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KunsteckeWandlung einer Region in Wort und Bild dokumentiert

Kunstecke / Wandlung einer Region in Wort und Bild dokumentiert
Neben den Werken von Aurélie Darbouret, Patrick Galbats und Nicolas Leblanc rückt auch das Schaffen zahlreicher Schüler(innen) des „Lycée professionnel Maryse Bastié“ (drei Klassen) von Hayange, des „Collège Evariste Galois“ (eine Klasse) von Algrange und des „Lycée de garçons Esch“ (Fotoklasse) in den Vordergrund Foto: Editpress/Julien Garroy

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Hat die Galerie Schlassgoart das Kulturjahr 2022 mit der Gegenüberstellung Auguste Trémont-Eric Schumacher vor einem Jahr eingeläutet, so beendet sie nun Esch2022 mit der Ausstellung „Traversées“, einer geschickt in Bild und Ton dokumentierten Schau mit Zeugen und Spuren der Wandlung einer grenzüberschreitenden Region, mit ihrer einst stolzen Stahlindustrie, ihren Auswirkungen auf Mensch und Landschaft hin zu einer neu angepassten Gemeinschaft.

„Traversées“ ist ein Projekt, das im Kulturjahr Esch2022 mit zahlreichen Partnern dies- und jenseits der französisch-luxemburgischen Grenze rundum Esch/Alzette unter der Federführung der Asbl. Ikono aufgelegt wurde. Neben den Künstlern Aurélie Darbouret, Patrick Galbats und Nicolas Leblanc zeugt die Expo auch von der gemeinschaftlichen Mitwirkung zahlreicher Schüler(innen) des „Lycée professionnel Maryse Bastié“ (drei Klassen) von Hayange, des „Collège Evariste Galois“ (eine Klasse) von Algrange und des „Lycée de garçons Esch“ (Fotoklasse). Die Vereinigung Ikono wirft abschließend zu ihrer Einführung Fragen auf zur Identität, Vernetzung und Gemeinschaftswert besagter Region, die sich seit Jahrzehnten in einer „sich wandelnden Landschaft“ wieder neu entdecken muss. Die Umsetzung des Vorhabens in Form dieser Ausstellung hat zusätzlich Intendanz-Kräfte mobilisiert, kuratiert wurde sie jedoch von den beiden Fotografen Galbats und Leblanc. Gibt die Ausstellung Antworten auf die angesprochenen Fragen? Nicht unbedingt, sie zeugt jedoch von der oft übersehenen dialektischen Wechselwirkung wichtiger Elemente wie Mensch, Traditionen, Arbeitswelt, sozialer Position, Wohnkultur, Gemeinschaftsleben, Natur, Verbindungen zum Zentralstaat und Zukunftsperspektiven für all jene, die in diese Übergangszeit hineingeboren und in Realitäten, die sie ändern wollen, gezwungen wurden.

Aufregende Inszenierung

Die Räumlichkeiten des „Pavillon du centenaire/ArcelorMittal“, die von der Galerie Schlassgoart bespielt werden, sind mit einer geschickt ausgeloteten Inszenierung optimal ausgeschöpft. Fotos unterschiedlichen Formats sind sozusagen themenweise gruppiert und beleben die Galerie-Wände jedes Mal auf andere Weise. Mal reihen sich die Bilder aneinander, mal sind sie verschoben gehängt, mal variieren die Formate oder sind Mega-Fotos direkt auf die Betonunterlage aufgeklebt, mal schieben sich Detailbilder über megagroße Hintergrundfotos, dann wiederum haben die Autoren eine Holzwand in den Raum geschoben, nicht nur um zusätzliche Lichtbilder zu zeigen, nein um eine bestimmte räumliche Stimmung zu schaffen, die Weite der Galerie aufzuteilen, ein Hauch Wohnrealität in früheren Zeiten anzudeuten, kurzum den Besucher auf seiner Wanderung bequemer durch die verwandelte, in Wort und Bild dargestellte Region zu führen.

Wer an den reich mit Fotos illustrierten Wänden vorbeischlendert, dem klingen Wortfetzen in den Ohren, da an gleich mehreren Stellen der Galerie Hintergrundgespräche und Erzählungen im Raum verbreitet werden, diskret, mit angemessener Lautstärke, sodass diese Textfragmente problemlos aufgenommen werden können, ohne die Konzentration auf das Bildmaterial zu stören. Wer intensiver in diese Facette der Dokumentation „Traversées“ eintauchen möchte, dem bieten sich dazu an einigen Plätzen auch Einrichtungen mit Kopfhörern an. Zwischendurch eine Pause einlegen und Informationen wie Aussagen einsaugen, das ist die ideale Manier, diese Schau zu erleben.

