Tageblatt: Am 24. November ist „Black Friday“, drei Tage später findet der „Cyber Monday“ statt. Worum geht es bei diesen Aktionen, die längst auch in Luxemburg und seinen Nachbarländern angekommen sind?
Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Jäckel: Der „Black Friday“ ist ursprünglich eine Aktion des Einzelhandels, die am Tag nach dem amerikanischen Thanksgiving stattfindet und das Weihnachtsgeschäft einläutet. Auf den „Black Friday“ in den Geschäften vor Ort wurde online mit dem „Cyber Monday“ reagiert. Heute lassen sich beide kaum mehr voneinander trennen. Das auch, weil die Veranstaltung auf mehrere Tage ausgedehnt wurde. Weil die meisten heute eben kaum mehr die Zeit dazu finden, an einem spezifischen Tag in die Läden zu gehen. Wie Ostern oder verkaufsoffene Sonntage ist diese inzwischen fester Bestandteil des konsumistischen Jahreskalenders. Es gibt ständig Aktionen, die die Gesellschaft künstlich beim Konsumieren unterstützen. Wir sind andauernd mehr oder weniger im Rabattmodus: Nach dem Sonderangebot ist vor dem Sonderangebot.
Was spielt sich in den Köpfen der Menschen ab, wenn ihnen überall Rabatte und Sonderaktionen begegnen?
Es ist eine Art gesellschaftliches Ereignis. Wer sonst jeden Euro umdrehen muss, kann durch den Konsum dabei sein. Der „Black Friday“ läutet die Vorweihnachtszeit ein und gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen ist es ein wichtiges Signal, davon nicht ausgeschlossen zu sein. Der Konsument will selbst schenken und hat dank Rabatt und Sonderangeboten das Gefühl, selbst Geschenke zu bekommen. Es ist nun mal einfach so, dass wir Bedürfnisse unter anderem über den Kauf von Produkten befriedigen. Aktuell haben die Menschen nicht den Eindruck, dass Zukunft gerade stattfindet. Es ist eher ein kurzlebiges Glück und das gilt es, zu verstärken. Es geht aber auch um Gefühle von Gewinn oder Verlust und die Frage, ob noch mehr drin ist. Letzten Endes gibt es nicht die eine Erklärung.
Welche Bedeutung haben „Black Friday“ und Co. für die lokale Geschäftswelt?
Der Corona-Effekt ist noch nicht aus der Welt geschafft, wie die Besucherfrequenz zeigt: Die Werte sind nicht mehr so, wie sie noch vor der Pandemie waren. Immer noch gibt es eine gewisse Zurückhaltung, sich in großen Menschenmengen zu bewegen. Insgesamt wird sich aus dem öffentlichen Raum in die Privaträume zurückgezogen und der Konsum hilft dabei, sich zu Hause einzurichten. Das ist keine gute Entwicklung und spielt dem Onlinehandel in die Karten. Dieser bietet auf unbegrenzter Verkaufsfläche ein breites Sortiment und ein bequemes Einkaufserlebnis – für das allerdings viele Autos durch die Gegend fahren müssen. Stichwort Retouren. Für den Einzelhandel wird es immer schwieriger, die Händler müssen aber verkaufen. Die wachsenden Leerstände zeigen, dass Orte des Konsums es immer schwerer haben, sich am Leben zu halten.
Was man als Argument dafür sehen könnte, lokale Läden am Freitag durch einen Einkauf zu unterstützen.
Der „Black Friday“ und der Konsum sind Austragungsort gesellschaftlicher Konflikte, sozusagen die Spielwiese davon. Einerseits wurde bereits 1992 in Kanada darauf mit dem „Buy nothing day“ reagiert, an dem die Menschen während 24 Stunden auf das Einkaufen verzichten sollen. Auch heute wird dazu aufgefordert, nachhaltig zu kaufen und zu schenken, außerdem wird auf die Nebeneffekte des Konsums aufmerksam gemacht – wie zum Beispiel die Schäden für die Umwelt. Man braucht da ja nur an den ganzen Plastikmüll zu denken. Die einen retten Produkte und reparieren diese. Andere aber arbeiten daran, dass immer wieder neue Ware auf den Markt kommt. Sie sehen im „Black Friday“ nur einen Tag, während andere erwarten, dass man über diesen hinaus an die Folgen des Konsums denkt.
Haben Sie denn ganz konkrete Tipps zur Herangehensweise an solche Aktionen?
Dazu ein Beispiel: In einem Prospekt haben wir zu Hause vor kurzem ein reduziertes IT-Produkt entdeckt. Als meine Frau dann nachfragte, zeigte sich, dass man das dieses nur bei einem Händler an einem bestimmten Standort kaufen kann. Wenn man dann extra dort hinfährt, Sprit und Zeit investiert, um 20 Prozent zu sparen, muss man sich am Ende fragen, ob das noch als Gewinn verbucht werden kann. Deshalb sollte man immer das Kleingedruckte lesen und sich die Frage stellen, ob sich hinter einer ersten Botschaft noch etwas anderes verbirgt. Die Kundschaft muss also fast detektivisch vorgehen. Das macht es nicht einfacher, Entscheidungen zu treffen.
Es gibt ständig Aktionen, die die Gesellschaft künstlich beim Konsumieren unterstützen
Was kann denn eine Unterstützung bei der Kaufentscheidung sein?
Man sollte den eigenen Bedarf und die eigenen Wünsche nicht vergessen und aktiv entscheiden, was man möchte und was nicht. Bei Rabattaktionen gilt es, zu überprüfen, worauf dieses gegeben wird: Auf den unverbindlichen Verkaufspreis (UVP), den zum Beispiel Hersteller oder Großhändler dem Handel als Verkaufspreis empfehlen? Wenn der Rabatt darauf berechnet wird, ist das Ergebnis natürlich beeindruckend. Oft ist es aber auch so, dass man den Ausgangspreis gar nicht kennt. Wer solche Aktionen klug angehen möchte, sollte Preise vergleichen und Vergleichsportale nutzen. Ohne dabei allerdings zu viel von sich preiszugeben, was die eigenen Daten angeht.
Was sollte man außerdem beachten?
Bei solchen Aktionen werden quasi nie die größten Statussymbole angeboten – also zum Beispiel nicht das neuste Gerät von Apple. Dass so begehrte Produkte stark reduziert sind, ist eher unwahrscheinlich. Stattdessen gibt es sozusagen die „älteren“ Versionen mit Rabatt zu kaufen. Ein Fernseher von 2021 wird aber wahrscheinlich alle Bedürfnisse erfüllen. Die Frage ist, ob man die Features der brandneuen Ware überhaupt benötigt. Wenn das nicht der Fall ist und die Geräte weiterhin gut sind, kann der Kauf eines Sonderangebots durchaus Sinn ergeben. Letzten Endes kann man nur jedem ans Herz legen, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen und sich nicht so sehr beeinflussen zu lassen.
Mehr zu diesem Thema:
– Tageblatt-Verbraucherschutz-Serie (1): Augen auf, Verstand an bei Sonderangeboten am Black Friday
– Black Friday: Augen auf beim Online-Kauf – wie ein Institut in Luxemburg die Konsumenten schützt
– Verbraucherschutz: Wie vertrauenswürdig sind Online-Bewertungen wirklich?
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