Ein Russland-Freund? Ein Mitarbeiter in Geldnot? Oder einfach nur ein Bediensteter, der sich verkannt fühlte? In einem Amt mit 6.800 Mitarbeitern kann sich schon mal Ärger anstauen – auf vielen Schreibtischen. Die Umlaufmappe zurück, die Vorlage wieder abgelehnt, der Anbieter zu teuer, die Zeit drängt, weil die Bundeswehr für den Niger-Einsatz dringend die Wüstenuniform braucht. Wer für die Truppe zu Hause und im Einsatz etwas bestellen will, kommt am Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) nicht vorbei. Vom Tarnkappenbomber F35 für die Luftwaffe bis zu Maultieren für die Gebirgsjäger, von der Fregatte bis zur Uniform – viele denkbare (und auch manche undenkbare) Beschaffungen laufen über Koblenz.
Bei der militärischen Beschaffungsbehörde ist nun ein Mitarbeiter aufgeflogen, der seine Dienste und sein Wissen der Russischen Föderation angeboten haben soll – in Zeiten des Ukraine-Krieges. Noch ist es ein Verdachtsfall, doch die Spionagevermutung muss so gravierend sein, dass die Bundesanwaltschaft Haftbefehl gegen den Mann erlassen hat. In seiner Wohnung und an seinem Arbeitsplatz suchten Ermittler nach Beweismaterial.
Dabei soll der Mitarbeiter der Koblenzer Bundesbehörde nicht aktiv von russischen Diensten angeworben worden sein. Der Mann habe vielmehr aus freien Stücken sowohl dem russischen Generalkonsulat in Bonn als auch der russischen Botschaft in Berlin ab Mai dieses Jahres eine Zusammenarbeit angeboten – und zwar mehrfach. Nach Informationen aus Bundeswehrkreisen soll es sich um einen Offizier handeln – im Range eines Hauptmannes. Der Mann, angeblich AfD-Sympathisant, soll in seinem Umfeld auffällig geworden sein – unter anderem durch Russland-zugewandte oder Russland-freundliche Kommentare und Ansichten.
Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni sagt zur Forderung nach strengerer Vorabüberprüfung von Mitarbeitern, Bediensteten oder Soldaten bei der Bundeswehr: „Der Fall zeigt, dass die Behörden wachsam sind und Fälle aufklären können. Eine Sicherheitsüberprüfung ist auch keine Garantie für Loyalität gegenüber der Bundesrepublik.“ Nanni sieht nun das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht, gefordert. „Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Deutschen Bundestags wird aufklären müssen, ob es dennoch hier ein Versäumnis gab. Grundsätzlich müssen wir damit rechnen, dass es nicht bei den bisher bekannten Fällen in deutschen Behörden bleibt. Wachsamkeit bleibt also das Gebot der Stunde.“
Wichtig, dass die Abwehr steht
Bundeswehrkreise verweisen darauf, dass schon jetzt der Militärische Abschirmdienst (MAD) Mitarbeiter in bestimmten Bereichen der Truppe oder in nachgeordneten Behörden auf deren Zuverlässigkeit überprüfe. Allerdings gelte auch hier, dass man den Menschen eben nicht hinter den Kopf schauen könne. Womöglich habe sich der Offizier durch seine Kontaktversuche zum russischen Generalkonsulat und zur russischen Botschaft auch nur wichtigmachen wollen. In der Bundeswehr gibt es viele sensible Bereiche: Wenn jemand etwa Zugang zu Informationen etwa zum verschlüsselten Funk der Truppe im Einsatz habe – dem Krypto-Funk –, dann sei dies etwas, was jeden potenziellen Gegner interessiere, auch wenn er derzeit nicht mit der Bundeswehr auf dem Feld stehe, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sieht in diesem Fall der mutmaßlichen Spionage bereits „ein Muster“. Oft seien es Personen, „die offensichtlich mit der AfD sympathisieren und ihr durchaus nahestehen und den Sicherheitsinteressen Deutschlands massiv schaden wollen“. Der Vorwurf, dass die AfD der verlängerte Arm Russlands sei, scheine sich erneut zu verfestigen, erklärt der Innenexperte. Wiese betont weiter: „Unsere Sicherheitsbehörden sind hochsensibilisiert und haben rechtzeitig einschreiten können.“ Die neue Bedrohungslage „von innen und von außen wegen des russischen Angriffskrieges nehmen wir sehr ernst. Der Fall zeigt, dass unsere Dienste sehr wachsam sind“, so Wiese. Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei spricht sich dafür aus, dem deutschen Sicherheitsdienst zur Spionageabwehr „auch alle notwendigen technischen Instrumente zu geben“. Denn Nanni, Wiese und Frei wissen: Wichtig ist, dass die Abwehr steht.
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