Es sollte ein markantes politisches Zeichen der Glyphosat-Gegner werden: Einspruch des EU-Parlamentes gegen eine verlängerte Zulassung. Doch das Votum kam nicht zustande. Mitte November unternimmt die EU-Kommission einen neuen Versuch, das Pflanzenschutzmittel für weitere Jahre zu erlauben.
Die Glyphosat-Gegner sind am Dienstag bei dem Versuch gescheitert, den politischen Druck auf ein Verbot in der EU zu verstärken. Im Umweltausschuss des Europa-Parlamentes bekam ein Einspruch gegen die weitere Glyphosat-Nutzung keine Mehrheit. Dies ist bemerkenswert, weil zugleich eine Mehrheit für einen insgesamt deutlich eingeschränkten Pestizid-Einsatz zustande kam. Damit wachsen die Chancen für die Bayer-Tochter Monsanto und weitere Hersteller, das Pestizid auch nach dem Auslaufen der aktuellen Genehmigung im Dezember in der EU verkaufen zu können.
Die gute Nachricht aus Brüssel traf bei Bayer zusammen mit einer schlechten aus dem US-Bundesstaat Missouri ein. Nach neun von Monsanto gewonnenen Prozessen wegen der angeblichen Krebsgefahren des Glyphosat-Mittels Roundup verlor der Konzern erstmals wieder vor einem Geschworenengericht in St. Louis, kündigte jedoch sogleich an, in Berufung zu gehen. In der EU hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) nach der aufwendigen Auswertung von 16.000 Glyphosat-Studien eine verlängerte Zulassung empfohlen, weil sich die behaupteten schädlichen Auswirkungen auf den Menschen nicht hätten erhärten lassen. Inakzeptable Gefahren seien mit dem bestimmungsgemäßen Einsatz von Glyphosat nicht verbunden. Das Mittel gehört zu den meistgenutzten Herbiziden weltweit.
Zugleich verwies die Efsa jedoch auf einige Erkenntnislücken. Es gebe noch nicht genügend Daten für die Auswirkungen von Glyphosat auf Wasserpflanzen, auf Ernährungsrisiken und die Artenvielfalt. Das Mittel wird von den Landwirten als Totalherbizid verwendet, da es sämtliches Unkraut beseitigt, bevor die Aussaat der Nutzpflanzen erfolgt. Es gibt nach Auskunft von Landwirtschaftsverbänden also keinerlei Berührungen zwischen Glyphosat und dem Saatgut. Gegner hingegen weisen auf zunehmend nachweisbare Spuren von Glyphosat in Wasserproben hin.
Schadenersatzklagen befürchtet
Die EU-Kommission hatte eine Verlängerung der Glyphosat-Erlaubnis bis 2033 vorgeschlagen und den Mitgliedstaaten freistellen wollen, größere Abstandsflächen, kleinere Mengen und geringere Häufigkeit von Anwendungen als zusätzliche Auflagen vorzunehmen. Damit dieser Vorschlag EU-weit Geltung bekommen hätte, wäre bei einer Abstimmung in einem Fachausschuss der 27 EU-Agrarminister eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 55 Prozent der Staaten mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung nötig gewesen. Diese Mehrheit kam nicht zustande, weil Länder wie Österreich und Luxemburg mit Nein stimmten und Länder wie Frankreich, Belgien, die Niederlande und Deutschland sich enthielten.
Luxemburg ist mit gutem Beispiel vorangegangen, hat den Einsatz von Glyphosat 2020 verboten und damit gezeigt, dass eine produktive Landwirtschaft – egal ob konventionell oder Bio – ohne Glyphosat möglich ist
Tilly Metz, grüne EU-Parlamentarierin
Auf EU-Ebene bestehen erhebliche Zweifel, ob es angesichts der Efsa-Expertise ein Ende der Zulassung geben darf, wenn zugleich andere Pflanzenschutzmittel mit gleicher oder ähnlicher Beurteilung erlaubt bleiben. Offensichtlich befürchtet die EU-Kommission, mit Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe konfrontiert zu werden, und will deshalb Mitte November in einer Berufungsinstanz einen erneuten Anlauf bei den Vertretern der Mitgliedstaaten unternehmen. Kommt es auch da weder zu einer qualifizierten Zustimmung noch zu einer qualifizierten Ablehnung, kann die Kommission selbst entscheiden. Möglicherweise erkauft sich die Kommission auch eine Zustimmung durch moderate Veränderungen, etwa ein Eingehen auf das französische Anliegen, die Verlängerung auf sieben Jahre zu befristen.
Luxemburg mit gutem Beispiel vorangegangen
Der Einspruch des Umweltausschusses und auch ein folgender Einspruch des Europa-Parlamentes gegen die verlängerte Zulassung hätten keine rechtliche Bindung bedeutet, jedoch den politischen Druck auf die Kommission erhöht. „Vor sechs Jahren standen wir kurz davor, Glyphosat in der EU zu verbieten, und Millionen von europäischen Bürgerinnen und Bürgern forderten dies. Die Autorisierung des Einsatzes von Glyphosat wurde auf diese massiven Bedenken hin um lediglich fünf Jahre verlängert“, erklärte die luxemburgische EP-Abgeordnete, Tilly Metz, in einer Mitteilung. „Luxemburg ist mit gutem Beispiel vorangegangen, hat den Einsatz von Glyphosat 2020 verboten und damit gezeigt, dass eine produktive Landwirtschaft – egal ob konventionell oder Bio – ohne Glyphosat möglich ist“, so die Grünen-Politikerin weiter.
Die Glyphosat-Expertin der EVP, Christine Schneider, hingegen begrüßte das Ausschussvotum und sprach sich für eine „verantwortungsvolle“ Anwendung aus. „Wir wollen selbstverständlich den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren, aber solange es keine funktionierenden Alternativen gibt und in Europa Krieg herrscht, werden wir keine Gesetze unterstützen, die Landwirte an der Produktion von Lebensmitteln hindern“, sagte die EVP-Europa-Abgeordnete.
Der Umweltausschuss stimmte anschließend dafür, den Herbizid-Einsatz bis 2030 generell auf die Hälfte zu reduzieren, in geschützten Gebieten und bei gefährlichen Mitteln sogar noch mehr. Das muss aber erst noch vom Plenum des Parlamentes bestätigt und mit den EU-Ministern ausgehandelt werden.
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