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KaufkraftWas sie zur Tripartite über den Luxemburger Index wissen sollten

Kaufkraft / Was sie zur Tripartite über den Luxemburger Index wissen sollten
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Premierminister Xavier Bettel hat eine Tripartite einberufen, um die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges auf Luxemburg zu mindern. Der Index, der die Gehälter an die Inflation anpasst, könnte demnach bei den Gesprächen am Dienstag eine wichtige Rolle einnehmen. Doch wie funktioniert die Indexierung eigentlich? Und wann wäre überhaupt die nächste Tranche fällig?

Was ist der Index und wozu ist er gut?

Beim Index handelt es sich um eine wissenschaftliche Kennzahl für die Preisentwicklung in Luxemburg. Der Index misst anhand eines Korbs die durchschnittliche Preisveränderung ausgewählter Waren und Dienstleistungen. In Luxemburg werden alle Löhne, Gehälter und Renten an die Steigerungen der Verbraucherpreise angepasst. Dieses politische Instrument der automatischen Anpassung der Einkommen an die Lebenshaltungskosten wird hierzulande auch Indexregelung genannt.

Seit wann gibt es den Index und warum wurde er eingeführt?

Die Indexregelung geht zurück auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918). Damals war die Not der Menschen groß: Die Wirtschaft lag am Boden und die Preise stiegen schnell. Wer ein Gehalt bezog, konnte sich jeden Monat weniger dafür leisten.

Um die Kaufkraft der Mitarbeiter zu wahren, wurde dann 1921 erstmals der Index in einem Kollektivvertrag beim Staat eingeführt. Seit jenem Jahr werden Gehälter und Pensionen von Bahnbediensteten und Beamten automatisch an die Preisentwicklung angepasst. 1927 folgte dann das Personal der Gemeinden. Rund zehn Jahre später fand der Index auch seinen Weg in die Kollektivverträge im Stahlsektor.

In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde das System noch weiter ausgebaut und auf zusätzliche Bevölkerungsgruppen ausgedehnt. Zu den Beamten kamen 1951 die anderen Mitarbeiter sowie die Arbeiter des Staates hinzu. Im selben Jahr wurde auch der Mindestlohn an die Preisentwicklung angepasst. Seit 1965 ist die automatische Anpassung der Gehälter an die Preisentwicklung in jedem Kollektivvertrag Pflicht. Seit Mai 1975 ist der Index per Gesetz allgemein gültig.

Wie wird der Index berechnet?

Auf Basis eines Warenkorbs. Der Warenkorb enthält laut der Luxemburger Statistikbehörde Statec rund 60.000 Dienste und Produkte. Statec zeichnet jeden Monat die Preise auf und vergleicht sie dann mit dem Monat davor. Die Aufzeichnung geschieht dabei zum Teil noch manuell – Beamten laufen durchs Land und registrieren dabei monatlich rund 8.000 Preise, z.B. von Friseurläden, Autoverkäufern oder Restaurants.

Es werden aber auch viele Preise digital über das Internet erhoben, per E-Mail oder Telefon angefragt, oder direkt durch Scannerkassen in Supermärkten eingefangen. Rund 58.000 Preise würden von den Scan-Daten der Supermarkt-Kassen stammen. Die Datenerhebung für den Index basiert auf den Gesamtausgaben von Luxemburgs Haushalten.

Seit der Einführung des Index sind inzwischen 101 Jahre vergangen. Seither wurde das Instrument mehrmals erweitert und ist deutlich komplexer geworden: In den 1920er Jahren beruhte die Berechnung noch auf einem überschaubaren Warenkorb mit 19 Konsumgütern – darunter Bier, Brot und Butter. Der Warenkorb sollte damals den durchschnittlichen Verbrauch eines fünfköpfigen Haushalts widerspiegeln. Rund 70 Prozent der Ausgaben waren für Lebensmittel vorgesehen.

1948 wurde der Korb auf dann 36 Güter erweitert. Zudem wurde der Index so „ummodelliert“, dass er fortan den Konsumgewohnheiten einer Familie mit vier erwachsenen Mitgliedern entsprach.1967 wurde der Index abermals erweitert: Der Warenkorb umfasste ab dem Zeitpunkt 173 Produkte und Dienstleistungen.

Wann wird eine Indextranche ausgelöst?

Nachdem die Preise ermittelt wurden, wird daraus ein Punktwert errechnet. Dabei werden die Waren in unterschiedliche Kategorien unterteilt und je nach gesellschaftlicher Relevanz gewichtet. Der Punktwert beruht dabei auf der Basis der Preise vom 1. Januar 1948. Wenn der Punktwert nun einen gewissen Stand überschreitet, wird automatisch eine nächste Indexerhöhung fällig. Als Faustregel gilt: Wenn die Preise seit der letzten Indextranche um 2,5 Prozent gestiegen sind, wird eine weitere Indextranche fällig. Und somit erhöhen sich die Löhne, Gehälter und Renten dementsprechend um 2,5 Prozent.

