Berlinale / Wählen Sie die Eins für Begnadigung, die Zwei für Hinrichtung

Maryam (Sadaf Asgari) in „Yalda, a Night for Forgiveness“ (Bild: JBA Production)
„Wenn Sie möchten, dass die junge Frau hingerichtet wird, schicken Sie eine SMS mit der Kennziffer 2 an folgende Nummer …“ Massoud Bakshis erster Spielfilm lotet die Klassengegensätze und die Frauenfeindlichkeit des autoritär-theokratischen Irans aus, indem er sie im westlichen Kontext des Reality-TV präsentiert.
Schab-e Yalda ist das persische Fest der Geburt, das zur Wintersonnenwende gefeiert wird. Für die 22-jährige Maryam, die Protagonistin von Massoud Bakshis Drama „Yalda, a Night for Forgiveness“ ist es auf jeden Fall die längste Nacht ihres Lebens – sie verbringt sie in einem Fernsehstudio. Sie kommt in Handschellen an, wirkt lethargisch, wird herumbugsiert, bevormundet, geschubst. Wir erfahren, dass sie zum Tod durch den Strang verurteilt wurde, weil sie ihren Ehemann, Nasser Zia, getötet haben soll. Die einzige Rettung: eine Reality-TV-Show namens „Die Freude der Vergebung“ – hier hat sie die Gelegenheit, die Geschädigte – in diesem Fall Mona, die Tochter ihres Ehemanns aus früherer Ehe – um Gnade zu bitten. Nach iranischem Recht kann diese ihre Todesstrafe aufheben, wenn sie ihr vergibt.
In der Klaustrophobie dieses Studios entwickelt Bakshis Drehbuch das Porträt einer Gesellschaft, in der archaisches, islamisches Recht auf westlichen Voyeurismus trifft und einen Bastard gebiert, der in seiner Selbstverständlichkeit geradezu pervers wirkt. Niemand stellt das Todesurteil infrage. Maryam war eine Ehefrau auf Zeit – ein Konzept, das sich windige Islamgelehrte ausgedacht haben, um eine Affäre zu legitimieren, ohne sich gegen die Grundsätze des Korans zu versündigen. Ihr Ehevertrag mit Nasser Zia sah vor, dass sie nicht schwanger werden durfte. Als das doch geschah, kam es zu einer Rangelei – Zia fiel die Treppe hinab und starb.
Blutgeld
Wenn nun Mona Maryam begnadigen sollte, schuldet die Verurteilte ihr ein Blutgeld. Diese Summe allerdings bringen die Sponsoren der Sendung auf, falls die Zuschauer eine bestimmte Anzahl an SMS verschicken, um über die wichtigste Frage dieser Sendung abzustimmen: Soll Maryam sterben oder nicht? Die drohende Hinrichtung wird zum Element der trivialen Spannung, Monas Entscheidung wird zum Foto, das Heidi Klum ihren Kandidatinnen bei Germany’s Next Top Model überreicht, um sie in die nächste Sendung zu retten. Bakshi beweist mit geradezu morbider Präzision, dass es keine Abscheulichkeit auf der Welt gibt, für die sich keine Zuschauer fänden und die sich nicht kapitalisieren ließe.
In der Folge flammt der Konflikt zwischen Mona und Maryam – immerhin ehemalige Freundinnen – auf. Maryam will nicht einfach betteln, Mona nicht einfach vergeben. In der Argumentation der beiden entfaltet sich auch ein Klassengegensatz – Maryams Vater war Nassers Chauffeur. Dieser eingebettete Konflikt lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass hier zwei Frauen sitzen, die beide Opfer einer zutiefst frauenfeindlichen Gesellschaft sind und deren persönliche Not nun zum Lustspiel für gelangweilte Familien vor dem Fernseher degradiert wird. Die Sorge der Verantwortlichen des Senders gilt zuallererst auch den Einschaltquoten, erst danach ist der Intendant an Maryams Begnadigung interessiert – zumindest scheint sich unverdiente Gnade in der Welt des Entertainments immer noch besser zu verkaufen als gerechter Zorn.
Der Film löst zu keinem Zeitpunkt den beklemmenden Griff, mit dem er die Kehlen seiner Zuschauer zuschnürt. Der Konflikt entfaltet sich, gewinnt durch zusätzliche Lügen und Enthüllungen Nuancen und versetzt seine Charaktere von einer Ausnahmesituation in die nächste. Die Spannung des Films spiegelt dem Kinogänger die Spannung des fiktiven Fernsehpublikums wider, nur dass der reale Zuschauer die Hintergründe und die Mechanismen erkennen kann, die auf eine scheinbar unvermeidliche Explosion hindrehen. Das macht eine der größten Stärken des Films aus: Trotz des fast schon dokumentarischen Charakters, mit dem „Yalda“ die iranische Medienlandschaft ausleuchtet, bleibt das Werk bis zur letzten Minute spannend. „Yalda“ schafft, was vielen Filmen misslingt: Ein anspruchsvolles Thema mit einer starken Geschichte zu verknüpfen.
Yalda, a Night for Forgiveness
Der Film wurde von der luxemburgischen Produktionsfirma „Amour fou“ koproduziert und wird im Rahmen des Luxembourg-City-Film-Festivals am 14. März im Kinepolis gezeigt. Davor lief der Film auf dem Sundance-Film-Festival und auf der Berlinale.
Das Tageblatt vergibt für „Yalda, a Night for Forgiveness“ eine uneingeschränkte Sehempfehlung.
Ja,die Religionen mit ihren Absurditäten haben Potential für Filmreisser. In jedem Gotteshaus müsste vor dem Gebet so ein Film abgespielt werden. Von der Hexenverbrennung bis zur Steinigung.
Das würde das wahre Gesicht dieses Allmächtigen zeigen den viele so verehren.
De Kreationisten muss den Spigel virun Aan gehaalen ginn, dodurch dass an den Scho’ulen den Darwin an seng Evolutio’un thematisei’ert gett !