Da das Coronavirus in vielen Ländern noch immer grassiert, lautet eine Schlüsselfrage, ob das Auftauchen neuer Virusvarianten erneut wiederholte Phasen des Auf- und Zusperrens erfordern wird, wie wir es in einigen Fällen beobachtet haben, als Volkswirtschaften zu früh öffneten. Besonders unheilvoll könnte sich das Auftreten weiterer impfstoffresistenter Virusvarianten gestalten. Das unterstreicht die Dringlichkeit der Impfbemühungen, die bisher in vielen Regionen zu schleppend verlaufen.
Neben dem Virus gilt es darüber hinaus, noch eine Reihe weiterer wirtschaftlicher Risiken zu berücksichtigen. Eine langsame oder nicht ausreichend robuste Erholung könnte zu dauerhaften Schäden führen, wenn zu viele Unternehmen pleitegehen und sich auf den Arbeitsmärkten Hysterese breitmacht (wenn Langzeitarbeitslosigkeit dazu führt, dass Arbeitskräfte aufgrund einer Erosion der Qualifikationen nicht mehr beschäftigt werden können). Eine weitere Frage besteht darin, wie stark der Schuldenabbau bei hoch verschuldeten (Klein- und Groß-)Unternehmen sowie Haushalten ausfallen wird und ob dieser Effekt durch den Nachholbedarf der Verbraucher, die ihre Ersparnisse aus der Pandemiezeit ausgeben, vollständig ausgeglichen wird.
Zunehmende Ungleichheit
Ein weiterer Aspekt, der Anlass zur Sorge bereitet, ist der gesellschaftspolitische Bereich: Wird die zunehmende Ungleichheit zu weiterer Instabilität und noch stärker sinkender gesamtwirtschaftlicher Nachfrage führen? Vieles wird von Ausmaß, Reichweite und der Inklusivität der Maßnahmen abhängen, die zur Unterstützung der Einkommen und Ausgaben der Abgehängten ergriffen werden. Ebenso bleibt abzuwarten, ob die bisher umgesetzten makropolitischen Impulse (Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik) ausreichend, unzureichend oder möglicherweise überzogen sind und in manchen Fällen zu stark steigender Inflation und erhöhten Inflationserwartungen führen werden.
Unter Berücksichtigung all dieser Unwägbarkeiten hat es derzeit den Anschein, als ob der Aufschwung in den USA, China und jenen asiatischen Schwellenländern, die Teil der globalen chinesischen Lieferketten sind, stärker ausfallen wird. In den USA werden ein Rückgang der Neuinfektionen, hohe Impfraten, gestiegenes Verbrauchervertrauen und ein besseres Geschäftsklima sowie die weitreichenden Auswirkungen der fiskalischen und monetären Expansion in diesem Jahr eine robuste Erholung vorantreiben.
Hier besteht das Hauptrisiko in einer Überhitzung. Der jüngste Anstieg der Inflation könnte sich als hartnäckiger erweisen, als von der US-Notenbank Federal Reserve erwartet, und auf den aktuell überschwänglichen Finanzmärkten könnte eine Korrektur einsetzen, die womöglich eine Schwächung des Vertrauens nach sich zieht.
Schwache Erholung in Europa
In China und den eng mit diesem Land verbundenen Volkswirtschaften lässt sich ein Großteil der starken Erholung auf den Erfolg der Behörden bei der frühzeitigen Eindämmung des Virus sowie auf die Wirkung makroökonomischer Impulse zurückführen, die allesamt eine rasche Öffnung und die Wiederherstellung des Konjunkturoptimismus zuließen. Die hohe Verschuldung und der hohe Fremdkapitalanteil in einigen Teilen des privaten und öffentlichen Sektors in China stellen jedoch ein Risiko dar, da China versucht, ein stärkeres Wachstum aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die übermäßige Kreditvergabe einzudämmen. Ganz allgemein wird die Möglichkeit einer eskalierenden Rivalität – eines kälteren Krieges – zwischen den USA und China das Wachstum in China und weltweit bedrohen, insbesondere, wenn dies zu einer stärkeren wirtschaftlichen Abkopplung und erneutem Protektionismus führt.
