BerlinaleSpeeddating mit Produzenten: Laura Schroeder über ihr Filmprojekt „Maret“

Berlinale / Speeddating mit Produzenten: Laura Schroeder über ihr Filmprojekt „Maret“
Laura Schroeder auf der Berlinale während der Vorstellung ihres Filmes „Barrage“   Foto: Internationale Filmfestspiele Berlin

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Montag, 24. Februar, eine knappe halbe Stunde vor dem Empfang in der luxemburgischen Botschaft. Regisseurin Laura Schroeder hat den letzten Tag des Koproduktionsmarkts der Berlinale, auf dem sie für ihren nächsten Film „Maret“ einen spanischen Koproduzenten suchte, überstanden. Während die Hauptdarstellerin von „Yalda, A Night for Forgiveness“ in der Rezeption des Hotels mit dem Reißverschluss ihres Kleides kämpft (1), unterhalte ich mich mit der luxemburgischen Drehbuchautorin und Regisseurin über den Ablauf des Markts und ihr Filmprojekt.

Tageblatt: Ihr Film „Maret“ wurde von der Berlinale für den Koproduktionsmarkt ausgewählt. Ziel dieses Markts ist es, (weitere) Produktionspartner zu finden. Wie kann man sich den Ablauf dort konkret vorstellen?

Laura Schroeder: Am Samstag und am Sonntag reihten sich die Termine aneinander, heute gab es auch noch ein paar. Insgesamt wurden 30 Projekte aus aller Welt für diesen Koproduktionsmarkt auserwählt. Die meisten dieser Projekte haben bereits mindestens einen Produzenten an Bord – das gilt auch für „Maret“, da Red Lion, die Firma, die bereits „Barrage“ produziert hat, meinen nächsten Film produzieren wird. Eine deutsche Produzentin, Dorothe Beinemeier, ist auch bereits dabei.

Der Film wird teilweise in der Gegend von Hamburg, teilweise aber auch auf Lanzarote spielen. Unser Hauptziel war es folglich, hier auf der Berlinale einen spanischen Produktionspartner zu finden. Wir haben uns aber nicht ausschließlich mit spanischen Produzenten getroffen, sondern auch mit Belgiern, Holländern, mit einem Produzenten aus Kroatien und einem aus Portugal. Denn auch wenn Letztere a priori nicht die optimalen Partner für das Projekt sind – es ist einerseits immer interessant, solche Produzenten kennenzulernen. Und andererseits weiß man nie, ob alles so verläuft, wie man es sich vorstellt, was die Produktionspartner und den Finanzplan anbelangt. Beim Koproduktionsmarkt sitzt jeder an Tischen in einem großen Raum – und alle halbe Stunde erscheinen andere Menschen, die dich treffen wollen.

Wie bei einem Speeddating?

Es ist eine Form des Speeddatings. Aber die Produzenten erhalten im Vorfeld einen Katalog, den die Berlinale aufgestellt hat – wenn du dich also mit ihnen triffst, kennen sie dein Projekt bereits. Die Produzenten können auf Basis dieses Katalogs ein Treffen mit dir vereinbaren und du kannst mitentscheiden, welche der Produzenten für das Projekt am interessantesten sind.

Welche Rolle spielen Sie bei diesen Treffen? Und welche Funktion übernehmen Ihre Produzenten?

Wir hatten 12 bis 14 Meetings pro Tag. Das ist ziemlich anstrengend. Jeanne Geiben (Red Lion) war dabei, Dorothe Beinemeier auch. So konnte jeder auch mal Verschnaufpausen einlegen. Nur Vincent Quénault (Red Lion) war bei allen Treffen dabei. Ich wählte die Termine aus, von denen ich mir dachte, dass sie für mein Projekt am interessantesten sind.

Beim Treffen mit dem kroatischen Produzenten war ich beispielsweise nicht dabei, weil es für meinen Film weniger relevant war. Im Laufe unserer Treffen fokussierte sich Vincent u.a. darauf, den Produzenten zu erklären, was genau wir suchen und wie die Finanzierung in Spanien verläuft. Ich erzählte den möglichen Koproduzenten hauptsächlich vom Film: Das Drehbuch ist fertig, ich kenne die Schauplätze, auf denen ich drehen will, ich kann ihnen also Details über die Drehorte, die Story oder das Team erzählen. Und ich konnte verdeutlichen, um was es im Film geht, was die Hauptthemen des Films sind, was er konkret erzählen wird.

Was sind jetzt die nächsten Schritte für das Projekt?

Wir haben eine Drehbuchversion, mit der sowohl ich als auch die Produzenten zufrieden sind. Jetzt kümmern wir uns um die Finanzierung – in Luxemburg, Deutschland und dann wohl in Spanien. Es gibt drei spanische Produktionspartner, die für uns in eine engere Auswahl gekommen sind. Denen schicken wir das Drehbuch. Letzteres hat ja noch keiner dieser möglichen Produktionspartner gelesen. Das Projekt interessiert sie – aber wenn sie jetzt das Drehbuch lesen und feststellen, dass dies nicht dem entspricht, was sie sich auf Basis der Synopsis vorgestellt haben, dann ist es natürlich durchaus verständlich, dass sie wieder abspringen. Die wenigsten dieser Produzenten haben „Barrage“ gesehen, wir schicken ihnen deswegen auch einen Link, damit sie sich meinen ersten Film anschauen und ein bisschen einschätzen können, was sie erwartet. Und ich fange mit dem Casting an.

