Die schönste italienische Erfindung nach Spaghetti oder die schönste Italienerin Tunesiens – die Frau mit dem fulminanten Namen wurde bereits mit unzähligen Komplimenten überhäuft. Claudia Cardinale, im Maghreb geboren und heute in Frankreich zu Hause, fühlte sich immer als Italienerin – als Süditalienerin wohlgemerkt. Auch das Mittelmeerland schmückt sich gern mit dem „unzähmbaren“ Kino-Star, der sich nach einer aufregenden Filmkarriere als Aktivistin für Frauenrechte engagiert. Am Samstag wird Claudia Cardinale 85 Jahre alt.
„La Cardinale“, wie sie in Italien oft nur genannt wird, blickt auf eine berauschende Karriere und ein bewegtes Leben zurück. Anders als viele Kolleginnen weigert sie sich, den Weg der widerwillig alternden Divas zu gehen: Sie schaffte das Altern in Würde und stellt ihr unverwechselbares Gesicht in all seiner Natürlichkeit mit Falten und Spuren des Lebens stolz zur Schau. Vielen gilt sie bis heute als Ikone und Legende des italienischen und französischen Films, an der sich andere Schauspielerinnen lange messen lassen mussten.
Starke Verbindung zu Tunesien
Der Goldene Löwe der Filmfestspiele von Venedig und der Goldene Bär der Berlinale bezeugen ihr schauspielerisches Schaffen. Im Alter ist es bis auf einige wenige Produktionen ruhig um Cardinale geworden. Ganz ungewohnt sieht man sie dort nicht mehr als Vamp und Sexsymbol, sondern entweder als Matriarchin oder Großmutter. In der Netflix-Produktion „Rogue City“ (2020) und dem anspruchsvollen Drama „The Island of Forgiveness“ (2022), das das Leben eines Tunesiers italienischer Abstammung behandelt, spielte sie zuletzt Nebenrollen.
Cardinale hat eine starke Verbindung zu Tunesien. Sie kam 1938 in Tunis als Tochter sizilianischer Auswanderer zur Welt und wuchs dreisprachig – mit Französisch, Arabisch und dem Sizilianischen – auf. Ihre Kindheit in dem nordafrikanischen Land beschrieb die Filmdiva einmal als „goldenes Zeitalter“ voller „magischer Momente“. In ihrer alten Heimat ist man stolz: La Goulette, ein Vorort Tunis’, in dem Cardinale geboren wurde, benannte 2022 feierlich eine Straße nach ihr – sie war damals höchstpersönlich vor Ort.
Cardinale reüssierte in den Produktionen hoch angesehener Koryphäen des italienischen Films und erlangte mit ihren Rollen internationale Bekanntheit. In Federico Fellinis Filmdrama „8 1/2“ von 1963 taucht sie weiß gekleidet und tänzelnd zwischen Bäumen als Muse auf und landete an der Seite von Marcello Mastroianni einen ihrer ersten Erfolge. Mit Luchino Viscontis „Der Leopard“ (1963) an der Seite Alain Delons und Burt Lancasters sowie als Prinzessin Dala in der Krimi-Komödie „Der rosarote Panther“ (1963) wurde die Italienerin weltbekannt. Insbesondere dank Sergio Leones Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) sicherte sie sich ihren Platz im Dreigestirn der italienischen Filmdiven der 60er- und 70er-Jahre.
Cardinales Name wird in einem Atemzug genannt mit den zwei anderen Ikonen des italienischen Kinos, Sophia Loren und Gina Lollobrigida. Lollobrigida starb im Januar. „Ich bin sehr traurig über den Tod von Gina. Sie war eine Frau, die so voller Energie und Interessen war, dass es nicht so aussah, als könnte sie verschwinden“, sagte Cardinale nur wenige Tage nach dem Tod ihrer früheren Kollegin in einem Interview des Corriere della Sera.
Unabhängig und selbstbestimmt
Sie schätzte stets Freiheit und Unabhängigkeit, im Privaten wie im Beruflichen. Die alten Zeiten waren anders – als junge, hübsche Frau musste sie dafür hart kämpfen. „Die Unzähmbare“ wird sie deswegen oft genannt. Ein Buch über ihr Leben, das ihre Tochter Claudia Squitieri jüngst herausgegeben hatte, heißt genau so. „Claudias Unzähmbarkeit ist ein roter Faden, der sich durch ihr ganzes Leben zieht. Sie findet sich in den Entscheidungen ihres Lebens ebenso wie in ihren Rollen wieder“, schreibt die Tochter, mit der Cardinale zusammen im französischen Fontainebleau wohnt, im Vorwort des Buches. Ihr langjähriger Lebenspartner Pasquale Squitieri nannte sie wegen ihres Temperaments nach Angaben ihrer Tochter „Wind des Südens“.
Die Männer bekamen den unbändigen Charakter zu spüren. Einigen Leinwand-Casanovas, die ihr Avancen machten, zeigte sie die kalte Schulter. Von Marlon Brando bis Alain Delon versuchten es viele, aber sie habe alle abgewiesen, erzählt Cardinale selbst. Selbstbestimmung und das Eintreten für Frauenrechte waren ihr immer wichtig.
Doch beruflich konnte sie lange nicht unabhängig und selbstbestimmt sein. Als junge und unerfahrene Frau war sie von ihrem damaligen Manager in harte und teils erniedrigende Verträge eingebunden worden; sie durfte beispielsweise nicht heiraten oder ihr Gewicht zu stark verändern. Gerade deswegen setzt sie sich nun kämpferischer denn je für die Gleichstellung von Mann und Frau ein.
Anders als manche Kolleginnen von damals unterstützt Cardinale Bewegungen wie #MeToo oder Time’s Up. Ihr Engagement für Frauen sei eine Selbstverständlichkeit. Als junge Frau wurde sie vergewaltigt und schwanger von ihrem Peiniger. Spätestens als Unesco-Botschafterin habe sie das Grauen gesehen, das anderen Frauen angetan wird.
Um „CC“ ist es zwar auf der Leinwand immer ruhiger geworden, doch mehr denn je glänzt sie nun als Kämpferin für Frauenrechte. In einem Interview gab sie jungen Menschen zuletzt einen Rat mit auf den Weg: „Es sind unsichere Zeiten für uns alle. Jungen Menschen, insbesondere Mädchen, gebe ich nur einen Rat: Schützt eure Würde. Immer, jederzeit, unter allen Umständen.“ (dpa)
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können