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Problem Ungleichheit – warum wird Reichtum immer unfairer verteilt?

Problem Ungleichheit – warum wird Reichtum immer unfairer verteilt?

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Soziale Ungleichheit bezeichnet in der Soziologie die ungleiche Verteilung materieller und immaterieller Ressourcen in einer Gesellschaft und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen (ungleichen) Möglichkeiten zur Teilhabe an diesen. Als normativer Begriff impliziert er eine reale Gesellschaftskritik. Die soziale Ungleichheit wird von der Soziologie als gesellschaftliches Problem gesehen. So weit die wissenschaftliche Erklärung.

Ein Forumsbeitrag von Jean-Claude Thümmel

Nur bringt diese uns im vorliegenden Sachverhalt nur bedingt weiter. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander – und die Menschen sind ratlos. Gerade mal ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt über 50 Prozent des Weltvermögens. Tendenz steigend!

99 Prozent der Weltbevölkerung diskutieren, klagen an, verzweifeln, handeln aber nicht oder nur wenig. Doch wie, wenn nicht durch gemeinsames Handeln, kann diese gefährliche Situation umgekehrt werden? Welche radikalen gesellschaftsverändernden Programme müssen her, um uns vor einer Katastrophe zu bewahren? Ungleichheit wird bekanntlich über den Gini-Koeffizienten gemessen.

Der Gini-Koeffizient geht auf den italienischen Statistiker Corrado Gini zurück. Dieser Gini-Koeffizient steht in Korrelation zum Einkommensanteil, der auf das oberste ein Prozent entfällt. Der Gini-Index gibt also den Grad der Ungleichheit der Einkommensverteilung an. Nimmt man die vergangenen hundert Jahre und errechnet statistisch, was in diesem Zeitraum passiert ist, so stellt man fest, dass in den drei Nachkriegsjahrzehnten, grob von 1950 bis 1980, der Gini-Koeffizient unter 40 Prozent lag. Zum Vergleich: 1933 lag er über 50 Prozent. Im Jahr 2013 lag der Ungleichheits-Koeffizient, am US-Beispiel gemessen, bei rund 48 Prozent. Das bedeutet ganz einfach, dass das Gesamtungleichgewicht zwar nicht wieder auf dem Niveau der Zwanziger- und Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts ist, aber mehr als die Hälfte des Weges dorthin schon zurückgelegt hat. Luxemburg liegt im Vergleich mit Österreich und der Schweiz gleichauf. Diese Tatsache beruhigt aber nur bedingt.

Soziale Ungleichheit

An der Bekämpfung der sozialen Ungleichheit führt sicherlich kein Weg vorbei. Den Hebel ansetzen muss man dort, wo die Ungleichheit am stärksten spürbar ist, nämlich bei der direkten Armutsbekämpfung.

Denn die potenzielle Gefahr, in die Armut zu rutschen, ist für viele Leute größer als noch vor zehn oder 15 Jahren. Soziale Ungleichheit führt zwangsläufig zu einer gefährlichen Verringerung des sozialen Zusammenhalts. Unsere Gesellschaften verlieren zusehends ein lebensnotwendiges Elixier. Die soziale Kohäsion! Es gibt aber auch über den Weg der Lohnquote die Möglichkeit, die grassierende soziale Ungleichheit abzubauen!

Das hat sich in den beschriebenen drei Nachkriegsjahrzehnten auf eindrucksvolle Art und Weise bewahrheitet. Aber auch die Lohnquote nimmt erneut ab. Sie ist in den Industrieländern von 65% im Jahr 1980 kontinuierlich auf unter 59% im Jahr 2014 gefallen. Hierfür verantwortlich ist sicherlich eine ganze Reihe von Faktoren.

Der Wichtigste aber ist wohl die von Reagan und Thatcher angeschobene Liberalisierung. Zur Historie: Am 20. Januar 1981 übernahm ein gewisser Ronald Reagan nach überwältigendem Wahlsieg das Präsidentenamt in den USA. Sein Regierungsprogramm sah vor, die Staatsausgaben drastisch zu reduzieren, die Wirtschaft durch massive Steuersenkungen wiederzubeleben und den Militäretat stark zu erhöhen.

Wirtschaftspolitisch setzte die Reagan-Administration auf eine Wiederbelebung des Individualismus und Gewinnstrebens.

Die neoliberale Politik Reagans zielte ab auf eine totale Deregulierung, die umfassende Privatisierung öffentlicher Aufgaben und den radikalen Abbau zentralstaatlicher Regelungskompetenzen. Steuersenkungen gingen einher mit drastisch gekürzten Sozialetats. Reagan hatte sich offensichtlich am Thatcherism inspiriert.

Marktradikalismus

Dieses von Margaret Thatcher ab 1979 praktizierte Modell eines radikalen wirtschaftlichen und politischen Liberalismus fand eine ganze Reihe von Nachahmern. Der Kreuzzug der Eisernen Lady gegen linke Gewerkschaften ist immer noch ein Lehrstück in Sachen Entmachtung starker Arbeitnehmervertretungen. Mit ihrer marktradikalen Revolution hat sie das politische Gesicht Großbritanniens maßgeblich und nachhaltig geprägt.

