Es sei nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen, gab Marie Weckerle zu. Denn neben den großen sportlichen Zielen, die sich die 20-jährige Tennisspielerin vor ein paar Monaten gesetzt hat, ist sie an einer der renommiertesten Universitäten Frankreichs eingeschrieben. Obschon die beiden ersten Semester an der „Sciences Po“ für die meisten Studenten schon zu Ende sind, hat die FLT-Spielerin noch etwas intellektuelle Arbeit vor sich. Denn Elitesportler genießen sehr viel Flexibilität und Verständnis vonseiten der Professoren. „Nächste Woche muss ich noch eine mündliche Prüfung ablegen.“
So ging es für Weckerle nach der Zweisatzniederlage gegen die Malteserin Francesca Curmi schnurstracks zurück zu den Büchern. „Ich muss mich damit abfinden, dass ich nach Spielen oder zwischen den Trainingseinheiten büffeln muss.“ Bei der Klausur in Geopolitik, auf die sie sich vorbereitet, ist großes Allgemeinwissen gefragt: „Ich muss alle Länder der Welt auf der Karte platzieren können. Zudem stehen Themen wie die Globalisierung und Entwicklung der Bevölkerungen auf dem Programm. Es hilft schon, wenn man viel unterwegs ist.“ (lacht)
Noch besser ist es dann, wenn auf diesen Reisen auch sportliche Erfolge gefeiert werden können. Anfang Mai feierte Weckerle nämlich ihren ersten ITF-Titel im Doppel. Dadurch hat sie erst mal den Sprung ins WTA-Ranking geschafft. „Ich muss zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass es so schnell gehen würde.“ Im Januar hatte sie beschlossen, sich dafür drei Jahre Zeit zu geben – nach fünf Monaten ist der schwerste Teil bereits geschafft. „Derzeit bin ich wirklich zufrieden. Es macht mich stolz, dass ich das so schnell erreicht habe, da ich vorher lange an einer Schleimbeutelentzündung in der Schulter laboriert hatte. Dieses Ranking macht vieles leichter. Ich werde dadurch bei den 15.000ern ins Hauptfeld kommen können oder bei den 25.000ern in der Qualifikation gesetzt sein. Das hilft mir dann, gleich um Punkte zu spielen. Das macht es natürlich um einiges leichter. Bislang musste ich immer erst drei Begegnungen spielen, um dorthin zu kommen. Jetzt gebe ich mir die Möglichkeit, gegen Mädchen zu bestehen, die zwischen den Plätzen 600 und 1.000 stehen. Ich habe das Niveau, wenn ich gut spiele.“
Die Livestream-Zuschauer
Dass ihre Karriere in diesem Jahr so richtig ins Rollen kam, geht auch auf eine neue Unterstützung zurück. Seit vergangenem Sommer wird sie von Tim Sommer und Mandy Minella betreut. Und besonders Sommer hat der Studentin noch etwas mehr Lesestoff auf Malta zukommen lassen: „Tim analysiert meine Gegnerinnen immer sehr gut. (lacht) Er schaut sich alles ganz genau auf Youtube an.“ Für ihr Halbfinale gegen Curmi (Malta) hatte er ihr einen Spielplan aufgestellt. „Er hat mir einen soliden Abschnitt geschickt“, sagte sie mit einem Lachen. Vor Ort waren es Fitnesscoach Michael Bellaca und Trainerin Claudine Schaul, die sie mit zusätzlichen Tipps versorgten. „Tim und Mandy haben das Spiel im Livestream verfolgt. Claudine hat mir sogar einmal während des Spiels etwas gesagt, das anscheinend von Tim gekommen ist. Ich habe aber noch nicht auf das Handy geschaut und gesehen, was die beiden sagen.“
Die Zusammenarbeit mit dem ganzen Team hat dazu geführt, dass sich Weckerle taktisch, technisch und konditionell gesteigert hat. „Ich fühle mich physisch besser auf dem Court, was auch dazu führt, dass ich jetzt mental bereit bin, in den Kampf zu gehen. Vorher ging es immer darum, schnell Punkte zu machen. Ich habe mein Spiel nach vorne verbessert, der Aufschlag ist besser geworden.“
Ich bin auf dem richtigen Weg, meine Identität auf dem Court ist erkennbar
Um die Malteserin, Nummer 317 der Welt, zu besiegen, reichte es aber (noch) nicht. Die 20-Jährige gab zu, ihre Gegnerin sogar etwas überschätzt zu haben. „Ich wusste, was mich erwarten würde. Sie zwingt die Gegner, Fehler zu machen, und ist gleichzeitig aggressiv. Wenn man kurz spielt, kommt einen das teuer zu stehen. Ich habe mich gut geschlagen, obwohl ich gleich am Anfang hätte etwas mehr von ihrem Stress profitieren müssen.“
Nach vier Sets auf den Courts in Marsa (ein Sieg und eine Niederlage im Einzel) hat Weckerle weitere Erfahrungen auf einem Niveau gesammelt, an das sie sich langsam, aber sicher herantastet. „Ich bin auf dem richtigen Weg, meine Identität auf dem Court ist erkennbar. Ich muss noch ein paar Sachen verbessern und selbstbewusster auftreten. Mir fehlt es auch noch etwas an Erfahrung.“ Das dürfte sich früher oder später ändern, wenn sie weiter so hart an allen Fronten kämpft. Die nächste Option auf JPEE-Gold bietet sich ihr schon am Freitag, dann bestreitet sie das Doppel-Finale an der Seite von Eleonora Molinaro.
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