Wie auf dem Limpertsberg nahm das Publikum bei der ausverkauften Veranstaltung auf der Bühne Platz und blickte Richtung Auditorium. Man wäre geneigt gewesen, nach weiteren (thematischen) Parallelen zu suchen, doch die Lesung stand ganz im Zeichen von Canettis Texten und Striesows Vortragskunst.
Ohne Einleitung oder sonstige Kommentare bot der Schauspieler ein Potpourri aus den Memoiren des deutschsprachigen Autors, aus seinem theoretischen Hauptwerk „Masse und Macht“ und seinen Aphorismen. Striesow trug eine anthropologische Abhandlung über Körperhaltungen vor, für die er Stuhl, Tisch und Wasserglas auch mal beiseiteließ und mehr Körpereinsatz bot.
Er sinnierte mit Canetti darüber, ob es nicht günstig wäre, wenn Menschen ab einem gewissen Alter wieder jünger würden, so dass man es immer nur mit sehr kleinen Päpsten zu tun hätte. Ausführlich wurde die Vorrangstellung des „Meistessers“ in der Gesellschaft und überhaupt die innige Beziehung zwischen Verdauung und Macht diskutiert.
Dazwischen gab es Erinnerungen an die Wiener Zeit des Autors: die urkomische Begegnung mit einer Vermieterin, die Bilder beschnüffelt und abschleckt, oder die nicht weniger skurrile Erscheinung eines hünenhaften U-Boot-Matrosen in einem Grinzinger Beisl, der der Kundschaft nur „Je suis français“ mitzuteilen hat.
Nach einer knappen Stunde ging das unterhaltsame und abwechslungsreiche Nachmittagsprogramm zu Ende. Genauso viel Zeit blieb Devid Striesow zum Durchatmen, bevor er bei Lensing wieder dreieinhalb Stunden auf der Bühne stand.
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