene Klengen.."

ëch hun de Moien um 100,7 dem Här Frieden nogelauschtert, op déi relatif gut Froën vum Journalist, koum keng präziis Äntwert, ëmmer ganz waag gehaalen, ouni sëch fest ze léën, oder rondrëm d"Bräi, a mat enger kräfteger DP-Nuance gefiiwt..
méi Wuestum, méi Kaafkraaft, méi Bla-Bla..
ëch hat bis elo gehoft, déi Neo-liberal Well, kriig elo endlëch een Enn.. ma ët kuckt nët dono aus.. ët könnt nach schlëmmer..
Här ass Här a Max as Max..

Sam
20. Juni 2023 - 0.12

Im Wohnungsbau soll schneller und dichter gebaut werden? Also schneller, minderwertiger und dichter geht doch nicht. Und keine Steuern für unsere erbschaftsprivilegierten Großgrundbesitzer? Und wenn Steuern fehlen, wo wird dann gespart?