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GeschichteÜber Kreuze, Davidsterne und die Benutzung inkorrekter Begriffe – Gedanken über eine problematische Luxemburger Gedenkstätte

Geschichte / Über Kreuze, Davidsterne und die Benutzung inkorrekter Begriffe – Gedanken über eine problematische Luxemburger Gedenkstätte
Das Deportationsdenkmal am Bahnhof Hollerich mit Kreuzen und Davidsternen und einer Gedenktafel, deren Text die jüdischen Deportierten nicht betrifft Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Am Bahnhof Hollerich wurde im Jahre 1975 auf Initiative der Zwangsrekrutierten ein Monument errichtet, das an die vom Nazi-Okkupanten durchgeführten „zivilen“ und „militärischen“ Deportationen von Luxemburgern erinnern soll. Die Einweihung fand am 5. Oktober 1975 statt. Eine zweite Einweihung fand am 22. Februar 1976 statt. In diesem rückblickenden Beitrag wird sich nun kritisch mit diesen Ereignissen auseinandergesetzt.

Eingangs möchten wir die Benutzung des Begriffs „Deportation“ hinterfragen. In den internationalen Wörterbüchern wird die Bedeutung des Begriffs „Deportation“ mit „Verschleppung“, „Zwangsverschickung“, „Verbannung von Verbrechern, unbequemen politischen Gegnern oder ganzen Volksgruppen“ (Duden) angegeben. Gemäß den konsultierten Quellen werden von Deportation betroffene Personen ihrer Freiheit und Rechte beraubt, in Konzentrationslagern oder gefängnisähnlichen Strukturen interniert und in der Regel für Zwangsarbeit herangezogen.

Das Hollericher Mahnmal erinnert der Gedenktafel zufolge an 2.906 zu Tode gekommene Zwangsrekrutierte und an 65 „deportierte Patrioten“. Bei Letzteren handelt es sich um Personen, die während der Umsiedlung gestorben sind.1) Die Gesamtzahl der zwangsrekrutierten Opfer von 2.906 setzt sich wie folgt zusammen: 2.848 Männer (Wehrmacht und Reichsarbeitsdienst) und 58 Frauen (Reichsarbeitsdienst und Kriegshilfsdienst).2) Die nach Osten deportierten und dort ermordeten Juden und Jüdinnen, die vor dem deutschen Einmarsch in Luxemburg lebten, sowie die in Konzentrationslager verschleppten und dort ermordeten oder zu Tode gekommenen Resistenzler werden nicht erwähnt.

Für den Verfasser können weder die Zwangsrekrutierten noch die Umgesiedelten gemäß der allgemein anerkannten Definitionen als Deportierte gelten. Was auch immer das Leid dieser Menschen und ihrer Familien gewesen sein mag, so wurden sie weder entrechtet3) noch wie Verbrecher behandelt. Und trotzdem erhält das Hollericher Denkmal bei seiner Einweihung im Jahre 1975 die Bezeichnung „Nationaldenkmal der zivilen und militärischen Deportation“.4)

Auch heute noch gilt dieses Monument als nationales Deportationsmahnmal, das am nationalen Gedenktag im Oktober Teil des offiziellen Programms der Gedenkstätten ist, an denen der Opfer des Zweiten Weltkriegs gedacht wird. Nachfolgend wird über die Entstehungsgeschichte dieses Monuments berichtet und es wird der Frage nachgegangen, wieso heute auf der rechten Seite drei Davidsterne angebracht sind, obwohl die Shoah-Opfer weder auf der Gedenktafel erwähnt werden, noch vom Bahnhof Hollerich deportiert wurden.

Eine Initiative der Zwangsrekrutierten

In der Zeitschrift „Les Sacrifiés“ der Zwangsrekrutierten-Föderation von August/September 1975 erfährt man, dass anlässlich der Generalversammlung der Sektion „Letzebuerg“ am 11. April 1975 deren Vorstand damit beauftragt wurde, am Bahnhof Hollerich ein Monument zu errichten. Es wird betont, dass vom Hollericher Bahnhof nicht nur Zwangsrekrutierte „verschleppt“ wurden, sondern auch noch andere Luxemburger „von dort ihren Weg ins Ungewisse“ haben antreten müssen. Deshalb sei es „eine Selbstverständlichkeit, dass das neue Monument allen Opfern der ‚déportation civile et militaire‘ gewidmet sein sollte“.5)

Nachdem die Sektion Lëtzebuerg Zusicherungen seitens der Stadt Luxemburg und der Eisenbahngesellschaft CFL erhalten hatte, in Hollerich ein Monument errichten zu dürfen, sicherte sie sich die Zusammenarbeit mit der „Entente“ der Hollericher Vereine und gemeinsam bildeten sie ein paritätisch besetztes Organisationskomitee.

