Die Entwicklungsgesellschaft Agora hat am Dienstag ihre Bilanz für das neue Escher Viertel Belval vorgestellt. Wenn man ihren Statistiken Glauben schenken darf, ist die Anzahl der Einwohner, Beschäftigten und dort ansässigen Unternehmen innerhalb des letzten Jahres gleich geblieben. Und das, obwohl seitdem 327 zusätzliche Wohneinheiten entstanden sind.
In zehn Jahren sollen alle Grundstücke der ehemaligen Industriebrache Belval verkauft sein. Dieses Ziel gab Agora-Präsident Frank Vansteenkiste am Dienstag auf einer Pressekonferenz der öffentlich-privaten Entwicklungsgesellschaft aus. Das Interesse insbesondere von ausländischen Investoren werde immer größer. Dazu gehört u.a. die Capelli-Gruppe, die auch in Frankreich und der Schweiz in der Immobilienbranche aktiv ist und zurzeit die gleichnamigen Towers im «Square Mile»-Viertel baut.
Ein weiterer bedeutender ausländischer Investor ist die in Österreich ansässige Europäische Gesellschaft Strabag, die zu den größten Bauunternehmen in der EU gehört. Einer der Hauptaktionäre von Strabag ist die Rasperia Trading des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der als «Specially Designated National» auf der Liste der von den USA sanktionierten Personen steht. Strabag plant aktuell zwei Bauprojekte auf dem «Square Mile» und im nördlichen Teil.
2.400 Einwohner, 5.000 Angestellte
Belval zähle zurzeit 2.400 Bewohner, 5.000 Angestellte sowie 5.600 Schüler, Studenten und Forscher, legte Agora-Direktor Vincent Delwiche dar. Ferner hätten sich 180 Firmen, Läden und Verwaltungen auf dem ehemaligen Industriestandort niedergelassen. Das würde bedeuten, dass sich im vergangenen Jahr kaum etwas in Belval getan hat. Die Zahlen sind fast genau die gleichen, wie die im Juni 2017 vorgestellten. Lediglich die Zahl der Studenten, Forscher und Schüler ist im Vergleich zum Vorjahr um 300 angestiegen.
Dabei wurden seit dem vergangenen Juni 327 neue Wohnungen in Belval fertiggestellt. Insgesamt seien seit Beginn der Erschließung 1.764 Wohneinheiten gebaut worden, davon 931 Wohnungen und Einfamilienhäuser, 165 Unterkünfte für Senioren im CIPA Belval Nord und 668 Wohneinheiten für Studierende und Forscher, erklärte Delwiche.
Von der Gesamtfläche in Belval seien 600.000 Quadratmeter für öffentliche und 750.000 Quadratmeter für private Projekte vorgesehen. Während von den öffentliche Flächen bereits alle bebaut wurden, sind von den privaten Grundstücken erst 277.500 Quadratmeter fertiggestellt oder noch im Bau. Privat vermarktet wurden aber bereits 402.500 Quadratmeter.
Arbeitsplätze statt Wohnfläche
Noch in diesem Jahr soll die Uni-Bibliothek «Maison du livre» eröffnet werden. 2019 soll dann die «Maison des matériaux» bezugsfertig sein. Im «Square Mile»-Viertel sollen bis 2019 vier neue private Großprojekte fertiggestellt sein. In zweien davon sollen neben Büro- und Geschäftsfläche auch Wohnungen entstehen. Alle anderen Projekte in diesem Viertel sollen erst 2020 oder 2021 beendet werden. Auch hier wird das Augenmerk vor allem auf Bürofläche und Dienstleistungen und in geringerem Maße auf Wohnen gelegt. Um die Sogwirkung der Hauptstadt und die damit verbundenen Autobahnstaus abzuschwächen, gehe es der Regierung darum, im Süden Arbeitsplätze zu schaffen, die zur Bevölkerung in dieser Region passen, meinte Vansteenkiste.
Besonders stolz ist Agora auf das Projekt, das den Architektenwettbewerb zur Umgestaltung der Sinterbecken gewonnen hat. Dort sollen ein Amphitheater sowie eine Wasserfläche mit Bar und Restaurant entstehen. Bis 2021 soll dieses Projekt auf dem Gebiet der Gemeinde Sanem umgesetzt werden. Die zur Sinteranlage gehörenden Türme, die bereits vor Jahren aus Sicherheitsgründen gekürzt worden waren, seien in keinem guten Zustand, hieß es am Dienstag. Ob sie erhalten bleiben, ist daher fraglich.
