Auf dem Programm: acht der 14 Lieder aus dem Zyklus Des Knaben Wunderhorn, dazwischen der Satz Blumine, den Mahler ursprünglich für seine 1. Symphonie vorgesehen hatte, den er später aber wieder strich. Schließlich die 4. Symphonie mit der jungen schwedischen Sopranistin Johanna Wallroth. Für die Wunderhorn-Lieder hatte man den Bariton Christian Gerhaher engagiert, neben Thomas Hampson wohl der beste Mahler-Sänger der Gegenwart. Gerhaher sang die acht Lieder dann auch mit überzeugender Gestaltungskraft und viel psychologischem Einfühlungsvermögen.
Die Stimme ist kräftig und zart zugleich, das Timbre schön und ansprechend. Vor allem ist es aber die Intensität und Ehrlichkeit der Interpretation, die aus Gerhaher einen idealen Sänger macht, und das nicht nur im Liedbereich. Für mich zweifelsohne einer der ganz großen Sänger unserer Zeit. Daniel Harding ist im Laufe der Jahre vom talentierten Hitzkopf zu einem der interessantesten und besten Dirigenten unserer Zeit herangewachsen.
Seine gestalterische Überlegenheit, seine Reife und seine Fähigkeit, die Musik in jeder Phrase tief zu empfinden, das alles zeigte sich in dieser denkwürdigen Aufführung der 4. Symphonie. Dank des erdigen und sehr natürlichen Klangs des Swedish Radio Symphony Orchestra gewann die Interpretation an Ausdruck und beschränkte sich nicht nur auf das Ausleuchten der heiter-naiven Wunderhornthematik. Wo es nur ging, ließ Harding Mittelstimmen durchklingen und das exzellent besetzte Holz unterstrich den oft unterschwelligen ernsten Ton dieser Musik. Auch der Schlusssatz reihte sich in diese eher ernste Auslegung des Werkes ein. Die Tempi waren eher bedächtig, dunkle Farben herrschten vor und der makellose Vortrag von Johanna Wallroth unterstrich die Doppelbödigkeit des Textes.
Im Dienste der Kinder
Eher direkt ging es im nächsten Konzert zu, nämlich dem „SOS Villages d’enfants“-Galakonzert des Orchestre Philharmonique du Luxembourg – übrigens bereits das 45. Benefizkonzert unseres Orchesters. Der Erlös kommt den nach Kolumbien geflüchteten Kindern aus Venezuela zugute. Corona-bedingt musste der vorgesehene venezolanische Dirigent Rafael Payare das Konzert absagen. Für ihn sprang kurzfristig Lawrence Renes ein.
Somit musste auch der zweite Teil des Konzerts angepasst werden. Die vorgesehene Alpensymphonie von Richard Strauss wurde durch Beethovens 7. Symphonie ersetzt. Für den ersten Konzertteil mit Mozarts eher selten gespieltem Klavierkonzert Nr. 18 B-Dur KV 456 hatte man den 1. Preisträger des Concours Reine Elisabeth 2021 eingeladen.
Der 27-jährige Jonathan Fournel erwies sich denn auch als ein Glücksfall. Mit virtuoser Leichtigkeit und einem sehr guten Gespür für den Ablauf der Musik zeigte er sich als ein hervorragender Mozart-Interpret. Es gelang ihm sowohl Klarheit und Transparenz wie Emotionalität und Frische zu einem kongruenten Ganzen zu vermischen.
Das OPL unter Renes begleitete behutsam, zeigte aber leider immer noch, dass dem Orchester eine mozartsche Natürlichkeit fehlt, die es unbedingt erarbeiten müsste. Auch die 7. Symphonie von Beethoven wusste zu gefallen. Renes optierte für eine dynamische Interpretation voller Innenspannung, die die OPL-Musiker mit ein paar Durchhängern im 1. und 3. Satz dann auch sehr gut umsetzten. Vor allem gefiel mir das Allegretto, das endlich einmal etwas zügiger gespielt wurde als gewohnt und somit ideal zu den übrigen drei Sätzen passte. Der Schlusssatz, der mit seiner Apotheose sowieso das Publikum immer zu Jubel hinreißt, wurde vom OPL exzellent wiedergegeben und Lawrence Renes konnte hier noch einmal die Innenspannung und den Drive erhöhen. Der begeisterte Beifall des Publikums war somit berechtigt, auch war das künstlerische Niveau für ein Gala-Konzert überdurchschnittlich hoch.
