Ticketing erfordert eine gute Organisation; vor allem ist sehr viel Vorarbeit zu leisten. Das beginnt mit dem Anlegen des ganzen Programms, damit zuerst einmal alles eingetragen ist, was später auf den Tickets steht. Also alle Konzerte und Events, die verkauft werden, müssen eingetragen werden, auch in welchem Saal sie stattfinden. Oft können nicht alle Plätze verkauft werden, weil Platz für Regiepulte, z.B. bei Jazz- oder World-Konzerten, benötigt wird. Auch sind die Plätze hinter dem Orchester nicht für jedes Konzert verfügbar. Dies im Falle, wo ein Chor auftritt. Ebenso verhält es sich mit den ersten Seitentürmen, die bei Jazz-Konzerten wegen des Vorhangs und der schlechteren Akustik nicht verkauft werden.
Tageblatt: In anderen Worten, ehe ein Konzert in den Verkauf kommt, müssen die ganzen Umstände geklärt sein?
Marco Muser: Genau. Das funktioniert mittels eines speziellen Computerprogramms, EVIS oder Event Information Systems, welches das Herz der Philharmonie ist, und wo einfach alles eingetragen und zentralisiert wird. Hier findet man alles, von der Einstellung der Klimaanlage und der Beleuchtung über den Kartenverkauf und den Stundenplan der Putzeinheiten bis hin zum Abendprogramm. Die jeweiligen Projektmanager tragen alle notwendigen Informationen ihrer Konzerte hier ein, sodass wir vom Ticketing genau sehen, wo das Konzert stattfindet und wie viele Plätze verkauft werden können. Allerdings verläuft der Kartenverkauf über Eventim und somit über ein eigenes Computerprogramm.
Auch kommen nicht alle zur Verfügung stehenden Plätze in den öffentlichen Verkauf.
Nein, bei jedem Konzert gibt es Kontingente, die nicht verkauft werden. Das sind dann meistens Plätze für die Angehörigen und Freunde der Künstler, für die Abonnenten, für Sponsoren und Mäzene, für die Journalisten, für den Verwaltungsrat oder für Philaphil-Mitglieder. Was aber nicht heißen will, dass diese Plätze, wenn sie nicht gebraucht werden, nicht wieder in den öffentlichen Verkauf zurückfließen.
Wer bestimmt, wann ein Konzert in den Verkauf kommt?
Das machen wir. Wir hatten immer eine goldene Regel, nämlich den Verkauf einen Monat vor dem Konzert zu öffnen. Dann sind wir auf zwei Monate ausgewichen und bei der Pandemie, wo alles unsicher war, wieder zurück auf zwei Wochen. Nächste Spielzeit, wenn sich dann hoffentlich alles normalisiert hat, werden wir wieder auf eine Vorverkaufszeit von zwei Monaten kommen. Unabhängig davon sind natürlich die Abonnements; diese werden üblicherweise im März/April für die kommende Spielzeit angeboten. Die Preise davon werden dann von uns manuell ausgerechnet, sobald wir die offiziellen Ticketpreise haben. Meistens gibt es eine Preisreduktion von ungefähr 10 Prozent.
Wie liegen denn da die Zahlen?
Momentan ist es schwierig, wegen der ganzen Pandemie und ihren Auswirkungen auf das Publikum etwas Konkretes zu sagen. Leider bleiben momentan viele Zuhörer zu Hause, aus Angst, sich anzustecken. Generell kann man sagen, dass wir die meisten Abonnements im Bereich der klassischen Konzerte verkaufen. Insbesondere die Konzertreihen mit den großen internationalen Orchestern verkaufen sich im Abo sehr gut. Alles was Jazz oder Easy Listening betrifft, ist bei den Abonnements nicht so sehr vertreten. Da kommen die Leute gerne spontaner. Theoretisch wäre es möglich, dass wir alle Konzerte über die Abo-Reihen verkaufen könnten; es gibt hier keine Grenze nach oben. Und in unserem Computerprogramm gibt es dann wieder unterschiedliche Module, die je nach Verkaufsmodus benutzt werden. Ein Ticket, das über Internet verkauft und im System als pdf generiert wird, ist etwas komplett anderes als ein Ticket, das bei uns direkt auf Karton mit Thermodruck ausgedruckt wird. Obwohl beide Layouts fast identisch sind. Das sind sehr verschiedene Programme. Oft haben Leute die Karten auf Papier, wollen aber zusätzlich eine Version, die sie auf ihrem Mobiltelefon speichern können. In dem Falle wird die bereits ausgedruckte Karte automatisch ungültig.
Wie gehen Sie vor bei Konzerten, die sich nicht gut verkaufen?
Wir selbst werden da nicht aktiv, das ist dann die Rolle vom Marketing. Wenn wir im Kartenbüro merken, dass sich ein Konzert bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, meistens ein bis zwei Wochen vor dem Konzert, schlecht verkauft hat, schlagen wir Alarm. Die Verantwortliche des Kartenbüros ist immer in Kontakt mit dem Marketing und der Direktion, sodass man schnell gegensteuern kann. Einmal pro Woche findet ein Meeting statt, wo dann die Verkaufs- und Marketingstrategie für dieses oder jenes Konzert festgelegt wird. Das geht dann meistens über Plakatwerbung, Rundfunk oder Facebook. Bei klassischen Konzerten kommt das meistens dann vor, wenn (wie zuletzt geschehen) die Dirigentin krank ist und vielleicht von einem weniger prominenten Kollegen ersetzt werden muss. Genauso ist es, wenn ein bekannter Solist ausfällt; dann bleiben die Leute gerne zu Hause. Wenn dann ein solches Konzert nicht gut verkauft ist, versuchen wir, das Publikum im Saal zu bündeln und die Türme erst gar nicht aufzumachen. Meistens akzeptieren die Leute diesen kurzfristigen Platzwechsel.
Kann man eigentlich vorhersehen, welche Konzerte sich gut und welche sich weniger gut verkaufen?
Manchmal ja, manchmal nein. Oft denkt man, dieses Konzert verkauft sich gut, und viele Plätze bleiben trotzdem leer. Und auch umgekehrt. Und jetzt, mit der Pandemie, ist es noch schwieriger, Prognosen zu stellen. Wie gesagt, vor kurzem spielte das renommierte City of Birmingham Symphony Orchestra und es waren trotzdem viele Plätze leer. Wir hatten auch damit gerechnet, dass nach der Pandemie die Leute sich auf die Plätze stürzen würden. Aber viele sind noch sehr vorsichtig und fragen auch nach Plätzen, wo sie keinen Nachbarn haben. Sonst würden sie nicht kommen. Man muss natürlich auch berücksichtigen, dass die Philharmonie ja eine öffentliche und keine private Struktur ist, und somit durchaus Konzerte planen kann, wo man weiß, dass sie nicht ausverkauft sind, dafür aber eine kulturelle Wichtigkeit besitzen. Orgelkonzerte finden im großen Saal statt, meist vor kleinem Publikum, also zweihundert bis dreihundert Zuhörern. Wenn dann ein Starorganist wie Cameron Carpenter kommt, können es schon mal 700 werden. Aber kaum mehr. Dann ist die Hälfte der Sitzplätze besetzt. Aber solche Konzerte „petit public“ sind enorm wichtig für die kulturelle Vielfalt im Programm.
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