Fast fertiggestellt sei auch das an Beles grenzende Viertel Belval Nord. Das sich in Richtung Frankreich erstreckende Teilgebiet Belval Sud solle ein familienfreundliches Wohnviertel werden. Von den geplanten 550 Wohneinheiten sollen 120 Einfamilienhäuser sein. Mit einer Fertigstellung sei frühestens im Jahr 2027 zu rechnen, sagte Delwiche.
Anbindung von Belval
Zur besseren Anbindung von Belval an die A4 wird zurzeit noch am letzten Teilstück der «Liaison Micheville» gearbeitet. Bis 2022 solle diese Verbindungsstraße fertig sein, erklärte Vansteenkiste. Eine Verbesserung sollen auch der «Bus à haut niveau de service» (BHNS) zwischen Petingen und Düdelingen sowie die Express-Tram von der Cloche d’or über Foetz und Esch-Schifflingen nach Belval bringen. Allerdings ist dies noch Zukunftsmusik. Die Tram soll frühestens 2035 ihren Betrieb aufnehmen. Bis dahin stehen noch mindestens vier Parlamentswahlen an. Auch der Fahrrad-Express-Weg zwischen der Hauptstadt und Esch entlang der Autobahn A4 ist noch Zukunftsmusik.
Eine Idee, die in den vergangenen Monaten vom «déi Lénk»-Politiker Tun Jost und der «Entente Mine Cockerill» ins Spiel gebracht worden war, wird nun offenbar von der Regierung übernommen. Die stillgelegte Eisenbahnstrecke der Arbed, die die Werke Esch-Schifflingen, «Terre Rouge» und Belval miteinander verband, könnte als Fahrradweg genutzt werden, um die drei Industriebrachen miteinander zu verbinden, meinte Vansteenkiste, der neben seiner Aufgabe bei Agora auch Generalkoordinator im Ministerium für Nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur ist. Zu der bereits seit Jahren vom Escher Schöffenrat geforderten Direktverbindung zwischen Belval und dem Escher Zentrum meinte Vansteenkiste, die Straßenbauverwaltung sei dabei, eine Studie zu erstellen. Die Verbindung sei wegen des aktiven Stahlwerks nicht evident, man zeige sich aber «vorsichtig optimistisch».
Schifflingen
Was die Brache Esch-Schifflingen anbelangt, die ebenfalls von Agora entwickelt wird, werde zurzeit eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, erklärte Frank Vansteenkiste am Dienstag. Auf der Grundlage der ersten Diagnosen sei im September 2017 eine zweite Phase gestartet worden, um konkrete städtebauliche Empfehlungen für die Umgestaltung des ehemaligen Industriestandorts auszuarbeiten. Daneben werde eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht, um die Rentabilität zu prüfen. Sollte diese Analyse zu einem positiven Ergebnis führen, könnte der städtebauliche Wettbewerb Ende 2018 ausgeschrieben werden und 2019 zu ersten Ergebnissen führen. Am Ende dieser Prozedur stünde dann die Erstellung eines Masterplans.
«Lentille»
Die «Lentille» und der «Crassier Terre Rouge» seien auf Wunsch der Stadt Esch in den «Plan sectoriel logement» aufgenommen worden, sagte Vansteenkiste auf Nachfrage. Auf diesen Brachen solle dem Wohnungsbau Priorität eingeräumt werden. Dies stehe nicht im Widerspruch zu dem Privatprojekt, das auf der «Lentille» geplant sei. Der Escher Bautenschöffe hatte vor zwei Wochen im Tageblatt-Interview noch erklärt, die Gemeinde habe die Priorität für den Wohnungsbau auf der «Lentille» nicht übernommen.
Der «Crassier», der zurzeit noch von der Firma Cloos abgebaut wird, solle langfristig in Zusammenarbeit mit Frankreich grenzüberschreitend erschlossen werden, meinte Vansteenkiste.
Bon jour Tristesse...
Viel lieber in einer sanierten Altbauwohnung im Stadtkern leben, als in einer trostlosen Trabantenstadt. So viel Komfort kann kein künstlich erzeugtes Stadtviertel bieten, als dass man dort heimisch werden könnte.
Wann dee schnelle Bus an den Tram bis fäerdeg ass, da ginn et keng Butteker méi do, genee wéi iwwerall. Och d'Belle Etoile an d'Concorde gëtt eng Kéier vum Bagger ofgerappt.