Die letzte Indextranche fiel im Oktober 2021. Laut Statec beträgt die Inflation derzeit in etwa 2,26 Prozent (einschließlich Februar). Sollten im März also die 2,5 Prozent überschritten werden, würde im April die nächste Tranche fallen. Die Resultate für den Monat März werden am 8. April publiziert. Die Statistikbehörde meinte Anfang März im Tageblatt-Gespräch, dass die nächste Indextranche wohl noch im 2. Quartal (beginnt mit dem 1. April) dieses Jahres fällig wird.

LINK In dieser Studie des Luxemburger Statistikinstituts finden Sie eine Studie aus dem Jahr 2010, in der die Mechanismen der Indexierung noch detaillierter erklärt und verschiedene denkbare Modulationen unter die Lupe genommen werden.

Wie sehen diese Kategorien aus?

Insgesamt gibt es zwölf Kategorien, die sich wiederum in diverse Unterkategorien verzweigen. Zu den übergeordneten Kategorien zählen unter anderem „Lebensmittel und nicht-alkoholische Getränke“, „Kleidung und Schuhe“, „Mietkosten, Wasser, Elektrizität, Gas und andere Brennstoffe“ sowie „Freizeit und Kultur“. Die Gewichtung der Kategorien basiert auf deren gesellschaftlicher Relevanz, die anhand der Gesamtausgaben der Luxemburger Haushalte errechnet wird. Diese Gewichtung wird jährlich aktualisiert, um den Veränderungen der Ausgabenstruktur innerhalb der Gesellschaft gerecht zu werden.

LINK Hier finden sie das „Règlement grand-ducal“ zu Aktualisierung der Kategorien für das Jahr 2022.
LINK Das Gutachten des „Conseil économique et social“ (CES) zu Aktualisierung der Kategorien für das Jahr 2022 finden Sie hier.

Gewichtung der verschiedenen Kategorien 
Gewichtung der verschiedenen Kategorien  Tabelle: Statec

Handelt es sich um eine Lohnerhöhung?

Nein. Obwohl das Gehalt steigt, so handelt es sich doch nicht um eine klassische Lohnerhöhung. Die Steigerung ist nur ein Ersatz für den durch die Inflation verursachten Kaufkraftverlust.

Gibt es den Indexmechanismus in jedem Land?

Nein. Luxemburgs Indexsystem ist innerhalb der Europäischen Union ziemlich einzigartig. Nur in Belgien gibt es ein vergleichbares System, wodurch es zur gesetzlichen Inflationsanpassung der Löhne kommt. In den meisten Ländern sind Indexklauseln jedoch in Tarifverträgen verbreitet.

Wie oft wird eine Indextranche fällig?

Das hängt ganz von der Preisentwicklung ab. Steigen die Preise auf drastische Weise an, können sogar mehrere Indextranchen innerhalb eines Jahres anfallen. So war es zum Beispiel in den Jahren 1982 und 1992, als zwei Indexanhebungen anfielen. 1983 waren es drei. Seit 1992 hat es in Luxemburg insgesamt 23 Indextranchen gegeben. Seither wurde der Index in keinem Jahr zweimal fällig. In den Jahren 1996, 1998, 2007, 2014, 2015, 2016 und 2019 war die Inflation hingegen so niedrig, dass es zu keiner Anpassung kam. 

Ist es möglich, dass eine „doppelte“ Indextranche ausgelöst wird?

„Laut Gesetz ist das theoretisch möglich – aber praktisch kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen“, meinte ein Statec-Sprecher gegenüber dem Tageblatt und weiter: „Es kam noch nie vor, dass die kumulierte Inflation seit der letzten Indextranche innerhalb eines Monats um fünf Prozent gestiegen ist und sofort zwei Indextranchen ausgelöst werden.“

Die Gewichtung der verschiedenen Warenkorb-Kategorien seit dem Jahr 2000
Die Gewichtung der verschiedenen Warenkorb-Kategorien seit dem Jahr 2000 Grafik: Conseil économique et social/Statec

Welche Rolle spielt der Index im Gesetz?

Der Index ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn und dem gesetzlich verankerten Kollektivvertrag einer der drei Hauptpfeiler des nationalen Lohnrechts. Der Kollektivvertrag passt die Löhne an die inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung an. Der Index gleicht die Löhne hingegen an die Lohnentwertung an, die aufgrund der Inflation bereits stattgefunden hat. Der Index hat also die Aufgabe des Ausgleichs der durch die Inflation verursachten Entwertung der Löhne und Renten.

Ist die Regierung verantwortlich für das Fallen einer Indextranche?

Nein. Die Indexregelung ist zwar ein politisches Instrument, allerdings funktioniert sie unabhängig vom Willen der Politiker. Sie beruht lediglich auf der Preisentwicklung. Steigen die Preise, greift die Indexregelung. Es ist demnach unsinnig, der Regierung politisches Kalkül zu unterstellen, weil etwa eine Indextranche kurz vor den Wahlen fällt. Ebenso unsinnig ist es, dass sich Regierungsparteien für die Indextranche selbst feiern.