Des Weiteren erfährt man, dass die Vorbereitungsarbeiten in „Rekordzeit“ abgeschlossen wurden und der Künstler Lé Tanson damit beauftragt wurde, ein Modell für das Denkmal zu konzipieren. Nachdem das Modell angenommen worden war, wurde das Monument bei der Firma Gelhausen in Auftrag gegeben. Das Werk soll 200.000 Franken gekostet haben und integral durch Spenden finanziert worden sein. Weder der Staat noch die hauptstädtische Gemeindeverwaltung soll sich an der Finanzierung beteiligt haben.

Einweihung des „Nationaldenkmals der zivilen und militärischen Deportation“ am 5. Oktober 1975 ohne Davidsterne
Einweihung des „Nationaldenkmals der zivilen und militärischen Deportation“ am 5. Oktober 1975 ohne Davidsterne Quelle: BNL – Fonds luxembourgeois (Les Sacrifiés, N° 11, 1975, S. 11)

In der zitierten „Sacrifiés“-Nummer erfährt man auch etwas über das Konzept des Monuments und seine Symbolik. Es sei festgelegt worden, das Monument sollte aus drei Steinblöcken bestehen, die im Halbkreis angelegt werden, wobei die stehenden Blöcke aus Martelinger Schiefer und der davor liegende Block aus Ernzener Sandstein sein sollte. Der größere Schieferblock symbolisiere die Heimkehrer aus der „militärischen und zivilen Deportation“, der kleinere Schieferblock die immer weiter abnehmende Zahl der Heimkehrer und der liegende Block die Umgekommenen. Auf der mitveröffentlichten Skizze ist auf dem Hauptsein eine Gedenktafel mit darunter drei Kreuzen zu sehen.

Die Einweihung wurde auf Sonntag, den 5. Oktober 1975 festgelegt, weil in diesem Zeitraum die ersten Luxemburger umgesiedelt wurden und „die ersten 1.800 Letzeburger Jongen in die preußische Armee verschleppt wurden“, kann man in „Les Sacrifiés“ op. cit. lesen.

In der „Sacrifiés“-Nummer 11/1975 wird über die Einweihung des Monuments auf den Seiten 7-11 ausführlich berichtet und auf Seite 11 wird ein Foto veröffentlicht, auf dem klar zu erkennen ist, dass am Tag der Einweihung nicht auf dem stehenden Hauptblock drei Kreuze angebracht waren, sondern auf der linken Seite des liegenden Blocks (s. Abb.). Die Köpfe der in den Stein eingravierten liegenden menschlichen Formen sind in Richtung Kreuze orientiert.

Die Ansprache des Präsidenten der hauptstädtischen Sektion der Zwangsrekrutierten, André Frisch, macht deutlich, für wen dieses Denkmal steht. Er sprach (aus dem Luxemburgischen): „Hier stehen wir nun vor diesem Monument, das schon lange hier stehen müsste. An diesem Ort, wo das Unglück (Misär) für 15.000 ‚Jongen a Meedercher‘ begann, die, verlassen von der ganzen Welt, ihr Kreuz auf sich nehmen mussten, um ihre Familien – und ihr Land vor der größten Katastrophe zu retten. An diesem Ort, wo das Leid für 5.000 Deportierte – Männer, Frauen und Kinder, die in die Umsiedlung verschleppt wurden, weil unsere Schergen sie als Opfer aussuchten, um die Revolte im Land niederzuschlagen. Und so sind 20.000 Luxemburger in die Deportation gegangen, weil es für sie keine andere Lösung gab. […] 3.000 sind nicht zurückgekommen“.6)

Wenn man noch nach einem Beweis suchen wollte, dass die Jüdinnen und Juden Luxemburgs, die tatsächlichen Deportierten und tatsächlichen hiesigen Opfer des Nationalsozialismus, in der Nachkriegs-Meistererzählung auch noch im Jahre 1975 inexistent waren, hier wird er geliefert.

Am Tag der Einweihung wurde übrigens auch noch die rue de Sedan, auf Luxemburgisch „Prenzewé“, in „rue de la Déportation“ umbenannt.

Die Spendensuche für die Finanzierung des Denkmals ging noch in den Monaten nach der Einweihung weiter und diesbezügliche Aufrufe wurden regelmäßig in der Tagespresse veröffentlicht.

