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Vera Spautz: «Jetzt herrscht Funkstille» in Esch

Vera Spautz: «Jetzt herrscht Funkstille» in Esch

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Nachdem wir in der Ausgabe vom 14. Juni die Bilanz der ersten sechs Monate nach dem historischen Wechsel mit dem neuen Escher Schöffenrat gezogen hatten, haben wir in dieser Woche die Opposition zu Wort kommen gelassen. Den Abschluss macht jetzt die Fraktionssprecherin der LSAP im Gemeinderat, Vera Spautz. Von 2000 bis 2013 war die 55-Jährige Schöffin, im Dezember 2013 übernahm sie das Amt der Bürgermeisterin von Lydia Mutsch.

Tageblatt: Sie waren 17 Jahre lang Mitglied des Schöffenrats und sind nun seit sechs Monaten erstmals in der Opposition. Was ist das für ein Gefühl?

Vera Spautz: Es war nicht schön. Wir haben uns aber zusammengesetzt und die Wahlniederlage aufgearbeitet. Wir haben Ursachenforschung betrieben und unsere Lehren daraus gezogen. Man muss aber auch sagen, dass die LSAP, genau wie die CSV, über sechs Sitze verfügt. Einer davon wurde uns von dem nun unabhängigen Rat Dan Codello geklaut, was vom Wähler so nicht gewollt war. Ich denke schon, dass der Wähler der LSAP seine Stimme gab. In der Opposition versuchen wir jetzt, unsere Rolle zu finden. Das ist ein Prozess.

Der Vorstand der Escher LSAP-Sektion hat sich nach den Wahlen neu aufgestellt und wurde deutlich verjüngt. Wie beurteilen Sie diesen Neuanfang?

Wir haben einen jungen Vorstand mit Taina Bofferding als Präsidentin. Wir haben die Fraktion, unser Hauptgremium, für alle Parteimitglieder geöffnet. Die Versammlungen sind enorm gut besucht. Ferner haben wir festgestellt, dass wir neue Mitglieder bekommen. Ich finde es extrem spannend, dass aufgrund der Diskussionen, die wir intern geführt haben, nun Leute uns und die Partei unterstützen wollen. Nicht nur als Sympathisanten, sondern als Mitglieder.

Unterstützen Sie diesen Erneuerungsprozess?

Absolut. Als Fraktionssprecherin arbeite ich sehr eng mit der neuen Sektionspräsidentin und dem Vorstand zusammen. Dieser Prozess ist notwendig und wichtig. In den nächsten Monaten wird er sicherlich noch mehr Früchte tragen.

Einige Mitglieder in der Fraktion scheinen etwas mehr Schwierigkeiten zu haben, sich mit der Oppositionsrolle zurechtzufinden. Ich denke da an den einen oder anderen ehemaligen Schöffen. Wie sehen Sie das?

Jeder hat noch ein bisschen seine Vorstellungen und seinen Rhythmus. Die Entscheidungen werden aber in der Fraktion getroffen und diese sind auch bindend. Ich bin sehr guter Dinge, dass sich das Problem in den nächsten Wochen lösen wird.
Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Wir sind nicht die Einzigen, die dieses Problem haben. Wenn ich sehe, wie die CSV aufgestellt ist und wie die verschiedenen Räte sich manchmal während Gemeinderatssitzungen anschauen, wenn jemand spontan eine Stellung bezieht, die offensichtlich nicht mit dem Bürgermeister oder den anderen Fraktionsmitgliedern abgesprochen ist. In der Mehrheit sind Solo-Tänze schwieriger zu bewerkstelligen als in der Opposition.

Bei den jüngeren LSAP-Räten im Gemeinderat hat man manchmal den Eindruck, dass es ihnen etwas an Bissigkeit fehlt oder sie sich in ihren Redebeiträgen in eher unwichtigen Details verlieren. Sehen Sie das als Problem?

Nein. Ich glaube, dass auch die Jüngeren sich erst noch in ihrer Rolle finden müssen. Im Jahr 2000 kam ich nach nur einer Sitzung als Gemeinderätin gleich in den Schöffenrat. In diese Rolle wächst man hinein. Durch meine Tätigkeit in der Gewerkschaft und weitere Engagements hatte ich einen anderen Erfahrungsschatz. Das hilft natürlich. Ich denke aber, dass sie ihre Sache gar nicht so schlecht machen und sich in den nächsten Monaten noch verbessern werden. Ich finde es viel dramatischer, wenn solche Situationen innerhalb der Mehrheit entstehen, die ja angetreten ist, um in Esch alles besser zu machen.

Was ist denn seit dem politischen Wechsel besser geworden?

Der Bürgermeister hat kurz nach seiner Vereidigung verkündet, dass künftig nicht mehr «um den heißen Brei geredet» werde. Er sei einer von der Sorte, die «vun der Long op d’Zong» sprechen, und jetzt werde Ernst gemacht in Esch. Die CSV warf der vorigen Mehrheit während der Wahlkampagne vor, dass die Umsetzung der Projekte zu viel Zeit in Anspruch nehme. Im Tageblatt-Interview mit den Mehrheitsvertretern habe ich vergangene Woche dann gelesen, dass Esch nun «richtig gut dasteht». Ich habe mich beim Lesen gefragt, ob der Bürgermeister wohl vom Pippi-Langstrumpf-Syndrom befallen ist. Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt (lacht). Vier der fünf aktuellen Schöffenratsmitglieder saßen lange Zeit im Gemeinderat. Einer von ihnen war schon vor dem Wechsel Schöffe. Und die CSV hat ihre Wahlkampagne darauf aufgebaut, dass sich mit ihr alles schnell verändern werde.

