Statt allerdings die arbiträren 60 Prozent als Referenz für die Armutsgrenze zu nehmen, könne man diese Rechnung auch anders angehen, indem man sich auf das Referenz-Budget basiere, so der Statec-Präsident. Auf diese Weise würde der Anteil der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, bei 17,6 Prozent liegen. Ziehe man allerdings das Vermögen und den Verbrauch der Menschen mit in die Rechnung hinein, dann würde die Quote jener, die unterhalb der Grenze leben, weiter auf 7,3 Prozent sinken. „Diese alternativen Berechnungen sind kein Trick, um die Armutsgrenze in ein besseres Licht zu rücken“, betonte Allegrezza. Das höchste Armutsrisiko haben laut dieser Rechnung junge Arbeitslose, Inaktive, Mieter, Alleinerzieher mit zwei oder mehr Kindern sowie Leute mit einem niedrigen Bildungsstand.
Budget für Kinder
Ein weiteres wichtiges Kapitel des Berichts wurde dem Budget für Kinder und Familien gewidmet. Dabei wurde den Fragen nachgegangen, wie viele Mittel eine Familie beziehungsweise Alleinerziehende mit Kindern zum Leben benötigen. Dazu gab die Statec-Mitarbeiterin Anne Franziskus einige Erklärungen.
Zuerst nahm sie das minimale Budget für Familien mit Kindern unter die Lupe. „Wir haben aus sämtlichen Ausgaben, die eine Familie hat, jene dingfest gemacht, welche direkt für die Kinder ausgegeben werden“, erklärte Franziskus. Dazu gehören Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleider, Ausgaben für Hobbys usw. Bei Kindern bis zu sechs Jahren sei das Budget niedriger als etwa bei 17- oder 18-Jährigen. Ein großer Posten sei in dieser Kategorie der Führerschein. Das „Comité de pilotage“ hat den Erwerb als einen wichtigen Aspekt zum angemessenen Leben in Luxemburg eingestuft. Das minimale Budget eines Kindes liegt je nach Alter zwischen 332 und 744 Euro pro Monat.
Das Budget steigt sowohl mit der Anzahl als auch mit dem Alter der Kinder
„Das direkte Budget für die Kinder ist aber nicht das Einzige, was Familien finanziell stemmen müssen“, sagte Franziskus. Eltern mit Kindern bräuchten oftmals eine größere Wohnung, ein größeres Auto und hätten mehr Heizkosten. Die Rechnungen im Bericht ergaben ein Minimum von rund 3.600 Euro im Monat, damit ein Paar mit einem Kind zwischen null und sechs Jahren angemessen leben könne. Diese Summe steigt auf über 5.000 Euro für ein Paar mit drei Kindern. „Das Budget steigt sowohl mit der Anzahl als auch mit dem Alter der Kinder“, schlussfolgert die Statec-Mitarbeiterin. Dies gelte als Ausgangspunkt, um weitere Analysen machen zu können.
Damit wäre die nächste Frage dran: Wie decken die verschiedenen Sozialhilfen in Luxemburg dieses minimale Budget der Kinder? Dazu wurden sämtliche „Allocations directes“ wie Kindergeld, Beihilfe zur „Rentrée“ oder die „Allocation de naissance“ zusammengezählt und auf einen monatlichen Betrag heruntergerechnet, um sie miteinander vergleichen zu können. Das Statec kam in seinen Berechnungen auf folgendes Fazit: Bei einem Kind von sechs Monaten decken die direkten Beihilfen das komplette Minimum-Budget von diesem Kind. „In dieser Hinsicht sind die ‚Allocations directes’ sehr gut aufgestellt“, sagte Anne Franziskus. Je älter die Kinder werden, desto mehr nimmt dieser Aspekt ab. Sind die Kinder zwischen acht und 14 Jahre alt, decken die Beihilfen immer noch drei Viertel des direkten Budgets ab. Bei Teenagern ist nur noch etwa die Hälfte von ihrem minimalen Bedarf gedeckt.
„Revis“ versus Mindestlohn
Riskieren Familien, in die Prekarität abzurutschen, gibt es in Luxemburg noch weitere Hilfen wie „Revis“ („Revenu d’inclusion sociale“), „Allocation d’inclusion“, „Allocation de vie chère“, „prime energie“ und steuerliche Vorteile, die auch Familien mit Kindern zugutekommen können. Doch können diese Maßnahmen das minimale Budget von Familien mit Kindern decken? Das Statec hat sie unter die Lupe genommen. Hier kam heraus, dass dies bei Eltern, die das „Revis“ zu 50 Prozent aktiviert haben, der Fall sein kann, und dies sowohl bei Paaren mit bis zu drei Kindern als auch bei Alleinerziehenden.
