Politik habe nichts im Sport zu suchen, heißt es. Doch so klar wie am Donnerstag beim Drohnenangriff im Stade Josy Barthel ist es noch lange nicht immer.
Wenn sich ein Sportminister gezwungen sieht, während eines unterbrochenen Fußballspiels zum Mikrofon zu greifen und sich im Namen des Landes bei den Gästefans zu entschuldigen, dann muss schon etwas Gravierendes passiert sein. So geschehen am Donnerstagabend, beim Europa-League-Spiel des F91 Düdelingen gegen Qarabag Agdam. Nach einer halben Stunde Spielzeit flog eine Drohne ins Stadion, daran befestigt eine Fahne der Republik Bergkarabach. Für die Fans von Qarabag Agdam eine Provokation. Seit 1993 kann Qarabag seine Heimspiele aufgrund des Bergkarabach-Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan nicht mehr in Agdam austragen. Die Stadt wurde von der armenischen Armee besetzt und ist seitdem verlassen. Der Fußball-Klub siedelte um in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku. Zu dem Drohnen-Angriff bekannte sich die „First Armenian Front“, eine Ultragruppierung. Sportminister Dan Kersch war schockiert. Solche politischen Angelegenheiten hätten nichts im Sport verloren, so der Minister.
Stadtwappen als christliches Symbol
Doch der Sport – vor allem der Fußball – wird regelmäßig für politische Statements missbraucht. So flog beim Länderspiel zwischen Serbien und Albanien im Jahr 2014 eine Drohne ins Stadion mit einer Flagge von Großalbanien. Es kam zu Prügeleien zwischen den Fans und die Begegnung ging als Skandalspiel in die Geschichte ein. Aber auch das altehrwürdige Stade Josy Barthel wurde bereits mehrmals als Propaganda-Plattform genutzt. So wie bei den Länderspielen der FLF-Auswahl gegen Serbien und die Ukraine, wo die gegnerischen Fans die Zäune nutzten, um ihre nationalistischen Mitteilungen zu verbreiten. Gegen eine Drohne ist es schwer vorzugehen, die Banner hätten die Sicherheitskräfte allerdings vom Zaun entfernen können.
Am selben Abend gab es einen weiteren Vorfall bei einer Europa-League-Partie. Die Fans von Borussia Mönchengladbach bekamen vor der Partie gegen den Erdogan-Klub Basaksehir Istanbul von der Polizei ihre Fahnen mit dem Stadtwappen abgenommen. Das Wappen enthält ein Kreuz und wurde von den türkischen Polizisten als christliches Symbol ausgemacht. Im Fatih-Terim-Stadion werden die nicht geduldet. Von „grotesken Szenen“ sprach Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. „Bei allem Respekt, das entzieht sich jeglicher Realität“, kommentierte Geschäftsführer Stephan Schippers die Vorkommnisse.
Die Vorfälle im luxemburgischen Stade Josy Barthel sowie im türkischen Fatih-Terim-Stadion verdeutlichen die Komplexität des Problems. Der Sport soll nicht für politische Zwecke missbraucht werden, doch wo zieht man die Linie? Der Drohnen-Angriff ist definitiv nicht zu tolerieren, aber geht die Fahnenaktion nicht doch etwas zu weit? Wann ist es gerechtfertigt, ein Banner abzunehmen, wann wird die Meinungsfreiheit der Zuschauer dadurch eingeschränkt? Soll ein Sportevent eine rein kommerzielle Veranstaltung nach US-amerikanischem Vorbild sein, bei der jegliche Botschaft unerwünscht ist, oder sollte die große Bühne des Sports genutzt werden, um zum Beispiel auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen?
Ein Banner wurde am Donnerstag im Stade Josy Barthel entfernt. Darauf war zu lesen: „Mär sinn Diddeleng“.
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