Publikumsliebling Cecilia Bartoli
Höchstes Niveau und höchste künstlerische Darbietung zeichnen schon seit Jahrzehnten die Konzerte der italienischen Sängerin Cecilia Bartoli aus. Die Koloratur-Mezzosopranistin, die einen Stimmumfang von zweieinhalb Oktaven besitzt, begeisterte auch bei ihrem diesjährigen Konzert, in dem sie vom Orchester Les Musiciens du Prince-Monaco unter der Leitung von Gianluca Capuano begleitet wurde.
Aber es war kein typischer Bartoli-Abend, denn mit dem Countertenor Carlo Vistoli und dem Oboisten Pier Luigi Fabretti standen noch zwei weitere, gleichwertige Künstler auf der Bühne der Philharmonie. Anstatt des gewohnten Arien-Potpourris wurden diesmal ernstere Töne angeschlagen, war doch das Hauptwerk des Abends Giovanni Battista Pergolesis Stabat Mater.
Davor standen Antonio Vivaldis Motette Clarae stellae, scintillate, Händels Ode for Ste Cecilia’s day und das d-moll-Konzert für Oboe, Streicher und Basso continuo SF 799 von Alessandro Marcello auf dem Programm. Carlo Vistoli glänzte mit noblem und intonationssicherem Gesang (Vivaldi, Pergolesi), während sich der Oboist (und Ensemblemusiker) Pier Luigi Fabretti mit einem ebenso wunderschönen wie technisch brillanten Spiel den Zuspruch des Publikums sicherte.
Als Partner von Cecilia Bartoli begeisterte er mit einfühlsamem, kantablem Spiel (Händel), während er sich in dem kurzen Oboenkonzert von Marcello als Meister der Nuancen und Klangfarben entpuppte. Cecilia Bartoli selbst sang nur Händels Ode und das Stabat Mater von Pergolesi, dies wie immer mit vollendeter Stimmführung, perfektem Vortragsstil und feinfühligem Gesang. Nach einem Stabat Mater eine Zugabe zu geben, ist eine eher heikle Sache. Aber mit Lascia, la spina von Händel, einer der Lieblingsarien Bartolis, wurde hier eine geschmackvolle Alternative gefunden. Zusammen mit Carlo Vistoli sang die Primadonna noch das Amen aus der Stabat Mater-Transkription von Johann Sebastian Bach. Capuano und seine Musiciens du Prince boten den ganzen Abend über wundervolle barocke Klänge auf ihren historischen Instrumenten.
Virtuoses Feuerwerk
Die junge englische Pianistin Isata Kanneh-Mason ist ein vielversprechender Rising Star und hat schon international auf sich aufmerksam gemacht. Ihre vor zwei Jahren erschienene CD Romance mit Werken von Clara Schumann für Decca zeigte bereits ihr beachtliches künstlerisches Niveau. Im Kammermusiksaal der Philharmonie gastierte sie mit Werken von Mozart, Gubaidulina, Alberga, Rachmaninow und Chopin. Unterschiedliche Komponisten und unterschiedliche Perioden also, die die Vielseitigkeit der jungen Pianistin hätten bestens widerspiegeln können.
Doch hatte sich Isata Kanneh-Mason fast ausschließlich für virtuose Stücke entschieden, die zwar ihre atemberaubende Fingerfertigkeit bestens in Szene setzen, einen tieferen Einblick in ihr Können allerdings nicht erlaubten. Man wäre gespannt zu hören gewesen, wie sie die Musik hätte atmen lassen oder einen musikalischen Bogen hätte phrasieren können und wie sie die tiefe Emotionalität eines Stückes begreifen würde. Stattdessen wurde das Konzert zu einem regelrechten Feuerwerk – spannend, virtuos, technisch brillant, aber doch recht plakativ und ohne wirkliche Seele. Und auch bei der Zugabe, einem Prélude von Gershwin, ging es pianistisch noch recht heiß zu. Wir erwarten Isata Kanneh-Mason also für ein zweites Konzert, diesmal aber bitte mit ausgeglichenem Programm.
Zu Demaart
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