„Anders sah die Rechnung bei einem Gehalt des nicht-qualifizierten Mindestlohns aus“, gab Franziskus zu bedenken. Paare, die Vollzeit arbeiten und weitere Beihilfen in Anspruch nehmen, könnten auch bei mehreren Kindern den minimalen Bedarf ihres Nachwuchses decken. Arbeitet einer der Elternteile nicht Vollzeit, geht die Rechnung jedoch nicht mehr auf. „Bei den Alleinerziehenden sieht das Bild nicht so rosig aus, insbesondere wenn man mehrere Kinder hat und nicht Vollzeit arbeiten kann.“
Familienministerin Corinne Cahen (DP) erinnerte daran, dass die Studie zum minimalen Budget für Kindern stets weitergeführt werden müsse. Das sei im Koalitionsabkommen festgelegt worden. „Für uns ist es wichtig, dass wir eine faktenbasierte Politik machen können, und nicht eine nach Bauchgefühl“, sagte Cahen. Anhand dieser Berechnungen würde man nun wissen, was Familien brauchen, um angemessen leben zu können.
„Revis“-Reform greift
„Es freut uns zu sehen, dass die Bedürfnisse bei Familien mit kleinen Kindern komplett gedeckt sind“, meinte die Ministerin und fügte hinzu: „Wir haben viele ‚avantages en nature’ in den vergangenen Jahren eingeführt, die den Kindern und Familien zugutekommen.“ Dazu zähle die Gratis-Kundenbetreuung oder die Ausgabe von kostenlosen Schulbüchern. Erfreut zeigte sich Cahen auch darüber, dass die „Revis“-Reform greife. „Mir lag es am Herzen, dass beide Partner im Haushalt das ‚Revis’ aktivieren können beziehungsweise müssen“, sagte sie. Beim früheren RMG sei dies nicht möglich gewesen. Die Familienministerin erinnerte daran, dass die „Allocation de vie chère“ 2020 verdoppelt, 2021 um 10 Prozent und 2022 um weitere 13 Prozent hochgesetzt wurde.
Nun ist es unsere Aufgabe, zu sehen, wie wir diesen Familien, bei denen der minimale Bedarf nicht gedeckt ist, weiter unter die Arme greifen können
„Wir wollen beim Referenz-Budget nicht stehen bleiben“, sagte Cahen. Bei Teenagern würde nur noch die Hälfte der benötigten finanziellen Mittel bereitstehen. Da die Berechnungen auf Juni 2022 zurückgehen würden, sei das im September eingeführte Gratis-Essen in der Schule nicht in die Berechnungen eingeflossen. Deshalb müsse man diese Rechnungen auch in Zukunft weiterführen. „Nun ist es unsere Aufgabe, zu sehen, wie wir diesen Familien, bei denen der minimale Bedarf nicht gedeckt ist, weiter unter die Arme greifen können. Alle Kinder müssen hierzulande die gleichen Zukunftschancen haben.“
Die Leute sind nicht mehr Vollzeit zu Hause, sondern nur noch einige Tage pro Woche
Jérôme Hury, der die Arbeiten zum aktuellen Bericht koordinierte, gab einige Erklärungen zur Bevölkerungsstatistik und zum Arbeitsmarkt. 2021 betrug die Quote der Arbeitslosigkeit 5,3 Prozent. Ein Jahr zuvor hatte sie noch bei 6,8 Prozent gelegen. Damit liegt Luxemburg EU-weit auf Platz neun. Das Homeoffice ging im zweiten Trimester 2022 stark zurück auf 34 Prozent. Im gleichen Trimester 2020, mitten im Lockdown, lag der Anteil noch bei 52 Prozent. Nicht nur die Quote, sondern auch die Intensität sei rückläufig, beobachtet Hury: „Die Leute sind nicht mehr Vollzeit zu Hause, sondern nur noch einige Tage pro Woche.“ Arbeiten im Homeoffice sei häufiger geworden. Im EU-Vergleich ist die luxemburgische Quote sehr hoch. Das Großherzogtum platziert sich demnach auf Platz zwei hinter den Niederlanden und vor der Schweiz und Finnland.
In puncto strukturellem Arbeitsmarkt analysierte Hury die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern, die am Bruttostundenlohn gemessen werden. 2021 konnte ein Gleichstand festgestellt werden. Je nach Sektor wurde der Gleichstand allerdings noch nicht erreicht, doch die Unterschiede waren zumindest gegenüber den Vorjahren geringer. Diese Tendenz wurde auch in anderen EU-Ländern festgestellt.
Wenn das so sein sollte,dann könnten diese Superjempis
von Politiker sich mal ernsthaft gedenken machen,
anstatt nur an ihre Privilegien zu denken. Merde alors.