Ab Donnerstag wird während vier Tagen ein neues Europäisches Parlament gewählt. Es ist eine der größten demokratischen Wahlen weltweit. Gewählt wird in 28 EU-Staaten. Die ersten Ergebnisse sollen erst am Sonntag um 23.00 Uhr bekannt gegeben werden.
Dass sich eine Wahl über mehrere Tage hinzieht, ist zwar selten, doch nichts Außergewöhnliches. In Indien etwa fand in den vergangenen Tagen die letzte Phase der sechs Wochen andauernden Parlamentswahlen statt. Dort werden am Donnerstag die ersten Resultate erwartet. Die Europawahl ist die zweitgrößte demokratische Wahl der Welt. Nach Angaben des Europäischen Parlaments (EP) können sich in den 28 EU-Staaten 427 Millionen wahlberechtigte Bürger am Urnengang beteiligen.
„Dieses Mal wähle ich“
Der Wahlmarathon in der Europäischen Union beginnt am Donnerstag ausgerechnet in Großbritannien sowie in den Niederlanden. Am Freitag folgt Irland und die Wahlen beginnen in Tschechien, wo sie am Samstag fortgesetzt werden. Dann werden auch die Letten, Malteser und Slowaken zu den Urnen schreiten. Am Sonntag schließlich wählen neben Luxemburg die restlichen 20 Mitgliedstaaten ihre EU-Parlamentarier.
Das EP hat die diesjährigen Wahlen unter das Motto „Dieses Mal wähle ich“ gestellt. Den Verantwortlichen im EP ging es darum, den seit Beginn der Direktwahl der EP-Abgeordneten im Jahr 1979 herrschenden Trend einer stetig schwindenden Wahlbeteiligung zu brechen. Unterstützung erhielt das EP bei diesen Bemühungen von zahlreichen Prominenten, etwa von international bekannten Fußballspielern, aber auch von vielen Organisationen aus der Zivilgesellschaft, die sich bereit erklärt haben, in ihren Ländern dafür zu werben, damit sich die Bürger an der Wahl beteiligen. Denn außer in Luxemburg, Belgien, Bulgarien, Griechenland und Zypern herrscht in den übrigen EU-Staaten keine Wahlpflicht.
Witz der Geschichte
Lag die Wahlbeteiligung bei der ersten Direktwahl 1979 noch bei 61,99 Prozent, so schwand sie bis 2014 auf 42,61 Prozent. Der niedrigste Wert wurde 2014 in der Slowakei erreicht, wo nur 13,05 Prozent der Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten.
Der Umstand, dass ausgerechnet die Briten den Reigen der europäischen Urnengänge eröffnen, dürfte als einer der größten Witze der Geschichte in Erinnerung bleiben. Unfähig, sich rechtzeitig auf einen geordneten Abgang aus der EU zu einigen, müssen sie nun 73 Abgeordnete bestimmen, die zumindest an der konstituierenden Sitzung des EP im Juli und wohl auch an der Wahl des künftigen EU-Kommissionspräsidenten teilnehmen werden. Dabei wurde ein Teil der britischen Sitze bereits im vergangenen Jahr auf 14 EU-Staaten aufgeteilt. Nach dem Brexit sollte das EP nur mehr 705 Abgeordnete zählen. 46 Sitze wurden für künftige Beitrittsländer frei gehalten.
Sollte das Vereinigte Königreich wie nun vorgesehen am 31. Oktober aus der EU ausscheiden, wird die Anzahl der EU-Parlamentarier reduziert und Frankreich und Spanien erhalten jeweils fünf zusätzliche Abgeordnete, Italien und die Niederlande je drei, Irland zwei und neun weitere Länder einen zusätzlichen EP-Sitz.
Mit Glanz und Gloria untergehen
Die Wahlen in Großbritannien werden unter besonderer Beobachtung stehen. Denn sie werden vor allem als Gradmesser für ein eventuelles zweites Austrittsreferendum gelten, über dessen Abhaltung die britische Premierministerin Theresa May abstimmen lassen will. Ihre konservativen Tories aber, so zeigen es jüngste Umfragen, dürften bei den EU-Wahlen mit Glanz und Gloria untergehen. Gerade einmal 11 Prozent würden demnach auf die May-Partei entfallen. Großer Gewinner wird der EU-Gegner Nigel Farage sein, der mit seiner neuen Brexit-Partei mit 34 Prozent weit vor der zweitplatzierten Labour-Partei (21 Prozent) liegen würde. Der dritte Platz ginge der Umfrage der Zeitung The Observer zufolge mit 12 Prozent an die Liberalen.
Mit den Europawahlen soll ebenfalls der Kandidat für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bestimmt werden. Die größten Parteien haben dazu wie 2014 bereits Spitzenkandidaten aufgestellt. Der Kandidat der stärksten Fraktion soll den Vortritt haben. Voraussichtlich dürfte dies der Deutsche Manfred Weber der Europäischen Volkspartei sein. Allerdings muss er im künftigen EP eine Mehrheit auf sich vereinen können.
Neben ihm treten auch noch der erste Vizepräsident der EU-Kommission, der Niederländer Frans Timmermans für die Sozialdemokraten, Jan Zahradil für die Fraktion Europäische Konservative und Reformer, Margrethe Vestager für die Liberalen, Ska Keller und Bas Eickhout für die Grünen sowie Nico Cué für die Linken an.
Bereits am Dienstag nach der Wahl wollen sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel treffen, um vor allem auch über diese Personalie zu diskutieren. Denn nachdem das nun austretende EP ihnen 2014 den Kommissionspräsidenten aufgezwungen hatte, wollen sie dieses Mal wieder das Heft des Handelns in der Hand behalten.
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