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Alain spannt den BogenStil, Transparenz und kontrollierte Emotionen: Neue CDs mit Puccini und Mahler

Alain spannt den Bogen / Stil, Transparenz und kontrollierte Emotionen: Neue CDs mit Puccini und Mahler
Eine hochinteressante Aufnahme von Gustav Mahlers Liederzyklus „Des Knaben Wunderhorn“ kommt von Peter Schöne, der über eine der besten Baritonstimmen der Gegenwart verfügt Foto: Julian Veverica

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Unsere drei Besprechungen von heute, die des Konzertes mit dem Quatuor Ebène in der Philharmonie und die von zwei empfehlenswerten CDs, eine mit Puccini vom Orchestre Philharmonique du Luxembourg und eine Mahler-CD mit dem Bariton Peter Schöne, könnte man eigentlich unter dem Obergebriff „kontrollierte Emotionen“ zusammenfassen, denn alle drei zeigen auf beeindruckende Weise, wie weniger oft mehr sein kann.

Ein Konzert mit dem komplexen Allegro-Satz aus Mozarts Streichquintett Nr. 3 C-Dur zu beginnen, ist gefährlich. Der sehr dezent beginnende Satz fordert ab der ersten Sekunde höchste Konzentration. So dauerte es dann auch einige Minuten, bis sich das Quatuor Ebène, das hier zusammen mit dem Bratschisten Antoine Tamestit auftrat, gefunden hatte. Ab dann erlebte das Publikum einen perfekten Mozart-Abend, der durch seine innere Ausgewogenheit und seine kontrollierte, aber immer lebendige Spielweise aus dem üblichen Rahmen fiel. Feinste Melodien wurden hörbar, die Dynamik stimmte in jedem Moment und die Schönheit, mit der die fünf Musiker Mozart zu begegnen wussten, war exemplarisch.

Auch beim Klavierquintett Nr. 4, das nach der Pause gespielt wurde, nahmen wir an einer außergewöhnlichen Darbietung teil. Es war schon große Interpretationskunst zu hören, wie die Musiker immer die exakte und vor allem stimmige Balance zwischen melancholischer Introvertiertheit und hoffnungsvoller Unbeschwertheit fanden. Unter der sicheren Leitung des Ersten Geigers Pierre Colombet entwickelten Gabriel Le Magadure, Violine, Marie Chilemme und Antoine Tamestit, Bratsche sowie Raphaël Merlin, Cello einen echten Teamgeist, wo alle an einem Strang zogen und selbst ein Starsolist wie Antoine Tamestit sich nahtlos in das Ensemble einfügte. Ein großartiger und stilvoller Mozart-Abend vor ausverkauftem Kammermusiksaal. Die Begeisterung des Publikums war demnach mehr als berechtigt.

Puccinis Missa di Gloria mit dem OPL

Die rezente CD unseres Orchestre Philharmonique du Luxembourg auf harmonia mundi stellt den Komponisten Giacomo Puccini in seinen Mittelpunkt, dies mit der Messa di Gloria und drei orchestralen Stücken, die perfekt zur Messa passen, nämlich dem Scherzo per archi SC 56, dem Capriccio sinfonico SC 55, das Puccini später in seiner Oper La Bohème wiederverwendete, und Crisantemi, Elegia per quartetto d’archi SC 65. Es singen der Chor Orfeo Català und die beiden Solisten Charles Castronovo, Tenor und Ludovic Tézier, Bariton.

Gustavo Gimeno bietet eine erstaunlich zurückhaltende Interpretation an und ist dabei auf dem richtigen Weg. Denn oft wird die Messa di Gloria – Puccini verpflichtet – mit einer opernhaften Gestik und einem sehr expressiven Gesang interpretiert. Hier ist glücklicherweise nichts davon zu spüren. Gimeno nimmt den religiösen Charakter des Werkes sehr ernst und trotz aller musikalischen Schönheit lässt er sich nicht zum Überinterpretieren verleiten. Das hat auch das OPL verstanden; die Musiker spielen erstaunlich dezent, transparent und mit tiefem Ernst, ohne je in Larmoyanz zu verfallen oder die Musik mit einem Zuckerguss zu überschütten.