Davidsterne werden beigefügt

Am 23. Februar 1976 erscheint im Luxemburger Wort ein Artikel auf Seite 5 mit dem Titel „Davidstern am Nationaldenkmal der zivilen und militärischen Deportation enthüllt“. In diesem Artikel erfährt man, dass am Vortag die Enthüllung des Sechststerns, „der von den Juden als Glaubenssymbol verwandt wird und seit 1897 als nationales Symbol des Judentums gilt“, stattgefunden hat.

Die feierliche Enthüllung wurde vom damaligen Vorsitzenden des Israelitischen Konsistoriums, Edmond Israel, vorgenommen. Im erwähnten Wort-Artikel wird betont, dass „angesichts der Tatsache, dass im Verlauf des Zweiten Weltkrieges ein hoher Tribut von der israelitischen Gemeinde in Luxemburg gefordert wurde, […] ihr Wunsch, neben der Kreuzgruppe auch den Davidstern auf dem Erinnerungsdenkmal anzubringen, durchaus verständlich war“.

Für Luxemburger, die aus politischen Gründen in den Osten des Deutschen Reiches zwangsumgesiedelt wurden, begann die „Reise“ am Bahnhof Hollerich
Für Luxemburger, die aus politischen Gründen in den Osten des Deutschen Reiches zwangsumgesiedelt wurden, begann die „Reise“ am Bahnhof Hollerich Quelle: Yad Vashem Photo Archives Nr. 1567/40

Es wird also hier deutlich, dass die Juden und Jüdinnen Luxemburgs als eine Art fremdes, nicht dazugehörendes Element von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen wurde, das nun darum bat, auch zu den Opfern der NS-Besatzungsmacht gehören zu dürfen.

Da zum Zeitpunkt der Einweihung „des Davidsterns“ bereits bekannt war, dass die jüdischen Deportierten nicht vom Bahnhof Hollerich in die Ghettos und Vernichtungslager nach Osten abtransportiert worden waren7), und angesichts der bis heute gültigen Tatsache, dass die Gedenktafel am Hollericher Denkmal die jüdischen Opfer gar nicht betrifft, ist die Einstellung des Konsistoriums aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar.

Diesem Schritt des nachträglichen „Anklebens“ der Davidsterne am Denkmal der Zwangsrekrutierten und Umgesiedelten war bereits eine Spende seitens des Konsistoriums vorausgegangen. So wird im Luxemburger Wort am 11. November 1975 auf Seite 6 berichtet, das Konsistorium sei durch eine Spende von 3.000 Franken dem „Comité de Patronage“ des „Monument de la Déportation, Gare de Hollerich“ beigetreten.

Da bis zur Einweihung des Hollericher Monuments die jüdischen NS-Opfer in der luxemburgischen Nachkriegserzählung völlig vergessen worden waren, muss man den Wunsch der jüdischen Gemeinde, sich symbolisch an einem Mahnmal, das nicht das ihrige war und bis heute nicht ist, als einen Akt des kleineren Übels würdigen.

Vom Monument zum Mémorial

In der „Sacrifiés“-Nummer 12/1979 wird auf Seite 14 berichtet, die Eisenbahnverwaltung habe im Einvernehmen mit dem Transportministerium das Gelände und die Gebäulichkeiten des alten Hollericher Bahnhofs zum symbolischen Franken an die Zwangsrekrutierten-Föderation abgetreten. Dadurch wurde das Gebäude vor dem Abriss gerettet. Hier sollte nun ein „Nationalmuseum der zivilen und militärischen Deportation“ realisiert werden. Zu diesem Ausbau der Deportations-Gedenkstätte sollte es aber erst Mitte der 1990er Jahre kommen.

Am 29. Mai 1996 wurde das „Mémorial de la Déportation“ am Bahnhof Hollerich als eine Art Museum der Deportation feierlich eingeweiht. In der „Sacrifiés“-Nummer 4/1996 wird ausführlich über die Eröffnung berichtet und im Leitartikel immer noch behauptet, auch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus habe „die Fahrt ins Ungewisse“ am Hollericher Bahnhof begonnen.

Das Mémorial wurde schließlich schlicht „Mémorial de la Déportation“ genannt. Die im renovierten Bahnhofsgebäude installierte Dauerausstellung versucht, ebenfalls die Deportation der jüdischen Bevölkerung zu beleuchten, wenn auch mit einigen Ungenauigkeiten.

An der Rückseite des Bahnhofsgebäudes wurde eine Gedenktafel angebracht, die den Namen „Quai des Déportés“ trägt und an 87 Transporte von „politischen Deportierten“ erinnert, die in der Periode vom 17.9.1942 bis 31.8.1944 von dort abgingen. Mit „déportés politiques“ sind die Umgesiedelten gemeint.

Zwei Jahre nach der Einweihung des Memorials wurde unter der Bezeichnung „Fondation du Mémorial de la Déportation“ am 8. Juni 1998 eine Stiftung gegründet, u. a. mit dem Zweck, die Aktivitäten des Deportationsmemorials zu finanzieren und zu verwalten.8)

Zu den Umgesiedelten

Bei der Umsiedlung handelte es sich „nicht um eine Gefangenschaft, sondern um ein Absiedeln, d. h. um ein gezwungenes Verlassen der Heimat durch Familien, die nicht in das damalige (politische) Idealbild der Besatzer passte“.9)

Diese Familien sollten im Osten im Rahmen des „Generalplans Ost“ neu angesiedelt werden. Sie wurden vor allem in Schlesien in „Umsiedlungslagern“10) – es handelte sich dabei meist um historische Gebäude – untergebracht, um zu geeignetem Zeitpunkt Teil der Besiedlung des eroberten „Lebensraums“ im Osten durch „Deutschblütige“ zu werden.

Die geplante „Umvolkung“ im Osten sollte im Distrikt Lublin, vor allem im Raum Zamość, erprobt werden, nachdem von dort zunächst die Juden aus ihren Häusern getrieben und im Rahmen der Aktion Reinhard11) ermordet wurden. Nach den Juden wurden die Polen ausgesiedelt12) und in andere Gebiete verschleppt, um Platz für die in Lager lebenden „Volksdeutschen“ aus Bessarabien, Rumänien, dem Baltikum, Slowenien, usw. zu machen. Auch umgesiedelte Luxemburger, Lothringer und Flamen waren für die Besiedlung des Distrikts Lublin vorgesehen.13)

Gedenktafel am Deportationsdenkmal ohne Erwähnung der deportierten Juden und Resistenzler
Gedenktafel am Deportationsdenkmal ohne Erwähnung der deportierten Juden und Resistenzler Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Bei der Umsetzung der Volkstumspolitik im Distrikt Lublin spielte die deutsche Polizei eine wesentliche Rolle, zunächst bei der Vernichtung der Juden, anschließend bei der brutalen Vertreibung der Polen und schließlich bei der Sicherung der von „Volksdeutschen“ besiedelten Ortschaften. Bei diesen „Großeinsätzen“ im „Umsiedlungsraum“ Zamość war auch das Reserve-Polizeibataillon 101, in dem 14 Luxemburger dienten, unter seiner offiziellen Bezeichnung III./Pol. 25 im Einsatz.14)

Für die abgesiedelten Luxemburger kam es allerdings bis zu Kriegsende nicht zu einer tatsächlichen Neuansiedlung im Osten, obwohl sie geplant war. Diesbezüglich gibt es im November 1942 eine Korrespondenz zwischen dem Höheren SS- und Polizeiführer in Krakau, Friedrich Krüger, und dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler. Krüger schreibt am 9. November 1942:

„Reichsführer! Gruppenführer Globocnik teilt mir mit, dass von den dreihundert im Distrikt Lublin anzusiedelnden Luxemburger Familien nach Überprüfung des Karteimaterials 133 Familien auf der Karteikarte den Vermerk „ist infolge deutschfeindlicher Haltung im Grenzgebiet untragbar“ tragen. […] 2 Familien wegen Spionageverdacht verhaftet. Da gegen die Ansiedlung dieser Familien […] stärkste Bedenken bestehen, bitte ich um grundsätzliche Entscheidung, bevor Ansiedlung durchgeführt wird. Krüger“.15)

Nachfolgend wird Himmlers Antwort vom 11. November 1942 integral im Fernschreibestil, also mit nur kleinen Buchstaben, abgedruckt:

„lieber krueger, ueber dein fernschreiben vom 9.11.42 kann ich mich nur wundern. dass die aus luxemburg und lothringen ausgesiedelten familien nicht ueberzeugt grossgermanische politiker sind, ist klar. sie sind jedoch rassisch gut, sind deutschen blutes, verschiedentlich gesinnungsmaessig in der vergangenen generation verdorben. im osten werden sie, das ist die ueberzeugung des fuehrers, mit den polen nicht fraternisieren koennen, da der kulturabstand ein zu hoher ist. die ansiedlung ist durchzufuehren. Die beiden familien sind in ein kz. zu ueberfuehren. gez.: h. himmler.“16)

Die Luxemburger Umgesiedelten genossen also auf Führungsebene des NS-Staates großes Ansehen, auch dann noch, wenn sie wegen deutschfeindlicher Haltung aus dem luxemburgischen Grenzgebiet entfernt wurden. Sie können auf keinen Fall mit den zuvor völlig entrechteten, entmenschlichten und für die „Ausrottung“ bestimmten jüdischen Deportierten gleichgestellt werden. Und sie können auch nicht auf die gleiche Ebene gestellt werden wie Luxemburger Resistenzler, die in deutschen KZs eingesperrt waren und die dort herrschenden grausamen Haftbedingungen erdulden mussten.

Gilles Kartheiser stellt in seiner Studie op. cit. abschließend fest, dass obwohl die Umsiedlung bei den betroffenen Personen „tiefe seelische Spuren hinterließ“, diese trotz aller Einschränkungen aber „relativ frei“ waren; dass sie weder „zu Tode gequält wurden“ noch „hungern“ mussten und dass sie nicht „ohne jegliche Rechte“ blieben.17)

Schluss

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass die Hollericher Deportationsgedenkstätte, insbesondere das Mahnmal, eine unglückliche Fehlplanung ist. Weder die dort erwähnten umgekommenen Zwangsrekrutierten noch die gestorbenen Umgesiedelten waren Deportierte im wahrsten Sinne des Wortes. Beide Gruppen wurden vom NS-Staat weder entrechtet noch wie Sklaven, Verbrecher oder Feinde behandelt. Die tatsächlichen Deportierten aus Luxemburg sind auf dem Denkmal nicht erwähnt. Zweck dieses Beitrags war es, die hier beschriebenen Tatsachen offenzulegen, aber nicht, irgendwelche Änderungsempfehlungen auszusprechen.


1) Gilles Kartheiser gibt in seinem Buch „Die Umsiedlung Luxemburger Familien 1942-1945“, Saarbrücken 2013, auf S. 176 die Zahl 78 an (Gesamtzahl der Umgesiedelten: 4.165; in der Umsiedlung gestorben: 78, davon 5 Neugeborene; Geburten: 39)

2) E-Mail-Mitteilung von André Hohengarten vom 20.3.2023

3) Mit der Einschränkung, dass der Besitz der Umgesiedelten beschlagnahmt wurde, da eine Rückkehr nach Luxemburg nicht vorgesehen war.

4) Les Sacrifiés, Bulletin mensuel de la Fédération des Victimes du Nazisme, Enrôlés de Force, Nr. 11/1975, S. 7

5) Der diesbezügliche Artikel ist in luxemburgischer Sprache verfasst. Die zitierten Auszüge wurden vom Verfasser auf Deutsch übersetzt.

6) Les Sacrifiés, Nr. 11/75, S. 9-10. Einsehbar unter diesem Link: https://bit.ly/41lmgYI. Es lohnt sich, auch den Rest der Rede zu lesen.

7) Cerf, Paul, Longtemps j’aurai mémoire, Luxemburg 1974. Aus den von Cerf veröffentlichten Archivdokumenten geht eindeutig hervor, dass das Leid der Juden Luxemburgs nicht am Bahnhof Hollerich, sondern am Hauptbahnhof oder in Fünfbrunnen bei Ulflingen begann.

8) Mémorial C – N° 832, 14 novembre 1998, pp. 39906-39909

9) Kartheiser, S. 9

10) Nicht zu verwechseln mit KZs oder Vernichtungslagern

11) Aktion Reinhard: Ermordung von ca. 2 Millionen Juden im besetzten Polen (Generalgouvernement). Himmler hatte den SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Odilo Globocnik, mit der Ausführung dieses Massenverbrechens betraut.

12) Die nicht-jüdischen Polen wurden in 4 „Wertungsgruppen“ eingeteilt: I u. II: Rassisch wertvoll; ausgesondert f. „Eindeutschung bzw. Feinmusterung“; III: Für Zwangsarbeit insb. im Reich vorgesehen; IV. Rassisch schlecht; f. Vernichtung durch Arbeit u. Hunger vorgesehen. Der „arbeitsunfähige Anhang“ von III u. IV wurde in sog. „Rentendörfern“ konzentriert. Quelle: Madajcyk (s. Anm. 13)

13) Schreiben von O. Globocnik op. cit. an den Höheren SS- und Polizeiführer Ost, F. W. Krüger, v. 21.10.1942, In: Madajczyk, Czesław, Zamojszczyzna – Sonderlaboratorium SS, Band 1, Warschau 1977, S. 141-144

14) Madajczyk, S. 402-403, 410

15) Madajczyk, S. 163

16) Ebd. S. 165

17) Kartheiser, S. 175-176