Haben Sie sich bereits konkrete Gedanken zum Casting gemacht?

Ich habe von Anfang an an eine Schauspielerin gedacht, die die Hauptfigur spielen soll. Die Schauspielerin hat die verschiedenen Versionen des Drehbuchs gelesen, war von Anfang an Bestandteil des Projekts. Ich will den Namen allerdings noch nicht preisgeben – ich beginne wohl erst in einem Jahr mit dem Filmen, das ist alles noch etwas zu weit entfernt, um bereits konkretere Aussagen zu machen. Was die anderen Rollen anbelangt – da ist noch alles offen. Es gibt auf jeden Fall mehr Figuren als bei „Barrage“.

Was genau können Sie bereits über „Maret“ preisgeben? Was man bisher erfahren konnte, erinnert teilweise an Christopher Nolans „Memento“ – sei es nur, weil Ihre Hauptfigur einen Gedächtnisschwund erleidet.

Ich ging von einem Satz aus, den der Dalai Lama auf einem Kongress über Neurowissenschaft und Deep Brain Stimulation gesagt hat: „Wenn ich die Möglichkeit hätte, mir eine Elektrode einsetzen zu lassen, die, ohne meine Intelligenz einzuschränken, meine Schwächen und negativen Emotionen ausschalten könnte, dann würde ich dies sofort tun.“

Die Hauptfigur des Films hat die letzten 20 Jahre ihres Lebens integral vergessen, sie erkennt die Menschen aus ihrem nahen Umfeld nicht mehr, ihr eigener Lebenspartner ist ein Unbekannter. Eine Ärztin lädt die Frau nach Lanzarote ein. Im Laufe des Films stellt sich allerdings heraus, dass es weniger um die Amnesie geht, sondern darum, dass die Ärztin ihr vorschlägt, sich eine Elektrode in ihren Kopf einsetzen zu lassen, die ihr Verhalten ändern wird.

In dem Leben meiner Hauptfigur hat sich nämlich etwas ereignet, das diese Amnesie ausgelöst hat – und die Ärztin gibt ihr zu verstehen, dass dieses Ereignis sich wiederholen wird, wenn sie sich nicht ändert. Die Frage interessiert mich: Was bleibt von uns, wenn wir alles vergessen? Sind wir noch dieselbe Person? Wie viel macht Erinnerung aus, wie identitätsstiftend ist sie? Ich denke auch immer an „Brave New World“ – ich sehe „Maret“ ein bisschen wie eine zeitgenössische Form von „Brave New World“. Wir wollen stets glücklich sein, das ist das Leitmotiv der zeitgenössischen Gesellschaft. Aber wenn wir ohne Höhen und Tiefen auskommen, verlieren wir dann nicht unsere Menschlichkeit?

Wie intensiv war die Recherche im Bereich der Neurochirurgie?

Ich habe fast sofort nach „Barrage“ mit dem Projekt begonnen. Ich hatte eine fertige Story, aber ich habe dann sechs Monate lang sehr viel recherchiert, habe viel über das Thema gelesen und einen Neurochirurgen, der im CHL arbeitet, getroffen. Dieser konnte mir sehr viel über den Prozess der Deep Brain Stimulation erzählten. Er hat ungefähr 700 Menschen operiert – und trotzdem ist es so, dass fast niemand weiß, um was es sich dabei genau handelt (2).

Wie strukturiert man einen Film über Erinnerungsverlust – wollen Sie formal experimentell vorgehen wie bei „Memento“ oder wählen Sie eine klassischere Erzählform?

Mir wurde sehr schnell klar, dass ich ohne Flashbacks arbeiten wollte. Die einzige Art, wie der Zuschauer von der Vergangenheit der Hauptfigur erfährt, ist in der filmischen Gegenwart – man verfügt über genau die Infos, zu der die Figur auch Zugang hat. Im zweiten Teil des Films erfährt die Figur im Kontakt mit anderen Menschen und aufgrund ihrer Introspektion so einiges über ihre Vergangenheit. Wichtig ist mir halt auch, dass all dies in der Gegenwart spielt – weil die Stimulation durch Elektroden seit den 50er Jahren existiert und praktiziert wird.

Der Zuschauer soll nicht den Eindruck erhalten, dass sich die Geschichte irgendwo in der Zukunft abspielt, weswegen meine Art, „Maret“ zu erzählen und zu inszenieren, nicht auf ein futuristisches Szenario hindeuten soll. Die Story ist so strukturiert, dass der Bezug zur Figur leichtfallen soll – was beispielsweise in Scifi-Filmen nicht immer der Fall ist – und der Zuschauer durch die Geschichte von „Maret“ diese Idee, sich eine Elektrode einsetzen zu lassen, nicht mehr total abwegig findet. Denn zu Beginn flüchtet die Figur natürlich und denkt sich: Wieso sollte ich mir jetzt eine Elektrode einsetzen lassen?

(1) Siehe unsere Berlinale-Berichterstattung über den Abend in der Botschaft im Tageblatt vom 26. Februar oder hier

(2) Laut Wikipedia handelt es sich dabei um einen „grundsätzlich reversiblen, neurochirurgischen Eingriff in das Gehirn, der für die Behandlung bestimmter neurologischer Erkrankungen wie zum Beispiel der Parkinson-Krankheit weltweit zugelassen ist“.