Kaum dass Roman Abramowitsch, nachdem er Ziel britischer Sanktionen gegen russische Oligarchen geworden war, angekündigt hatte, er würde den FC Chelsea verkaufen, als sich auch schon alle auf den Club stürzten. Eine Sportikone, große Tiere aus der Londoner City und sogar ein angesehener Kolumnist der Times, die sämtlich unterschiedliche amerikanische Multimilliardäre repräsentierten, fielen in einem Wettlauf um den Kauf des Clubs in London ein. Derweil wurden eine Vielzahl von Londoner Immobilien, die russischen Oligarchen gehörten, Gegenstand längst überfälliger Liquidierungsverfahren. Warum hat das so lange gedauert?
Um es unumwunden zu sagen: aufgrund der Rechtsgrundlagen des Westens.
Es stimmt, dass westliche Spitzenpolitiker den Zustrom ermutigten. David Cameron appellierte in seiner Zeit als britischer Premierminister an ein Moskauer Publikum, in Großbritannien zu „investieren“. Doch war es nicht schwer, die Oligarchen zu überzeugen, London mit ihrem Geld zu überfluten. Die Gesetze in den westlichen Ländern hindern Regierung und Öffentlichkeit nicht nur, die dort geparkten Vermögen zu stören, sondern sogar, in Erfahrung zu bringen, wo sich diese Vermögen befinden und wie hoch sie sind. Warum sonst sollten zahllose Unternehmen ihren eingetragenen Sitz im US-Bundesstaat Delaware haben und Postfächer verwenden, die die Anonymität ihrer Inhaber garantieren?
Tatsächlich gewähren die westlichen Demokratien ausländischen Vermögen sogar noch mehr Schutz vor prüfenden Blicken. In einem Bericht aus dem Jahr 2021 mit dem Titel „The UK’s Kleptocracy Problem“ (Das Kleptokratie-Problem des Vereinigten Königreichs) deckte die Londoner Denkfabrik Chatham House auf, dass die Oligarchen aus aller Welt gewährten „goldenen Visa“ nach „Überprüfungen“ erteilt wurden, die „in die alleinige Verantwortung der sie repräsentierenden Kanzleien und Vermögensmanager fielen“. In meiner Heimat Griechenland konnte sich ein Oligarch nach unserem faktischen Staatsbankrott 2010 für popelige 250.000 Euro ein goldenes Visum kaufen, das zudem mit einem Schengen-Visum verbunden war (und damit der Möglichkeit, überall in der Europäischen Union zu wohnen und zu reisen) – ohne dass irgendwelche Fragen gestellt wurden. Ähnliche Visa werden von anderen finanziell klammen Euroländern verkauft, was einen Abwärtswettlauf anheizt, den die Oligarchen der Welt sehr zu schätzen wissen.
Während es gute Gründe gibt, sich auf russisches Geld zu konzentrieren, nun da russische Bomben die Städte der Ukraine zerstören, ist es verblüffend, dass nur russische Milliardäre als Oligarchen bezeichnet werden. Warum wird die Oligarchie – der Begriff bedeutet Herrschaft (arche) durch die wenigen (oligoi) – als ausschließlich russisches Phänomen betrachtet? Sind die saudischen Prinzen oder die Fürsten aus den Emiraten nicht oligarchisch? Schmuggeln amerikanische Milliardäre wie die, die sich derzeit scharenweise auf den FC Chelsea stürzen, weniger Geld aus ihrem Land als ihre russischen Pendants, oder haben sie weniger politischen Einfluss? Nutzen sie ihre Macht besser, als die Russen das tun?
Tückische ethische Gefilde
Russlands reichste 0,01% (die obersten 1% der obersten 1%) haben etwa die Hälfte ihres Vermögens – rund 200 Milliarden Dollar – außer Landes geschafft und in Großbritannien und anderen Finanzoasen geparkt. Zugleich haben Amerikas reichste 0,01% rund 1,2 Billionen aus den USA verschoben, und zwar hauptsächlich, um Steuern zu sparen. Größentechnisch gesehen parken die amerikanischen Plutokraten für jeden Dollar, den russische Plutokraten, um kritischen Blicken zu entgehen, im Ausland parken, dort selbst zehn Dollar.