Wie später bei Reagan hat Thatcher im Rahmen ihrer Ideologie der neuen Rechten eine Stärkung der Kräfte des Marktes und gleichzeitig den Rückzug des Staates aus möglichst vielen Bereichen vorangetrieben. Die 70er- und 80er-Jahre sind also synonym geworden für eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die heute noch, vielleicht in etwas anderer Form, weitergeführt wird. Und deshalb muss gerade hier der Hebel angesetzt werden.

Die soziale Ungleichheit ist wohl so alt wie die Menschheit, hat aber mit dem Aufkommen des Kapitalismus stark an Intensität gewonnen. Und hat aufgrund der radikalen Veränderungen durch Liberalisierung, Deregulierung und massive Privatisierung einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Das Ganze auf der Grundlage eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbaus unter Zuhilfenahme von Reaganomics und Thatcherism. Nun, dann müsste der Trend ja umkehrbar sein, wenn man die Vorzeichen ändert – man die Zeit also ganz einfach zurückdrehen würde. Klingt simpel, geht aber nicht so einfach. Heute haben einige Banken systemischen Charakter entwickelt.

Wir erinnern uns, „too big to fail“! Oder Investmentfonds wie zum Beispiel Blackrock. Der größte Investmentfonds der Welt verwaltet ein Gesamtvermögen von rund 6.300 Milliarden Dollar. Das entspricht dem BIP Frankreichs und Deutschlands zusammen. Es stellt sich die dringende Frage, aus welchen Quellen diese enormen Geldmittel stammen. Und wieso damit spekuliert wird, anstatt diese enormen Summen sinnvollen gesellschaftlichen Zwecken zuzuführen?

Eine gute Gesellschaft

Doch die in Konkurrenz stehenden Länder Europas scheren sich offensichtlich wenig um die bestehenden Ungleichheiten. Im Gegenteil, sie verstärken sie noch über den Weg des praktizierten Steuerdumpings, der den einzelnen Volkswirtschaften Milliarden Summen vorenthält. Geld, das zur Verringerung bestehender Ungleichheiten eben nicht zur Verfügung steht. Die sich verstärkende soziale Ungleichheit spaltet Gesellschaften, führt zu immer mehr Armut, Krieg und Gewalt. Und bereitet Populisten, Rechten und Extremrechten den Weg an die Macht. Das Gefühl, abgehängt zu sein, treibt viele, ansonsten relativ rational agierende Menschen in die Arme rechter Rattenfänger. In unserem Nachbarland Deutschland sind 83 Prozent der Bürger überzeugt, dass die Unterschiede zwischen Arm und Reich ein großes oder sehr großes Problem sind. Und das sind wohl nicht alles Wähler der Linken. Denn überraschenderweise sehen 88 Prozent der FDP-Anhänger in der sozialen Ungleichheit ein großes Problem.

Es muss uns also darum gehen, zu klären, warum Gesellschaften so ungleich sind. Und die Zeit drängt. Denn extreme Ungleichheit ist nicht mit einer funktionierenden Demokratie und dem Begriff einer „guten Gesellschaft“ vereinbar. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die großen Zahlen der Wirtschaftspolitik, wie das BIP, oft nicht oder nur teilweise mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zusammenhängen. Es ist wichtig, die sich potenzierende Ungleichheit nicht als unvermeidlich hinzunehmen. Sie ist das Ergebnis von Kräften, die sich jeglicher gesellschaftlicher Kontrolle entzogen haben.

Wir müssen gemeinsam diese gesellschaftliche Kontrolle wiedergewinnen. Die Wahl der Mittel zur Wiedererlangung dieser Kontrolle hängt im Wesentlichen davon ab, wie groß der Widerstand der Verursacher der Ungleichheit sein wird. Eine große Herausforderung, denn der entscheidende Schritt zu weniger Ungleichheit erfordert einen kollektiven Kraftakt. Wir müssen gemeinsam eine positive Ungleichheitswende herbeiführen. Und das nachhaltig! Denn das 21. Jahrhundert führt eine Reihe von zusätzlichen und besonderen Herausforderungen mit sich.

Der Klimawandel und die Digitalisierung sind nur zwei davon, die wir dabei fest in den Blick nehmen müssen.

roger wohlfart
5. Juli 2018 - 20.00

So lange man denken kann, gab es immer Menschen, die sich auf Kosten anderer bereicherten. Diese Gier nach immer mehr scheint in der Natur des Menschen zu stecken. Geld bedeutet auch Macht und Prestige. Das wird sich wahrscheinlich nie ändern. Allerdings macht Geld nicht unbedingt glücklich, aber die Einstellung gegenüber dem schnöden Mammon hat viel Leid über die Menschheit gebracht. Wäre der Reichtum gleichmässig über die Welt verteilt, bräuchte niemand im Elend zu leben. Aber allein der Gedanke daran ist pure Utopie. Leider!