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EditorialTierrettung in Kabul: Ein einziger Mensch zeigt alliierten Nationen die Grenzen auf

Editorial / Tierrettung in Kabul: Ein einziger Mensch zeigt alliierten Nationen die Grenzen auf
Der Nutzen von Hunden bei Auslandsmissionen ist unbestritten. Allerdings helfen die Tiere den Soldaten und Soldatinnen auch nach einem Einsatz, mit den psychischen Folgen klarzukommen. Foto: AFP

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Ein Tierschützer erregt derzeit die Gemüter. Der britische Ex-Marine Pen Farthing hat 173 Hunde und Katzen aus Afghanistan ausfliegen können, während westliche Staatsbürger und tausende afghanische Helfer immer noch auf ihre Rettung warten. Wichtige Ressourcen seien verschwendet worden, mahnen Kritiker, und das nicht nur in Großbritannien.

Konservative Politiker laufen Sturm, in den sozialen Netzwerken ist die Empörung groß: Ob Tiere etwa wichtiger seien als Menschenleben? Farthing selbst wird von vielen Seiten angefeindet, seine Methoden geraten unter Beschuss. Tatsächlich hat der Betreiber eines Kabuler Tierheims in den letzten Tagen gehörig Druck auf die britischen Behörden ausgeübt. Diese verstecken sich hinter Ausflüchten und schieben den schwarzen Peter anderen Stellen zu.

Das Beschämende daran: Wieder gelingt es den Entscheidungsträgern, vom eigenen Versagen abzulenken. Hier geht es nämlich nicht um die Frage, ob Tiere plötzlich wichtiger sind als Menschen. Zwar ist ein Menschenleben laut Moralvorstellungen der Gesellschaft unbezahlbar und dessen Schutz stets oberstes Gebot. In Wirklichkeit aber liegt die Wahrheit doch vielmehr im Auge des Betrachters. Fast jeder von uns würde, wenn wir ehrlich sind, im Fall der Fälle das eigene Haustier vorziehen.

Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man sich in den sozialen Netzwerken als Moralapostel aufspielt und einen Mann verdammt, der in den letzten 15 Jahren mehr als 1.600 Soldaten und Soldatinnen mit Vierbeinern vereint und damit auch einen großen Beitrag zur sozialen Lage im Vereinigten Königreich, aber auch in Afghanistan geleistet hat. Bei der überwiegenden Mehrheit der 173 geretteten Hunde und Katzen handelt es sich denn auch um Tiere, die in Afghanistan von den Truppen eingesetzt wurden oder den Streitkräften den oft brutalen Alltag etwas versüßt haben.

Seit mehr als 30 Jahren schon werden Tiere erfolgreich in der Gesundheitsfürsorge eingesetzt, zuletzt verstärkt auch bei psychischen Krankheiten. Besonders gefährdet sind Soldaten bei Auslandseinsätzen. In den USA leidet fast jeder zehnte GI unter posttraumatischen Belastungsstörungen, bei der deutschen Bundeswehr sind es immerhin noch drei Prozent. Viele schaffen es erst nach langer Zeit, sich Hilfe zu holen. Nicht selten endet die Leidenszeit mit einem Suizid. Oft ist es falsch verstandener Stolz, der die Soldaten daran hindert, Hilfe von Therapeuten in Anspruch zu nehmen. Bei einem Tier aber ist die Hemmschwelle weitaus niedriger. Deren Nutzen ist daher unbestritten.

Vollkommen irreführend ist indessen die öffentliche Darstellung, als hätten Menschen wegen der Tiere auf ihren Platz in der von Tierschutzorganisationen finanzierten Chartermaschine verzichten müssen. Es war von Anfang an geplant, auch Mitarbeiter des Kabuler Tierheims, deren Familien und andere Schutzbedürftige zu evakuieren. Allerdings hatte US-Präsident Joe Biden kurz zuvor die Regeln bezüglich der erforderlichen Papiere geändert. Wegen fehlender Dokumente mussten die Menschen in Kabul bleiben. Und nicht wegen der Tiere. Die waren zuvor schon im Laderaum der Chartermaschine untergebracht worden.

Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man bekanntlich daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt. Zumal kein einziges Tier auf Kosten eines Menschenlebens gerettet wurde. Die betroffenen Kreise sollten sich vielmehr Gedanken darüber machen, weshalb auch in den letzten Tagen der Luftbrücke immer wieder Flugzeuge ohne Passagiere abheben mussten. Und sich fragen, wie es ein einziger Mensch fertigbringt, eine ganze Maschinerie in Bewegung zu setzen, um Tiere auszufliegen, langjährige Alliierte aber daran scheitern, eine koordinierte Rettungsaktion auf die Beine zu stellen, um ganze Familien vor einer sicheren Tragödie zu bewahren.

Leila
4. September 2021 - 22.57

Diese Person, die sich sicher toll wähnt und mit Stolz sich ständig selbst namentlich beweisen muss, weiß anscheinend nicht so richtig, was "asozial" wirklich bedeutet und deshalb: Kommentar verfehlt und nachsichtig entschuldigt...

