Sexismus „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“

Sexismus  / „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Mit diesem zutiefst widerlichen, sexistischen Spruch, probierte das deutsche Unternehmen Dr. Oetker in den 1950er im Ernst den Fertigpudding an die Frau(en) zu bringen. Was heute völlig zu Recht in einem Skandal enden würde, war vor 70 Jahren noch wirtschaftlich ergiebiges Marketing. Eine Werbung also, die durch den wirtschaftlichen Erfolg des Produkts, das heute noch in fast jedem Supermarkt in Luxemburg zu finden ist, das mittelalterliche Gesellschaftsbild jener Tage widerspiegelt.

Doch wie konnte eine solch kranke und patriarchale Gesellschaft existieren? Ein Blick in die luxemburgische Gesetzgebung jener Tage lohnt sich, um dieses zutiefst ungerechte Gesellschaftsmodell, das wir Gott sei Dank teilweise hinter uns gelassen haben, besser verstehen zu können.

Am 8. Mai 1919 stimmte das luxemburgische Parlament für die Einführung des allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts für Männer und Frauen. 1919 wird mit Marguerite Thomas-Clement die erste Frau ins Parlament gewählt. Auch wenn das Parlament im Jahr 1956 in einem Antrag „La Constitution luxembourgeoise ne connaît aucune disparité de sexe devant la loi entre l’homme et la femme luxembourgeoise“ festhielt, war diese Erklärung das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurde und schlicht und einfach sowohl politischer wie auch juristischer Mumpitz.

Trotz politischer Gleichstellung blieben die verheirateten Frauen zivilrechtlich komplett unmündig.

Während in England, Deutschland, Italien und der Schweiz die Unmündigkeit der verheirateten Frau bereits in den 1950er Jahren Geschichte war , hielt der luxemburgische Gesetzgeber an ihr fest. Zutiefst abstoßende Paragrafen wie folgende Beispiele zierten unseren „Code civil“: „La femme est obligée d’habiter avec le mari et de le suivre partout où il juge à propos de résider.“ „La femme ne peut (…) acquérir sans le concours du mari.“ „Le mari administre seul les biens de la communauté. Il peut les vendre, aliéner et hypothéquer sans le concours de la femme.“

Reform des Eherechts

Die juristische Lesart dieser Artikel ist klar: die Frau braucht Schutz und dieser gebärt ihr ihr Vormund, ihr Ehemann. Die Frauen standen somit gesetzlich wie gesellschaftlich auf einer Ebene mit den Unmündigen und geistlich Verwirrten unserer Gesellschaft. Dieser gesellschaftlich beschämende Zustand, der gemeinhin als „régime de l’incapacité de la femme mariée“ bezeichnet wurde, bestand noch bis in die 1970er Jahre, bis der damalige Justizminister Robert Krieps eine Reform des Eherechts durchboxte.

Der Allgemeine Deutsche Frauenverein forderte schon bei seiner Gründung im Jahr 1865 „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. In Luxemburg wurde diese natürliche Selbstverständlichkeit erst mit der großherzoglichen Verordnung vom 10. Juli 1974 in die juristische Realität umgesetzt. Seit dem Tag sind die Arbeitgeber eigentlich verpflichtet, für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein gleiches Entgelt zu gewährleisten. Ein weiterer juristischer Meilenstein war das Gesetz vom 8. Dezember 1981, das die Gleichstellung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung, Ausbildung und beruflicher Beförderung sowie der Arbeitsbedingungen festhielt.

Am 13. Juli 2006 wird das Prinzip der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Artikel 11 (2) der luxemburgischen Verfassung verankert: „Les femmes et les hommes sont égaux en droits et en devoirs.“ 53 Jahre nach der Bundesrepublik Deutschland wurde also auch endlich in Luxemburg auf höchster legislativer Ebene einer Selbstverständlichkeit Rechnung getragen.

Auch wenn diese juristische Gleichstellung der Geschlechter Jahre in Anspruch genommen hat und seit 2006 größtenteils abgeschlossen scheint, existieren immer noch in der Realität gravierende Ungerechtigkeiten, die wir alle zusammen, Frauen und Männer, bekämpfen müssen!

Ein endloser Kampf

Besonders interessant ist, dass der schon erwähnte Artikel 11 (2) der luxemburgischen Verfassung noch einen Zusatz enthält, „L’Etat veille à promouvoir activement l’élimination des entraves pouvant exister en matière d’égalité entre femmes et hommes“, welcher die Vorreiterrolle des Staates in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männer untermauern soll. Dieser Rolle wird der luxemburgische Staat leider nicht gerecht. 52% der luxemburgischen Staatsdiener haben das weibliche Geschlecht. Doch nur 27% der Führungsposten innerhalb des Staatsapparates werden aktuell von Frauen bekleidet. In der luxemburgischen Wirtschaft ist der Zustand noch verheerender: In den Verwaltungsräten der größten börsennotierten luxemburgischen Unternehmen sind nur 12,7% der Mitglieder Frauen.

Nicht nur in den Entscheidungsgremien sind Frauen schlechter vertreten, auch in Sachen Einkommen ziehen dsie leider immer noch den Kürzeren. Das jährliche Einkommen einer Frau liegt im Durchschnitt in Luxemburg immer noch 32,5% unter dem Einkommen eines Mannes. Dies ist auf niedrigere Stundenlöhne, weniger Arbeitsstunden und die bei Frauen geringere Beschäftigungsrate zurückzuführen, da Frauen viel öfters als Männer ihre Berufskarriere unterbrechen, um sich um ihre Liebsten zu kümmern, seien es die Eltern oder die Kinder.

Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass der Kampf für Gleichberechtigung noch lange nicht beendet ist und wir alle, Frauen und Männer, ihn weiter bestreiten müssen, auch wenn er uns manchmal endlos scheint, denn wie schrieb dir Frauenrechtlerin Hedwig Dohm im Jahr 1896: „Man kommt sich auf dem Gebiet der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor. Das liegt an der Taktik der Gegner.“

* Max Leners (LSAP) ist Anwalt aus Düdelingen und unter anderem in der „Fondation Robert Krieps“ aktiv 

J.C.Kemp
9. März 2020 - 21.54

Zwei Luxemburger haben jedenfalls noch immer nichts verstanden! Aber sicher sind es noch mehr.

Realist
8. März 2020 - 12.33

Ja natürlich. Immer alles gleich zum Skandal hoch hecheln. Einfach über einen dummen Spruch lachen ist wohl nicht mehr...

J.Scholer
7. März 2020 - 8.28

Ob der Spruch der Oetker Werbung sexistisch, widerlich sein soll ,scheint mir doch etwas übertrieben. Zwei Fragen die in unserer Familie , von Mann/Frau, öfters in der Woche gestellt werden .Dass das kapitalistische System gerne die Frau als Werbeträger sexistisch ausschlachtet, doch auch da glaube ich nicht , jene Frauen die halbnackt gezwungen werden ihren Körper auf Plakaten und co zur Schau stellen, gezwungen werden dies zutun. Der Rubel rollt und wollen wir doch nicht in Zeiten des Sowjetparadieses zurückfallen und die Frauen entscheiden lassen welch Lebensweise sie bevorzugen, jene Frauen die die traditionelle Frauen-,Mutterrolle bevorzugen an den Pranger stellen oder ihnen eine Lebensweise aufzwingen, die sie ablehnen.