Headlines

Stillstand und mangelnde Unterstützung: Sánchez landet in der Wirklichkeit

Stillstand und mangelnde Unterstützung: Sánchez landet in der Wirklichkeit

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Er trat in Spanien mit großen Plänen an: Pedro Sánchez wollte die Katalonien-Krise lösen. Und der Sozialist versprach, nach Jahren harter Sparmaßnahmen wieder eine engagierte Sozialpolitik durchzusetzen. Doch sechs Monate nach seiner Ernennung zum Regierungschef ist Sánchez’ Minderheitsregierung in der Wirklichkeit angekommen – und dort herrscht mangels ausreichender Unterstützung für Sánchez vor allem politischer Stillstand.

Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid

Etwa beim Staatshaushalt 2019, für den Sánchez auch nach monatelangen Verhandlungen im Parlament nicht genügend Abgeordnetenstimmen zusammenbekommt. Zwar könnte der Sozialist, dessen Partei im Parlament nur 84 von 350 Abgeordneten hat, in 2019 zur Not auch mit dem alten Haushalt des zu Ende gehenden Jahres weiterregieren. Doch neue soziale Akzente lassen sich mit diesem Etat, der noch von der konservativen Vorgängerregierung stammt und der vom früheren Oppositionschef Sánchez als „Angriff auf den Wohlfahrtsstaat“ abgelehnt worden war, kaum setzen.

Angesichts dieser politischen Blockade könnte die Regierungszeit von Sánchez schon bald wieder zu Ende sein. Wenn der neue Haushalt nicht gebilligt werde, räumte Sánchez ein, steuere das Land auf Neuwahlen zu. Wird es möglicherweise am 26. Mai 2019 in Spanien einen Superwahltag geben? An diesem Tag finden bereits Europawahlen und in Spanien zudem Kommunal- und Regionalwahlen statt.

Der 46-jährige Sánchez war erst Anfang Juni mit einem Misstrauensvotum gegen den damaligen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ins Amt gekommen. Rajoy war wegen zahlreicher Korruptionsskandale in Ungnade gefallen.

Keine Unterstützung

Damals hatten die Sozialisten, die linksalternative Protestbewegung Podemos sowie die nationalistischen und separatistischen Parteien aus dem Baskenland und Katalonien gegen Rajoy und für Sánchez gestimmt.

Doch von dieser parlamentarischen Mehrheit ist heute nichts mehr übrig. Vor allem der Katalonien-Konflikt trieb ein Keil in die Front. Sánchez leitete zwar einen Kurswechsel gegenüber Katalonien ein: Er bot den katalanischen Separatisten einen Dialog an, offerierte mehr Geld und mehr Autonomie für die Region. Doch dies reichte ihnen nicht. Und deswegen weigern sich nun die beiden im spanischen Parlament vertretenen Separatistenparteien, Esquerra Republicana und PDeCAT, Sánchez zu unterstützen.

Die Sezessionisten beharren auf Gesprächen über die Unabhängigkeit der Region. Zudem fordern sie ein Ende der Strafverfolgung von Carles Puigdemont und anderen Separatistenführern, denen von der Justiz vorgeworfen wird, mit illegalen Mitteln die Abspaltung Kataloniens betrieben zu haben. Forderungen, die Sánchez kaum per Federstrich erfüllen kann: Eine Abspaltung Kataloniens ist mit Spaniens heutiger Verfassung nicht vereinbar. Und die Bewertung mutmaßlicher Straftaten ist Aufgabe der Richter und nicht der Regierung.

Härte in der Gibraltar-Frage

Sánchez’ große innenpolitische Probleme erklären übrigens, warum er neulich auf dem Brexit-Gipfel in Brüssel im Gibraltar-Streit mit überraschender Härte auftrat und sogar damit drohte, das EU-Treffen scheitern zu lassen. Bis zur letzten Minute bestand Sánchez darauf, dass die Zukunft der britischen Kolonie, die auf der iberischen Halbinsel liegt, aus den Brexit-Verträgen ausgeklammert und bilateral zwischen Madrid und London geregelt werden müsse – und er setzte sich schließlich durch.

Der spanische Regierungschef brauchte dringend einen Erfolg, um im Machtkampf zu Hause Punkte zu sammeln. In den nationalen Wahlumfragen liegen Sanchez’ Sozialisten zwar vor den Konservativen, kommen aber kaum über 30 Prozent hinaus. Das ist keine beruhigende Ausgangsposition für die in 2019 erwartete Wahlschlacht.