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Nach Tod von Elizabeth II.Tote Queen nach Edinburgh überführt – Prinzliche Versöhnungsgeste und politischer Protest aus Schottland

Nach Tod von Elizabeth II. / Tote Queen nach Edinburgh überführt – Prinzliche Versöhnungsgeste und politischer Protest aus Schottland
Ein Land trauert weiter um seine Monarchin. Allerdings werden auch Kritiker wach.  Foto: AFP

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In der warmen September-Sonne hat Queen Elizabeth II. am Sonntag zum letzten Mal ihr geliebtes Sommerschloss Balmoral verlassen. In einer sechsstündigen Fahrt quer durch Schottland wurden die sterblichen Überreste der am Donnerstag 96-jährig verstorbenen Monarchin in die Hauptstadt Edinburgh gebracht.

Dort begleiten der neue König Charles III. und seine Geschwister am Montag die tote Mutter zur öffentlichen Aufbahrung in der St.-Giles-Kathedrale. In London sorgte der royale Trauerfall am Samstagabend für eine öffentliche Versöhnung der entfremdeten Prinzen William und Harry. Gemeinsam mit ihren Gattinnen Kate und Meghan sprachen die jungen Royals in Windsor mit Trauernden.

„In Trauer wiedervereinigt“, schrieb der königstreue Sunday Telegraph, „vereint für die Großmutter“ titelte der Daily Mirror. Deutlich skeptischer berichtete die Sunday Times von einem „unbehaglichen Waffenstillstand der streitenden Windsors“; dem gemeinsamen Auftritt seien „ausführliche Verhandlungen“ vorausgegangen.

In seiner Fernsehansprache am Freitagabend hatte Charles III. nicht nur wie erwartet seinen älteren Sohn und dessen Frau zum Prinzenpaar von Wales ernannt; damit trägt William den seit vielen Jahrhunderten üblichen Titel des Thronfolgers. Ausdrücklich sprach der König auch von seiner „Liebe“ für Harry und Meghan, deren Umzug nach Kalifornien samt offenherzigen Interviews im Königshaus zuletzt für Unruhe gesorgt hatten. Das Herzogspaar von Sussex war wegen lang geplanter Termine ohnehin in England, als sich vergangene Woche der Gesundheitszustand der Queen rapide verschlechterte. Harry kam am Donnerstag allerdings zu spät nach Balmoral, um die geliebte Großmutter noch lebend anzutreffen.

Der Sarg der verstorbenen Monarchin wurde am Sonntag nach Edinburg überführt
Der Sarg der verstorbenen Monarchin wurde am Sonntag nach Edinburg überführt Foto: AFP

Am Sonntag verließ der Leichenwagen, begleitet von Elizabeths Tochter Prinzessin Anne sowie deren Mann Tim Laurence, gegen 10 Uhr vormittags das königliche Anwesen – ein „trauriger und ergreifender Moment“, wie die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon schrieb. Elizabeths Sarg war in die königliche Standarte gehüllt und mit einem Kranz aus Dahlien, Heidekraut und Gartenwicke geschmückt. Tausende von Menschen säumten den 280 Kilometer langen Weg, für den die Fahrzeugkolonne mehr als sechs Stunden brauchte. Bauern in der Grafschaft Aberdeen hatten Dutzende von Traktoren zu einer Art Ehrengarde am Rand der Straße zusammengestellt. Schaulustige warteten teilweise stundenlang geduldig auf den kurzen Moment des Vorbeifahrens.

Über Nacht ruhte der Sarg im Edinburgher Palast Holyroodhouse, ehe am Montag die feierliche Prozession zur Kathedrale folgt, angeführt vom neuen König. Charles III. war am Samstag in einer live übertragenen Zeremonie des Akklamationsrates im Londoner Palast von St. James als neuer Monarch bestätigt worden. Im Gegenzug verpflichtete sich der 73-Jährige „den mir verbleibenden Rest meines Lebens“ der Aufrechterhaltung einer verfassungskonformen Herrschaft zu widmen. Öffentlichen Proklamationen in London folgten am Sonntag ähnliche Zeremonien in Belfast, Cardiff und Edinburgh, den Hauptstädten der drei anderen Teile des Vereinigten Königreiches, Nordirland, Wales und Schottland.

Ein unabhängiges Schottland?