Exzellent auch der Chor, der sich ideal in das ganze Klanggeschehen eingliedert und dabei sehr intonationssicher und nuanciert phrasiert. Weniger gefällt mir der Tenor Charles Castronovo, der mir seine drei Auftritte zu opernhaft und zu veristisch gestaltet, während der Bariton Ludovic Tézier dagegen weitaus differenzierter singt. Castronovos sonst guter Gesang stört aber nicht wesentlich, sodass man diese gut aufgenommene und hervorragend gespielte und gesungene Aufnahme der Messa di Gloria in jeder Hinsicht empfehlen kann. Eine Interpretation, die zudem sehr authentisch und ungekünstelt wirkt. Die drei abschließenden orchestralen Stücke werden von den OPL-Musikern ebenfalls hochkarätig interpretiert.

Wunderbare Wunderhorn-Aufnahme

Eine in vielfacher Hinsicht hochinteressante Aufnahme von Gustav Mahlers Liederzyklus Des Knaben Wunderhorn kommt von unserem „Nachbarn“ Peter Schöne. Schöne, der über eine der schönsten und wärmsten Baritonstimmen der Gegenwart verfügt, gehört dem Ensemble des Saarländischen Staatstheaters Saarbrücken an und war/ist in dieser Spielzeit dort u.a. als Escamillo in Carmen, als Wotan im Rheingold, als Giorgio Germont in La Traviata und als Gabriel von Eisenstein in der Fledermaus zu erleben. Er stellt uns Mahlers frühen Liederzyklus in einer ganz besonderen Besetzung vor. Nicht in der Klavierfassung, nicht in der Orchesterfassung, sondern in einer Bearbeitung für acht Holzbläser und Kontrabass. Dies ergibt Sinn, denn Mahler hatte in seiner Kindheit oft Militärblaskapellen mit ihren Märschen und militärischen Motiven gehört. Tomás Ille hat den Großteil der Lieder arrangiert und von Vaclav Vonasek stammen die Bearbeitungen der beiden symphonischen Sätze aus der 1. Symphonie (Scherzo und Blumine) sowie das Lied Der Tambourg’sell. Und ich muss sagen, dass mir diese Arrangements sehr gut gefallen, weil sie näher an die besondere Wunderhorn-Atmosphäre heranreichen, als eben das Klavier und das Symphonieorchester.

Dank des hervorragenden Spiels des PhilHarmonia Octet erlebt der Mahler-Kenner diese Lieder nun wirklich ganz neu. Dabei ist Peter Schönes Gesang einfach herausragend. Endlich einmal ein Bariton, der (dank der kleinen Besetzung) nicht zu forcieren braucht, sondern der seine Stimme einfach nur fließen lassen kann. Schöne besitzt einen sehr lyrischen und leichten, ja fast tenoralen Bariton mit einem wunderschönen, gesunden Timbre. Die Stimme ist bestens fokussiert, spricht sehr leicht und intonationssicher an und reagiert in jedem Moment äußerst flexibel im Ausdruck. Diese Leichtigkeit im Gesang und die technische Meisterschaft erlauben es dem Bariton, den Ausdruck alleine mit Hilfe von Nuancen, dynamischen Abstufungen und Farben zu gestalten. Die Interpretation, die dann auch sehr natürlich wirkt, ergibt sich ganz wie von selbst und ist immer dem Text verbunden.

Die Kommunikation zwischen Peter Schöne und dem PhilHarmonia Octet ist optimal, auch innerhalb des Bläserensembles kann man als Zuhörer jede Stimme verfolgen, sodass diese Neuaufnahme des Liederzyklus‘ Des Knaben Wunderhorn als eine Referenz für dieses Werk angesehen werden muss. Insgesamt wird der Zyklus (mit hier zehn Liedern) einmal vom Scherzo und einmal vom Blumine-Satz der 1. Symphonie unterbrochen; beide Sätze sind in dieser Bläserfassung ebenfalls echte Entdeckungen.

Obwohl die Klangqualität für diese Supraphon-Aufnahme an sich sehr gut ist, unterläuft der Tontechnik der große Fehler, die Stimme quasi auf ein gleiches Niveau mit den Bläsern zu bringen und sie so als „Mitglied“ des Ensembles zu betrachten. Das wirkt sich dann aber negativ auf die Präsenz des stimmlichen Vortrags aus, von dem man sich aufnahmetechnisch mehr Relief und Klarheit gewünscht hätte. Trotz dieser Einschränkung sollte sich aber kein Lied- oder Mahler-Freund diese außergewöhnliche und wunderbare Aufnahme von Des Knaben Wunderhorn entgehen lassen.