Vor diesem Hintergrund will ich einfach mal an Abrisud erinnern. Einer der Punkte, die sie sofort ändern wollten. Bislang sind sie noch keinen Schritt weitergekommen. Ich erinnere an die Sporthalle, die eines der Hauptthemen im Wahlkampf war. Laut dem Bürgermeister soll sie bis 2021 eröffnen. Wie das möglich sein soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht helfen ihm ja die Heinzelmännchen.

Wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Im Wahlkampf wurde groß angekündigt, dass die Sicherheit und Hygiene verbessert werden sollen. Kurz nach Amtsantritt hat der Bürgermeister dann gemeint, in Esch wäre es damit nicht schlimmer als in anderen Gemeinden. Seitdem hört man nichts mehr über dieses Thema.

Im Rahmen der Verbindung zwischen Belval und dem Stadtzentrum hat der Bürgermeister gemeint, er warte noch immer auf die Machbarkeitsstudie der Agora. Er scheint jetzt mitbekommen zu haben, dass manche Projekte nicht so schnell vorangehen, wenn man auf andere Dienste oder den Staat angewiesen ist.

Alle Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen, die jetzt noch umgesetzt werden, wurden von uns geplant. Sie können froh sein, dass sie diese Projekte haben, denn bislang haben sie keine eigenen Ideen ausgearbeitet. Mit Ausnahme eines dubiosen Projekts mit einer privaten Stiftung, die Kinder in der Mittagsstunde beköstigen soll. Wir hatten uns etliches mehr von der neuen Mehrheit erwartet.

Was hatten Sie sich denn konkret erwartet?

Das Projekt zur Neunutzung des «Ciné Ariston» war bereits vor den Wahlen spruchreif. Wir waren uns mit dem Besitzer «Oeuvres paroissiales Sacré-Coeur» sogar über den Preis einig geworden. Jetzt hört man nichts mehr davon. Vielleicht liegt es daran, dass CSV-Rat Christian Weis auch Mitglied der «Oeuvres» ist. Vielleicht geht es um Geld.

Das «Scholesch Eck» wird jetzt abgerissen, doch noch immer ist unklar, was da gebaut werden soll. Die Baumhäuser auf dem Galgenberg müssten längst geöffnet sein, denn die Feriensaison hat begonnen. Auch das wurde verpasst. Wieso wird der Sozialbericht nicht veröffentlicht? All diese Projekte lagen auf dem Tisch und wurden von CSV und DP im Gemeinderat gestimmt. Jetzt herrscht Funkstille.

Woran könnte das denn liegen, dass es mit diesen Projekten nicht vorangeht?

Ich glaube, dass sie am Boden der Realität angekommen sind. Es ist einfach, in der Wahlkampagne etwas zu fordern, doch jetzt merken sie, dass manche Prozesse eben länger dauern. Auch gibt es innerhalb der CSV widersprüchliche Positionen. Die einen wollen aus Belval das Ausgehviertel für Studenten machen, die anderen wollen, dass die Studenten zum Feiern ins Escher Zentrum kommen. Vieles ist konfus und das spiegelt sich in den Gemeinderatssitzungen wider, die chaotisch und unprofessionell organisiert werden. Das Gleiche gilt auch für die beratenden Kommissionen.

Mit der neuen Kirmes und der partizipativen Umfrage zur Aufwertung des Stadtkerns wurden zwei neue Projekte umgesetzt …

Die Idee, die Kirmes auf einem Standort auszurichten, hatten wir auch. Kirmes schön und gut. Das kann aber nicht das einzige neue Projekt für Esch sein.

Das partizipative Projekt gefällt mir gut. Die Fragen und Vorschläge der Bürger sind die gleichen, die schon in den Infoversammlungen geäußert wurden, die wir in den vergangenen Jahren organisiert haben. Nun geht es darum, die Konsequenzen aus den individuellen, teils sehr widersprüchlichen Wünschen der Bürger zu ziehen. Mir ist nur aufgefallen, dass gerade die Leute, die jetzt diese partizipative Kampagne veranstalten, in den Infoversammlungen immer gefehlt haben. Wenn aber jetzt etwas Positives dabei herauskommt, wird die LSAP das natürlich unterstützen. Es geht ja darum, Esch nach vorne zu bringen.

Wie bewerten Sie die rezenten Entwicklungen bei «Esch 2022»?

Heute (Donnerstag, Anm. d. Red.) ist ein schwarzer Tag für Esch, den Süden und das ganze Land. Vorher hatten wir das Problem, dass das Kulturministerium das Projekt nicht unterstützt hat. Seit der Vergabe des Labels hat sich die Politik dann richtig eingemischt. In dem Moment, als das Resultat von der Jury verkündet wurde und Georges Mischo und Pim Knaff vom Kulturministerium zur Seite gerufen wurden, war für mich schon klar, dass es schieflaufen würde. Von dem Zeitpunkt an haben sie versucht, die beiden Koordinatoren loszuwerden. Man sehe nur die öffentlichen Stellungnahmen und das Bashing von Georges Mischo, der ihnen einen Maulkorb verpasst und sie herausgemobbt hat.

Sie haben unsere Kandidatur nie unterstützt, weil sie ihnen zu progressiv war. Sie haben bis heute nicht verstanden, was im Bidbook steht und wieso wir das Label bekommen haben. Sie haben nicht verstanden, dass es ein Vertrag zwischen der Europäischen Kulturhauptstadt und den Gemeinden ist. «Esch 2022» wurde ihnen auf dem Silbertablett serviert und sie haben es voll in den Sand gesetzt.

Laurent
25. Juni 2018 - 9.04

Es herrschte schon unter ihr „Funkstille“ in Esch. Der zweitgrößten Stadt im Land fehlen Visionen und Macher! Uni und Kulturjahr helfen da nicht - etc!