Erstmals deutlich wurde am Sonntag auch, dass die Briten keineswegs mit „einstimmiger Zustimmung von Zunge und Herzen“, wie es in der Proklamation in elegantem, aber veraltetem Englisch heißt, ihren neuen König annehmen. Am klarsten trat dies in Edinburgh zutage. Der Generalsekretär der durch zwei Abgeordnete im Unterhaus vertretenen schottischen Alba-Party teilte mit, in einem zukünftig unabhängigen Schottland gebe es „keine Duldung“ für die „Absurdität“ eines Königs als Staatsoberhaupt.

Bei der öffentlichen Proklamation in der schottischen Hauptstadt gab es vereinzelte Buhs und Protestrufe gegen die „Verschwendung“ der Monarchie. Dieser immerhin interessante Dissens von der überwältigend großen monarchistischen Begeisterung der Mehrheit, auch in Schottland, kam in der laufenden BBC-Berichterstattung mit keinem Wort vor. Insidern zufolge ist Redakteuren des öffentlich-rechtlichen Senders bei den regelmäßigen Proben für „Traueranlässe der Kategorie A“ gesagt worden, sie sollten „für einen Tag vergessen, dass Ihr Journalisten seid“.

Ein peinlicher Fauxpas unterlief am Samstag dem normalerweise exzellenten Nachrichtensender Sky News: Dort rechnete die Moderatorin den Gedenkmarsch für einen jungen schwarzen Rapper jenen Trauernden zu, die auf dem Weg zum Buckingham-Palast waren. Der wegen Waffendelikten vorbestrafte Chris Kaba, 24, war vergangenen Montag in Süd-London von der Polizei erschossen worden. Auf einer Protestkundgebung forderte Stormzy Aufklärung über die Umstände, die zum Tod seines jungen Musikerkollegen geführt hatten.

Die Berichterstattung über das mindestens zweifelhafte Vorgehen der Spezialkräfte spielt in den Medien ebenso kaum eine Rolle wie die Details des gewaltigen und umstrittenen Energie-Hilfspakets im Umfang von 171 Mrd. Euro, das Premierministerin Liz Truss am Donnerstag im Unterhaus vorgestellt hatte, ehe die erste Nachricht aus Balmoral eintraf. Das Parlament ist nun wegen der Staatstrauer bis auf weiteres im Zwangsurlaub, die Liberaldemokraten mussten ihren für kommende Woche geplanten Parteitag ebenso absagen wie der Gewerkschaftsdachverband TUC seinen Jahreskongress.

Viel beachtet wurde auch der gemeinsame Auftritt des Prinzen und der Prinzessin von Wales mit Prinz Harry und der Duchess of Sussex
Viel beachtet wurde auch der gemeinsame Auftritt des Prinzen und der Prinzessin von Wales mit Prinz Harry und der Duchess of Sussex Foto: AFP

Eine „fragwürdige“ Begleitung

Während Schulen und andere öffentliche Institutionen wie sonst auch ihrer Tätigkeit nachgehen, sei „der Mechanismus suspendiert, mit dem die Regierung zur Rechenschaft gezogen wird“, analysiert der Sheffielder Professor Richard Murphy auf Twitter. „Das ist vollkommen inakzeptabel.“ Der bekannte linke Steuer-Experte kritisiert zudem, dass Charles III. auf seiner am Montag beginnenden Tour der diversen Landesteile seines Königreichs von Premier Truss begleitet wird. Er könne sich nicht vorstellen, „dass die Queen so unklug gewesen wäre“, dem zuzustimmen, schließlich sei Truss zutiefst unpopulär und bekannt dafür, um beinahe jeden Preis die Medienaufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Deutlich vorsichtiger, aber ebenso kritisch äußerte sich der Commonwealth-Historiker Philip Murphy. Gewiss sei der Übergang zu einem neuen Monarchen lang bedacht und geplant gewesen. Aktuelle Entscheidungen würden aber auch Hinweise auf die „politischen Instinkte“ des neuen Königs geben. Deshalb sei die Entscheidung, sich von Truss begleiten zu lassen, „fragwürdig“.

Wie erwartet nahm die größte Partei im nordirischen Landtag, die republikanische Sinn Féin, nicht an der Proklamation in Belfast teil. Die Zeremonie sei gedacht „für jene, die der Krone Gefolgschaft leisten“, teilte die Vorsitzende MaryLou McDonald zur Begründung mit. Gleichzeitig betonte sie die positive Rolle, die Elizabeth II. für den Frieden und die Aussöhnung in der einstigen Bürgerkriegsregion geleistet habe. Dazu hatte nicht zuletzt 2011 der gefeierte Staatsbesuch des britischen Staatsoberhaupts in der Republik Irland beigetragen.