Europa steht schlechter da, da es im letzten Quartal 2020 und im ersten Quartal 2021 aufgrund einer erneuten Welle von Infektionen und Lockdowns in eine Double-Dip-Rezession geriet. Die Erholung wird sich bis zum zweiten Quartal schwach gestalten, allerdings könnte das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte anziehen, wenn die Impfraten weiter steigen und die Makropolitik akkommodierend bleibt. Doch ein zu früher Ausstieg aus Kurzarbeitsprogrammen und verschiedenen Kreditgarantien könnte weitere dauerhafte Schäden verursachen und zu Hysterese führen.
Darüber hinaus werden Teile der Eurozone ohne die seit langem notwendigen Strukturreformen ein weiterhin geringes potenzielles Wachstum und auch hohe Staatsschuldenquoten aufweisen. Solange die Europäische Zentralbank weiter Vermögenswerte aufkauft, werden die Anleihespreads (und zwar die Differenz zwischen den Renditen deutscher und italienischer Anleihen) niedrig bleiben. Allerdings werden die unterstützenden geldpolitischen Maßnahmen letztlich auslaufen und die Defizite gesenkt werden müssen. Und über allem wird dauerhaft das Schreckgespenst populistischer, euroskeptischer Parteien schweben, die diese Krise ausnutzen wollen.
Langsamer Neustart in Japan
Auch Japan hat einen deutlich langsameren Neustart hingelegt. Nach einem Lockdown zur Eindämmung einer erneuten Infektionswelle wies das Land im ersten Quartal dieses Jahres negatives Wachstum auf und ringt nun darum, die Olympischen Sommerspiele in Tokio wie geplant abzuhalten. In Japan sind Strukturreformen ebenfalls dringend notwendig, um das potenzielle Wachstum zu erhöhen und letztendlich eine Haushaltskonsolidierung zu ermöglichen. Und die massive Staatsverschuldung könnte trotz anhaltender Monetarisierung durch die Bank of Japan irgendwann untragbar werden.
Schließlich präsentieren sich die Aussichten für viele Schwellen- und Entwicklungsländer durchaus fragil, weil hohe Bevölkerungsdichte, schwächere Gesundheitssysteme und niedrigere Impfraten eine weitere Ausbreitung des Virus ermöglichen. In zahlreichen dieser Länder ist die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern gedrückt, die Einnahmen aus Tourismus und Überweisungen aus dem Ausland versiegt, die Schuldenquoten bereits hoch und möglicherweise nicht mehr tragbar und die Finanzlage aufgrund höherer Kreditkosten und schwächerer Währungen angespannt. Zudem besteht nur begrenzter Spielraum für eine expansivere Strategie, und in einigen Fällen könnte Populismus die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben.
Zu den in Schieflage geratenen Volkswirtschaften, die es zu beobachten gilt, gehören Indien, Russland, die Türkei, Brasilien, Südafrika, weite Teile Afrikas südlich der Sahara und die schwächeren, ölimportierenden Länder des Nahen Ostens. Viele Länder befinden sich nicht in der Rezession, sondern in einer Depression. Über 200 Millionen Menschen laufen Gefahr, wieder in extreme Armut abzugleiten. Erschwerend kommt hinzu, dass die am meisten durch Hunger und Krankheiten gefährdeten Länder tendenziell auch am stärksten durch den Klimawandel bedroht sind und daher möglicherweise weiterhin instabil bleiben werden.
Während sich das Vertrauen insgesamt erholt, herrscht auf einigen Finanzmärkten irrationaler Überschwang und es bestehen viele grundlegende Risiken und Unsicherheiten. Die Covid-19-Krise wird die Ungleichheit innerhalb und zwischen den Ländern wohl verstärken. Je dramatischer die gefährdeten Gruppen abgehängt werden, desto größer präsentiert sich auch die Gefahr sozialer, politischer und geopolitischer Instabilität in Zukunft.
* Nouriel Roubini ist Präsident von Roubini Macro Associates und Betreiber der Plattform NourielToday.com.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
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Ce n‘est pas la fin de la récession globale . Ce n‘est pas même pas le commencement de la fin.Mais c‘est peut-être la fin du commencement
Früher wurde der Wirtschaftsaufschwung durch die USA initiert.
Jetzt schaut mann besser die andere Richtung: gen Reich der mitte.