Garce
4. September 2021 - 12.53

"Fast jeder von uns würde, wenn wir ehrlich sind, im Fall der Fälle das eigene Haustier vorziehen. "

Die Asozialen unter uns, ganz sicher.

j.trierweiler
2. September 2021 - 11.22

D'Leila schreiwt, hatt hett nach nie esou Quatsch gelies "Déi erschéissen keng Déieren wëll se mengen, déi hetten fir d’USA oder d’Englänner geschafft.“ Hatt mengt also, d'Taliban gifen Hönn a Kaazen erschéissen, wëll se fir d'USA geschafft hetten? D'Leila ass immens.

Leila
31. August 2021 - 19.04

Grenzgegner

Die Leute, die Sie beschreiben, haben absolut nichts mit dem Artikel zu tun. Wer seinen Hund wirklich liebt, staffiert ihn nicht aus sondern gönnt ihm ein schönes Hundeleben. Ich bin überzeugt, dass dem "verwöhnten" Accessoire der ganze Schnick-schnack missfällt! Diese Leute sind genauso lächerlich wie die Maskerade des bedauernswerten Tieres. Mäntel sind trotzdem gerechtfertigt bei Hunden die alt, krank sind oder/und lichtes Fell haben.

grenzgegner
31. August 2021 - 17.47

Es ist wohl eher eine philosophisches Frage, wie und ob man den Wert eines Menschenlebens dem eines Tieres gegenüberstellt.

Da muss man nicht nach Afghanistan schauen. Wer durch die Stadt läuft, sieht wieviel Pfiffi dem einen oder anderen Herrchen oder Frauchen wert ist. Geschniegelt, geputzt, gepudert und im funkelnden Mäntelchen, damit die Sonne nicht das Pelzchen verbrennt, oder der kleine Liebling ein kaltes Bäuchlein bekommt.

Das ist zwar alles andere als artgerecht, aber wohl gut gemeint...

YVETTE PAULUS
31. August 2021 - 16.57

Danke Herr Hamus für ihren Artikel.
Er stellt die Geschehen in das rechte Licht. Für mich ist Pen Farthing ein Held. Er hat bis zum äussersten für sein Ziel gekämpft und er wollte die Tiere und die Menschen retten. Leider ist ihm das mit den Menschen nicht geglückt. Würden mehr Menschen einen solchen Einsatz für den guten Zweck zeigen, wäre diese Welt vielleicht ein kleines bisschen besser.

Marcel Gillander
31. August 2021 - 15.02

Ein grosses Bravo für Ihren Leitartikel Herr Hamus!

Leila
31. August 2021 - 14.55

"Déi erschéissen keng Déieren wëll se mengen, déi hetten fir d’USA oder d’Englänner geschafft."

Selten so einen Quatsch gelesen! Kann man bloß noch den Kopf schütteln...

max
31. August 2021 - 13.40

gud Eric Hamus,
klor steet de Mësch viirum Déier, awer och hannert dem Déier,
ëch hu selwer ëmmer Déiere gehat, an ëch hät niemols een Déier am Stach geloss wann ët hät misste sën, a wann dat nët gaange wär, dann hät ëch drop vezicht a wär bei mengem Déier bliwwen,
déi Jeeneg déi nët esou handelen, déi haten nie een Déier oder së waren nët frou mat him an nëmmen fiir den Zweck gebraucht

j. trierweiler
31. August 2021 - 13.01

En Hond oder eng Kaaz iwerliewen och ënnert den Taliban. Déi erschéissen keng Déieren wëll se mengen, déi hetten fir d'USA oder d'Englänner geschafft. Dat geseit een engem Déier net oof. Awer fir déi dann ze retten mat Ressourcenverschwendung, déi dann Doudesaffer fuerderen ënnert deenen, déi séch fir d'USA an GB agesaat hun ass INAKZEPTABEL. Dat Geschwafel hei, wou Déiereliewen, déi net a Gefoor sin, mat Menscheliewen, déi a Gefoer sin, gleich ze setzen, fannen ech total dégoûtant.

Prox
31. August 2021 - 10.12

Merci fir deen Artikel! An deenen aneren Artikel iwwert dee Fall, koum et emmer sou eriwwer wéi wann dee Mann Mënschen zréck geloss hät. Et kann net sinn, dass e Mënsch deen Déiere gerett huet als Onmënsch duergestallt gëtt.

Leila
31. August 2021 - 9.59

Gut recherchiert!
Es ist doch oft, wenn nicht meistens oder sogar immer: kaum setzt sich jemand für Tiere ein, werden Stimmen laut, dass der Mensch wichtiger ist! Dabei werden Tatsachen wissentlich übergangen und verfälscht dargestellt. Wie denkt ein Hundehasser über den Hund, der ihm das Leben rettet, danach? Hasst er Hunde dann immer noch oder ist er bekehrt?

"Nicht Erbarmen, sondern Gerechtigkeit ist man den Tieren schuldig."
A. Schopenhauer