Tour de France 2019: Jakob Fuglsangs Traum vom Sieg

Tour de France 2019: Jakob Fuglsangs Traum vom Sieg

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Unser Radsportexperte Petz Lahure schreibt zweimal wöchentlich von der Tour de France.

Da wären wir also vor dem Start der 106. Tour de France, der 94., bei der täglich ein „Maillot jaune“ an den Gesamtführenden verliehen wird. Die Tour, die 1903 von Henri Desgrange, dem Direktor von L’Auto , gegründet wurde, feiert in diesem Jahr den runden Geburtstag des Gelben Trikots.

1919, gleich nach dem Ersten Weltkrieg, wurde Eugène Christophe – der Fahrer, der sechs Jahre zuvor seine gebrochene Radgabel in der legendären Schmiede von Sainte-Marie-de-Campan repariert hatte – als Erster damit belohnt. Seither haben 256 Radcracks das besondere Leibchen übergestreift, darunter auch neun Luxemburger.

Auf einen zehnten Träger aus dem Großherzogtum muss das „Maillot jaune“ vorerst warten, denn bei der diesjährigen Tour de France ist erstmals seit dem Jubiläumsjahr 2003 (100 Jahre Tour de France) kein FSCL-Lizenzierter am Start. Bob Jungels, der am ehesten als Nachfolger des letzten Trägers Andy Schleck (2011) in Frage kommt, zog der Tour in diesem Jahr den Giro vor, während die andern Luxemburger Profis entweder verletzt sind oder von ihren Teams für spätere Aufgaben in den Sommermonaten nominiert wurden.

Begeisterung

Aber auch ohne einheimischen Fahrer schwindet das Interesse an der Tour de France im Großherzogtum kaum. Seit jeher blickt die große Luxemburger Sportfamilie weit über den Tellerrand hinaus und in der Vergangenheit reagierte das Land immer wieder euphorisch, wenn ein Akteur, der auch nur im entferntesten Sinne etwas mit Luxemburg am Hut hatte, Großes im Sport leistete. Als beispielsweise Bjarne Riis im Jahr 1995 zum zweiten Mal nach 1993 Fünfter der Tour de France wurde, machte die Bevölkerung aus ihm einen halben Luxemburger, nur weil er mit seiner damaligen Frau Mette in Steinsel wohnte, und als er ein Jahr später die Frankreich-Rundfahrt gewann, hätte man ihm am liebsten vor dem Rathaus ein Denkmal errichtet.

Eine ähnliche Begeisterungswelle für einen Dänen ist dieses Jahr in Luxemburg erneut möglich, denn um die Mittagsstunde geht vor der place Royale von Brüssel der 34-jährige Jakob Fuglsang (geb. am 22.3.1985 in Genf) als Mitfavorit an den Start der Tour. Er ist einer von etwas mehr als einem halben Dutzend Konkurrenten, die in Abwesenheit des Niederländers Tom Dumoulin und des Engländers Chris Froome (beide 2018 auf dem Podium und verletzt) sowie des Slowenen Primoz Roglic (4. im letzten Jahr, Vorzug Giro) dem Gewinner von 2018, Geraint Thomas, am Zeug flicken wollen. Dem englischen Titelverteidiger droht auch Gefahr von seinem erst 22-jährigen kolumbianischen Teamgefährten Egan Bernal, dessen Landsmann Nairo Quintana, den beiden Franzosen Romain Bardet und Thibaut Pinot, dem Spanier Mikel Landa, dem Niederländer Steven Kruijswijk, dem Australier Richie Porte sowie eventuell den britischen Gebrüdern Adam und Simon Yates.

Von allen Fahrern weist Jakob Fuglsang 2019 das schönste „Palmarès“ auf. Er gewann die Andalusien-Rundfahrt, Liège-Bastogne-Liège und das Critérium du Dauphiné Libéré, war Zweiter bei den Strade Bianche und der Flèche Wallonne sowie Dritter bei Tirreno-Adriatico und dem Amstel Gold Race. An 33 Renntagen kurbelte Fuglsang 5.087 km herunter, mit 1.662 Punkten führt er die Weltrangliste an. Er bestreitet seine neunte Tour, siebenmal kam er ins Ziel, wobei er 2013 mit einem siebten Rang sein bisher bestes Ergebnis erzielte.

Der Däne, der vor zehn Jahren von der zweitklassigen Mannschaft Designa Kokken zum Saxo-Bank-Team wechselte, dem auch die Gebrüder Frank und Andy Schleck angehörten, machte das Experiment Leopard-Trek (2011) und RadioShack-Nissan (2012) mit, transferierte 2013 aber zu Astana, wo er anfangs Edelhelfer des Italieners Vincenzo Nibali war, ehe er 2017 zum Mannschaftsleader avancierte.

Erfahrung

Mit Luxemburg ist Jakob Fuglsang vor allem durch seine Frau Loulou Schinker verbunden, die er am 1. Oktober 2015 heiratete und die ihm Tochter Jamie Lou schenkte. Er spricht fließend Luxemburgisch und macht sich eine Ehre daraus, Interviews in unserer Sprache zu beantworten, was ihm seit seinem Erfolg bei Liège-Bastogne-Liège viele Sympathien im Großherzogtum einbrachte. „Sollte Fuglsang die Tour gewinnen, wäre es ein halber Sieg auch für Luxemburg“, meinte am Rande der Tour-Pressekonferenz ein dänischer Journalistenkollege dem Tageblatt gegenüber.

„Ich peile einen Platz auf dem Podium an“, sagte der Astana-Leader, „aber ein Sieg wäre natürlich das Größte. Auf den ersten Blick scheint Ineos mit dem Duo Geraint Thomas-Egan Bernal die stärkste Mannschaft zu haben, aber ich vertraue auf meine Erfahrung. Mit den Jahren und der wiederholten Teilnahme an der Tour lernt man ständig hinzu. Man weiß, wie man sich am besten vorbereitet, was wichtig ist und was nicht. Vieles kann eine Rolle spielen. Alles ist möglich. Ich versuche, mir meinen Traum zu erfüllen. Im Laufe der letzten Woche haben wir die drei letzten Etappen in Augenschein genommen. Die Anstiege sind sehr schwer und lang. Aber warum könnte die Vorentscheidung nicht schon früher fallen?“

Ganz Luxemburg drückt die Daumen und wünscht „vill Gléck“. Oder wie die Dänen sagen: „Held og lykke!“

Grober J-P.
6. Juli 2019 - 13.30

Wenn das geklappt hätte mit der Tour du renouveau vor 20 Jahren, hätte Jakob heute eine Chance.