Haben wir oben angedeutet, die Expo sei thematisch gegliedert, so liefern angebrachte Schriften mit Aussagen von Betroffenen eine Art Wegweiser und Interpretationshilfen beim Besuch. Wohnungen, Freizeitaktivitäten, berufliches Umfeld, Familienlage, kulturelle Einrichtungen und neue Bedürfnisse, Landschaftsentwicklung und dergleichen mehr sind fotografisch sowohl in S/W-Bildern als auch mit Farbfotos präsentiert, wobei Porträts von Zeitgenossen mit diversem Erscheinungsbild dies- und jenseits der Grenze in ein und derselben Industrieregion genauso zur dokumentarischen Aufarbeitung wie Galerien unter Tage, aus denen einst Erz gewonnen wurde, oder blühende Landschaften gehören. Menschenschicksale spielen stets eine tragende Rolle, wenn es um Veränderungen ihrer Lebensbedingungen und in ihrem gesellschaftlichen Umfeld geht.

Sind alle Menschen gleich glücklich?

Da die Autoren auf beiden Seiten der Grenze Stimmen und Bilder gesammelt haben, sticht eine Schrift zur Illustration der Fotos besonders hervor: „On était tous à peu près d’égale valeur“. Es ist dies ein Satz, der wohl eine der Kernaussagen reflektiert. Auch der geäußerte Wunsch: „J’aimerais bien revenir en arrière, pas seulement pour l‘âge, mais aussi pour la façon de vivre“, dürfte zum Nachdenken anregen. Diese und andere Sätze aus den notierten Eindrücken der Einwohner dieser Region verdeutlichen neben entsprechenden Fotos, die künstlerisch plastisch in Szene gesetzt sind oder schlicht und ergreifend „nackte“ Realitäten wiedergeben, ohne diese zu verschönern, die Tiefgründigkeit dieser medienübergreifenden Bestandsaufnahme. Mit der einfachen Feststellung: „Il y avait le café, il y avait des bancs, il y avait la télévision, et il y avait même le portrait de Youri Gagarine“, wird an andere Zeiten erinnert, Momente, in denen gerade in dieser Region an fremde Helden der Erforschung des Alls, sozusagen als Übergang in ein sowohl wirtschaftlich, sozial wie gesellschaftlich und politisch anbrechendes Zeitalter hingewiesen. Brücken schlagen ist nicht einfach. Den Autoren Aurélie Darbouret für die Toncollagen, Patrick Galbats und Nicolas Leblanc für die Fotos, ist es gelungen, das Leben im Haut Val d’Alzette und ehemaligen Becken von Esch/Alzette in mühevoller, aber gekonnter Manier zu erfassen und recht lebendig darzustellen.

Aurélie Darbouret ist Französin. Sie arbeitet derzeit an einer wissenschaftlichen These betreffend „anthropologie sonore sur les relations aux vivants dans l’espace marin“. Nicolas Leblanc lebt und arbeitet in Metz, ist diplomierter Fotograf. Seine Themen sind: Politik, Erinnerung, Immigration und Umwelt. Patrick Galbats ist Luxemburger, diplomierter Fotograf, bekannt als Pressefotograf sowie aus unzähligen Projekten und Reportagen mit sozialem Engagement. Er hat bei Peperoni Books in Zusammenarbeit mit dem CNA sein erstes Buch veröffentlicht.

Die neben den Fototafeln der Schüler rund 100 Lichtbilder der professionellen Fotografen umfassende Ausstellung ist vorbildlich von der Vereinigung Ikono dokumentiert, sodass der Besucher alle Fotos nicht nur dem betreffenden Fotografen, sondern auch der Ortsbezeichnung der gezeigten Person sowie technischer Details zuordnen kann. Wenn sich der Spruch des Philosophen „Das Sein bestimmt das Bewusstsein!“ beweisen soll, dann wohl mit dieser Schau, in der die „Traversées“ oder der „Weg“ wohl das „Ziel“ sind.

Ausstellung

„Traversées“
Aurélie Darbouret, Patrick Galbats, Nicolas Leblanc
Galerie Schlassgoart, Pavillon du centenaire/ArcelorMittal, boulevard Grand-Duchesse Charlotte, Esch/Alzette
Bis zum 23. Februar
Dienstag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr