Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag, den geldpolitischen Schlüsselsatz von 0,0 Prozent beizubehalten. Zugleich müssen Banken weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten. Dieser sogenannte Einlagesatz bleibt bei minus 0,5 Prozent.
Europas Währungshüter bekräftigten zugleich aber, auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zuzusteuern. Man sei bereit, „alle seine Instrumente“ bei Bedarf anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Inflation mittelfristig bei dem Zielwert von 2,0 Prozent stabilisiert. Aktuelle Daten verstärkten die Erwartung, dass der Erwerb zusätzlicher Anleihen von Staaten und Unternehmen im Rahmen des Kaufprogramms APP im dritten Quartal 2022 enden sollte, erklärte die Notenbank. Bis dahin will die Notenbank weiter zusätzliches Geld ins System pumpen.
Die Währungshüter haben sich darauf festgelegt, erst nach dem Ende der Nettokäufe die Zinsen zu erhöhen. „Dabei werden wir graduell vorgehen», teilten die Währungshüter weiter mit. Im Juni will die EZB auf der „Basis frischer Daten“ über die künftige Geldpolitik entscheiden. Der Euro fiel nach dem Zinsentscheid auf 1,0888 Dollar von zuvor 1,0915 Dollar.
Wie der künftige Leitzinserhöhungspfad konkret aussehen werde, bleibe weiter offen, sagte Ökonom Alexander Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe. „Nach wie vor sieht es nicht danach aus, dass die EZB zu einer ernsten Inflationsbekämpfung übergehen wird.“ Wegen rezessiver Tendenzen und Rücksicht auf hohe Staatsschulden stehe lediglich „Leitzinskosmetik“ bevor.
Zuletzt war die Teuerung im Euroraum mit 7,5 Prozent weit über die angestrebten zwei Prozent hinausgeschossen. Auch hierzulande lag die Geldentwertungsrate zuletzt, in den Monaten Februar und März, bei über 6 Prozent. Zusammen mit dem Zinssatz auf Sparguthaben, der mittlerweile auf ein Rekordtief gefallen ist, bedeutet diese Entwicklung für Sparer einen deutlichen Verlust an Kaufkraft.
Preisstabilität müsste das vorrangige Ziel sein
„Leider hat die EZB heute trotz einer Inflationsrate von 7,5 Prozent nicht beschlossen, ihre Nettoanleihekäufe und Minus-Zinsen früher zu beenden“, so Jörg Krämer von der Commerzbank. „Dieses Abwarten ist riskant. Je länger die EZB an ihrer sehr lockeren Geldpolitik festhält, desto mehr steigen die Inflationserwartungen der Menschen und setzt sich die sehr hohe Inflation dauerhaft fest. Die EZB sollte ihren Leitzins zügig in Richtung auf ein zumindest neutrales Niveau anheben, das bei rund zweieinhalb Prozent liegen dürfte.“ Die US-Notenbank Fed hat bereits mit der ersten Zinserhöhung seit Jahren auf die hohe Inflation reagiert, und will noch kräftig nachlegen.
Der Leitzins im Währungsraum der 19 Länder liegt seit nunmehr rund sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken, die Gelder bei der EZB parken, müssen darauf seit Juni 2014 Zinsen zahlen, aktuell liegt dieser Einlagenzins bei minus 0,5 Prozent. Freibeträge für bestimmte Summen sollen die Institute bei den Kosten dafür entlasten. Im Rahmen des seit 2015 genutzten Programms APP steckte die EZB schon mehr als drei Billionen Euro in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere.
Europas Notenbank sieht sich nun vor einem Dilemma: Erhöht sie die Zinsen zu schnell oder zu kräftig, besteht die Gefahr, dass die Konjunktur abgewürgt wird. Reagieren die Währungshüter zu spät, müssten die Zinsen womöglich umso schneller oder höher steigen.
Dieser Überlegung stimmt jedoch nicht jeder zu: „Man kann den Mitgliedern des EZB-Rats in dieser Situation nur empfehlen, in die europäischen Verträge zu schauen. Hier findet sich eine klare Antwort, wie die EZB in einer solchen Situation zu entscheiden hat: Die Preisstabilität ist das vorrangige Ziel, diesem sind andere Ziele untergeordnet. Das angebliche Dilemma existiert nicht, wenn die EZB ihren Auftrag ernst nimmt“, bemerkt Friedrich Heinemann vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Eine Serie von massiven Inflations-Fehlprognosen der EZB-Ökonominnen und Ökonomen nähre zudem den Verdacht, dass „die Bewertung der Inflationsdynamik vom Wunsch nach einer fortdauernden Niedrigzinspolitik getrieben wird“.
Der Zusammenbruch des globalisierten Turbokapitalismus ist nicht aufzuhalten!