Was den relativen politischen Einfluss der russischen und amerikanischen Milliardäre angeht, ist völlig unklar, wer mehr hat. Während kein Zweifel besteht, dass einige russische Oligarchen bei Präsident Wladimir Putin Gehör finden, hat er mehr Kontrolle über sie als die US-Regierung über ihre Milliardäre. Seit der Entscheidung des US Supreme Court aus dem Jahr 2010, die Unternehmen das Recht gab, so wie natürliche Personen an Politiker zu spenden, entfallen 40% aller Wahlkampfspenden auf Amerikas reichste 0,01%. Das hat sich als hervorragende Investition zur Vermögensbewahrung erwiesen.
Ist es Zufall, dass die amerikanischen Milliardäre in den Jahren seit der „Deregulierung“ der Wahlkampffinanzierung den niedrigsten Steuersatz in über einer Generation erlangt haben, und den niedrigsten unter allen reichen Ländern? Oder dass der US-Steuerbehörde das Geld ausgeht? Laut einer maßgeblichen empirischen Studie zum Abstimmungsverhalten im US-Kongress ist nichts davon Zufall: Die Korrelation zwischen den im Kongress verabschiedeten Gesetzen und dem, was die meisten Amerikaner sich wünschen, ist nur unwesentlich größer als null.
Wenn also nichtrussische Milliardäre auch Oligarchen sind, bedeutet dieser ausschließliche Fokus im Westen auf die Russen dann, dass „unsere“ und die von unseren Verbündeten gehätschelten Oligarchen in irgendeinem Sinne besser sind? Hier betreten wir tückische ethische Gefilde.
Wer argumentiert, die saudischen Milliardäre, die hinter der jahrzehntelangen Verheerung des Jemen stehen, seien „besser“ als Abramowitsch, macht sich lächerlich. Putin würde sich bestätigt fühlen, wenn wir zu behaupten wagten, die amerikanischen Ölmagnaten, die von der illegalen US-britischen Invasion des Iraks profitierten, seien den Eigentümern von Rosneft und Gazprom moralisch überlegen. Natürlich schauen Putins Oligarchen weg, wann immer ein tapferer Journalist in Russland ausgelöscht wird. Gleichzeitig aber schmachtet WikiLeaks-Gründer Julian Assange unter an Folter grenzenden Bedingungen in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis, weil er die Kriegsverbrechen der westlichen Länder nach deren illegaler Invasion im Irak aufgedeckt hat. Und wie reagierten westliche Oligarchen und Regierungen, als ihre saudischen Geschäftspartner den Washington-Post-Kolumnisten Jamal Khashoggi zerstückelten?
Nach Putins Einmarsch in der Ukraine äußerte die britische Regierung ihre Entschlossenheit, den Schleier der Geheimhaltung und Täuschung wegzureißen, der das in Großbritannien geparkte Geld vor den Blicken von Strafverfolgungs- und Steuerbehörden verbirgt. Ob die Realität der Rhetorik standhält, bleibt abzuwarten. Schon jetzt gibt es Zeichen von Spannungen zwischen dem Ziel, das Geld der Oligarchen zu beschlagnahmen, und dem Zwang, Großbritannien „wirtschaftlich offen zu halten“.
Womöglich ist der einzige Silberstreifen am Horizont bei der ukrainischen Tragödie, dass sie uns eine Chance eröffnet, nicht nur die Oligarchen mit russischem Pass, sondern auch ihre amerikanischen, saudischen, chinesischen, indischen, nigerianischen und griechischen Pendants unter die Lupe zu nehmen. Ein hervorragender Ausgangspunkt wären die Londoner Villen, die nach Aussage von Transparency International leer stehen. Wie wäre es, wenn man darin Flüchtlinge aus der Ukraine und dem Jemen unterbringen würde? Und wo wir schon dabei sind: Warum übergeben wir den FC Chelsea nicht seinen Fans?
* Yanis Varoufakis ist ehemaliger griechischer Finanzminister. Er ist Vorsitzender der Partei MeRA25 und Professor für Volkswirtschaft an der Universität Athen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan.
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Kommentar Warren Buffet: " Wir befinden uns im Krieg.Das ist der Krieg Arm gegen REICH.Und meine Kaste,die der REICHEN wird diesen Krieg immer gewinnen."
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