Die Politik hat also keinen Einfluss darauf?

Das stimmt nicht ganz. Die Politik hat die Möglichkeit, mittels Gesetze natürliche Eingriffe am Index vorzunehmen oder das Instrument völlig abzuschaffen. So wurden etwa 2006, nachdem die Tabakpreise stark angestiegen waren, die Akzisen auf Tabakprodukte neutralisiert und nicht mit in den Warenkorb genommen. Zudem hat die Politik nach den Krisenjahren 2012 ein Gesetz erlassen, um die Indextranche trotz Inflation nach hinten zu verschieben. Man sprach von Indexmodulierung. Zudem gab es in dieser Zeit Diskussionen über eine neue Zusammensetzung des Warenkorbs bzw. der Berechnung des Indexwerts. Benzin- und Dieselpreise sowie Alkohol sollten ausgenommen werden (was schlussendlich doch nicht realisiert wurde).

Welche Argumente sprechen für den Index?

Die Indexregelung dient dazu, die Einkommen der Bürger an die Inflation anzupassen. Damit soll der Wohlfahrts- und Kaufkraftverlust der Menschen verhindert werden. Zudem gilt der Index als soziale Errungenschaft und Instrument, das einen stabilen sozialen Frieden garantieren soll. Die Gewerkschaften in Luxemburg müssen nicht wie etwa in Frankreich oder Deutschland heftige Kämpfe mit den Arbeitnehmern austragen, damit die Löhne angehoben werden. Kurz: Eine institutionalisierte Einkommenserhöhung beugt Streik vor und sorgt für Ruhe.

Warum greifen Politiker und Interessenvertreter das Instrument an?

Luxemburgs Unternehmer kritisieren, dass solche automatischen Gehaltserhöhungen ihre Kosten weiter vergrößern. Auf Produktivität und Gewinne des einzelnen Unternehmens nimmt der Index nämlich keine Rücksicht. Zudem treibe der Index die Preissteigerungen im Lande weiter an und sei somit schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Auch viele Ökonomen raten von der Lohnindexierung ab – das System entspricht nicht der geläufigen Lehrbuchmeinung. Ökonomen sprechen von einem kumulativen Effekt – einer Spiralwirkung der Inflation. Auf Preiserhöhung folgt Lohnerhöhung, hierauf folgt Preiserhöhung usw.

Eine Statec-Studie aus dem Jahr 2017 besagt allerdings, dass nur wenige Preise stark auf die Indexierung reagieren. Dabei handele es sich hauptsächlich um Dienstleistungen – vor allem aus dem Bereich der Gesundheit und der Pflege, die zumindest teilweise staatlich verwaltet werden. Die direkten Auswirkungen der Indexierung würden sich in den ersten sechs Monaten auf etwa 0,22 Prozentpunkte belaufen. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass sekundäre Effekte noch geringer sind. Demnach würde eine Indexstufe nur marginal zur Auslösung der nächsten Stufe beitragen. Und somit ließe sich dieser kumulative Effekt für Luxemburg nicht feststellen.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den Einheitswert von 2,5 Prozent für alle Löhne. Es sei ungerecht, dass alle Einkommen mit dem gleichen prozentualen Wert angehoben werden. Als Beispiel: Ein Mindestlohnempfänger mit rund 2.200 Euro brutto erhält nach einer Indextranche 2.255 Euro brutto. Eine Person, die 10.000 Euro monatlich verdient, bekommt hingegen 10.250 Euro. Wer mehr hat, kriegt mehr – wer weniger hat, kriegt auch weniger.

Die Indexregelung trage demnach dazu bei, dass die soziale Schere in Luxemburg weiter auseinandergeht. Deshalb fordern manche Kritiker eine Indexdeckelung: Menschen mit hohen Einkommen sollen weniger als 2,5 Prozent erhalten. Befürworter hingegen sagen, dass die Indexregelung kein Umverteilungssystem sei, um eine soziale Gerechtigkeit (wieder)herzustellen.

Tripartite am Dienstag

Die Regierung hat OGBL, LCGB, CGFP und UEL zur Tripartite am Dienstag um 14.30 Uhr im Schloss Senningen eingeladen. Premierminister Xavier Bettel (DP), Vizepremierminister François Bausch („déi gréng“) und Paulette Lenert (LSAP) sowie die Minister Corinne Cahen (DP), Marc Hansen (DP), Claude Turmes („déi gréng“), Lex Delles (DP), Franz Fayot (LSAP) und Yuriko Backes (DP) werden an den Verhandlungen teilnehmen.


Jemp
22. März 2022 - 9.17

Bal all Kéiers, genau dann, wann den Index seng Roll soll spillen, gett en ausgesat oder manipuléiert. Wat soll dat? Ech mengen et kann een eigentlech net méi behapten, datt mer en Indexsystem hätten. Dat ass ongeféier esou, wéi wann een en Auto hätt, wou all Kéiers de Motor ausgeet, wann e well ufueren.