Um den Rebensaft aus dem hohen Norden ranken sich jedoch auch allerlei spöttische Anekdoten über den „Wäin aus Veinen“, den man schon damals als wahren Kniebrecher bezeichnete. Grund für diese Charakterisierung war der Umstand, dass bei übermäßigem Genuss nicht der Kopf verwirrt war, vielmehr die Beine ihren Dienst versagten. Fürsprache erfuhr der Wein aus Vianden allerdings u.a. von Edmond de la Fontaine, als „Dicks“ bekannter Schriftsteller, der treffend bemerkte: „Obwohl der Wein nicht von Spitzenqualität ist, ist er jedoch angenehm zu trinken!“
Seit fast 100 Jahren, genauer gesagt seit 1925, wächst in Vianden kein Wein mehr. Einige harte Winter und die unsägliche Reblaus beendeten dieses Kapitel. So viel zur Geschichte des einstigen Weinbaugebietes.
Neue Rebsorten sind gefragt
Am vergangenen Freitag waren wir zu Gast in Vianden, auf Einladung der Schlossfreunde war eine „Visite des vignobles“ angesagt, denn in Sachen Weinbau hat sich in den letzten Jahren wieder etwas bewegt. Das Interesse an dem, was uns an diesem Tag erwarten sollte, war groß, mit Paulette Lenert (LSAP), Sam Tanson („déi gréng“), Claude Haagen (LSAP) und Claude Turmes („déi gréng“) waren gleich vier Minister im Gästetross. Erste Station unserer Visite war Tandel. In seinem Weinberg erwartete uns Marc Roeder, Landwirt mit mehr als 100 Hektar Ackerfläche. Roeder hat sich 2018 dafür entschieden, sich mit der Anpflanzung einer Rebanlage ein zweites Standbein zu schaffen. In Zusammenarbeit mit Serge Fischer vom Weinbauinstitut (IVV) in Remich hat er hier auf einer Fläche von 40 Ar neue, pilzwiderstandsfähige Rebsorten, sogenannte „Piwis“, angepflanzt, mit Namen Solaris, Souvignier gris und Muscaris. Diese Rebsorten sind zudem nicht ganz so sensibel gegen Frost wie die klassischen Rebsorten. „Meine erste Ernte 2021 hatte bereits 90° Öchsle, ich habe erst mal nur einen Federweißen daraus gemacht“, erklärt der Neu-Winzer. Seinen ersten Wein hat er aus der Ernte von 2022 produziert. Marc Roeder setzt zudem keinerlei Pestizide ein.
Dr. Daniel Molitor (vom Luxembourg Institute of Science and Technology – LIST), der seit zehn Jahren die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau untersucht, bescheinigte den neuen Rebsorten ein großes Potenzial mit stabiler Säure und frischer Aromatik, beim Konsumenten jedoch fehle aktuell noch die Akzeptanz für diese Sorten.
„Ee vu Veinen a soss keen …“
Mit uns unterwegs ist auch Laurent Kox, umtriebiger Weinmacher aus Remich, stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen in Sachen Weinkultur. Wir besuchen Nico Walisch in Vianden. Der altgediente „Schoulmeeschter“, ein echter „Escher Jong“, hat sich 2012 von Laurent Kox breitschlagen lassen, in seinem Refugium in der „Kalchesbaach“ auf Schieferboden einen Weingarten anzulegen, um die Weinkultur in Vianden wieder aufleben zu lassen. 300 Rebstöcke der Rebsorte Cabernet blanc hat er hier gesetzt und produziert jährlich ca. 400 Flaschen Wein, die er mit Freunden selbst konsumiert oder verschenkt. Heuer hat er den ersten Crémant auf die Flasche gezogen, einen „Crémant de Débutants – Petit Premier Cru“. Fachgerecht und nach alter Champagnertradition werden fünf Flaschen mit einem Säbel sabriert und zur Verkostung ausgeschenkt. An Ministerin Sam Tanson gerichtet, meint Nico schmunzelnd: „Madame Ministesch, ech hoffen, dir schneit keng Grimassen!“ Nico, vielerorts eifrig als Musiker unterwegs, schnappt sich sein Akkordeon und intoniert „Kättche, Kättche, bréng mir nach e Pättchen – ee vun Veinen a soss keen …“
Derart gut gelaunt begeben wir uns zum eigentlichen Anlass unserer Visite. Im Schatten der mächtigen Burg Vianden haben die Schlossfreunde, abermals auf Initiative von Laurent Kox in Kooperation mit Nico Walisch und Marc Roeder sowie mit dankenswerter Unterstützung des „Forum de l’emploi“, im Frühjahr einen Weingarten mit 300 Jungpflanzen angelegt. Zur Anlage gehören zudem Rosenstöcke und ein großes Insektenhotel. Zur offiziellen Einweihung der Anlage war es den Regierungsvertretern dann vorbehalten, das Projekt seiner Bestimmung zu übergeben. Vor Ort wurde jedoch nicht, wie ansonsten üblich, ein Trikolorebändchen durchgetrennt, die Damen und Herren Minister mussten richtig arbeiten. Mit einer Harke ausgestattet, mussten sie jeweils drei Meter Boden aufharken, damit die Reben auch gut gedeihen.
Mit einer von Laurent Kox kommentierten Weinprobe im historischen Keller des Schlosses, mit Weinen von Kox, Roeder, Walisch und vom IVV Remich, fand die spannende Exkursion ihren Abschluss.
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