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Spannungen beim EU-Türkei-Spitzentreffen in Warna

Spannungen beim EU-Türkei-Spitzentreffen in Warna

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Überschattet von schweren Spannungen kommen die EU-Spitzen erstmals seit zehn Monaten wieder zu einem Gipfeltreffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammen. Für die EU nehmen an dem Treffen am Montagabend im bulgarischen Schwarzmeerort Warna Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk teil.

Vor dem Gipfel in Warna – der die belasteten Beziehungen eigentlich entspannen sollte – war es zu neuen Differenzen zwischen Brüssel und Ankara gekommen. Die Türkei verfolgt offiziell weiterhin das Ziel einer EU-Vollmitgliedschaft.

Juncker hatte am Freitag nach dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel gesagt, er gehe mit gemischten Gefühlen in das Gespräch mit Erdogan. Er erwarte «eine ehrliche und offene Aussprache», bei dem die Meinungsverschiedenheiten nicht versteckt würden. Tusk machte deutlich, dass er für das Spitzentreffen wenig Chancen auf eine Annäherung beider Seiten sieht. «Ich bin mir bewusst, dass das kein einfaches Treffen wird.»

Vorwürfe an die Türkei

Zuvor hatte bereits der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Erwartungen gedämpft. Am vergangenen Mittwoch sagte er mit Blick auf das Treffen in Warna: «Wir haben hinsichtlich der Mitgliedschaft oder des Verhandlungsprozesses keine Erwartungen an die EU.» Die Türkei werde bei dem Treffen die Themen Visafreiheit und Ausweitung der Zollunion auf die Tagesordnung setzen. Dabei handelt es sich um die aus Sicht Ankaras derzeit wichtigsten Forderungen an die EU.

Bei ihrem Gipfel in Brüssel hatten die EU-Staaten Vorwürfe an die Adresse der Türkei erhoben. Hintergrund sind die fortgesetzte Inhaftierung von EU-Bürgern in der Türkei – darunter zwei griechische Soldaten – und die türkische Seeblockade von Erdgaserkundungen vor der geteilten Mittelmeerinsel Zypern. Das türkische Außenministerium nannte die EU-Vorwürfe «inakzeptabel». In der Mitteilung aus Ankara hieß es, solche Erklärungen liefen den Bemühungen der Türkei entgegen, die Zusammenarbeit mit der EU zu verbessern.

Hintergrund des Streits ist die Spaltung Zyperns. Nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention ist die Insel seit 1974 geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die Republik Zypern, deren Regierung den Südteil lenkt, ist seit 2004 EU-Mitglied. Sie wird von der Türkei nicht anerkannt.

Mehr als anderthalb Jahre Konflikte

Tusk hatte am Freitag gesagt, die EU sei nicht nur wegen der Situation in der Ägäis besorgt, sondern auch wegen der Lage in der Türkei selbst sowie in Syrien. «Aber wir müssen in der Lage sein, miteinander zu sprechen.» In Nordsyrien hat die Türkei nach eigenen Angaben in einer zweimonatigen Offensive die Kurdenmiliz YPG aus der Kurdenregion Afrin verdrängt.

Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit mehr als eineinhalb Jahren extrem angespannt. Nach Überzeugung der EU verstößt die türkische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen angebliche Anhänger der islamischen Gülen-Bewegung – die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht – massiv gegen rechtsstaatliche Grundsätze. Die EU hat deswegen die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes de facto auf Eis gelegt.

Auch geplante Gespräche über eine Vertiefung der Zollunion haben noch nicht begonnen. Ebenso steht weiterhin nicht fest, ob und wann die Visumpflicht für Türken aufgehoben wird. Für die Visaliberalisierung muss die Türkei 72 Bedingungen erfüllen. Im Februar hatte die Regierung in Ankara der EU Vorschläge zur Lösung der letzten noch offenen Punkte unterbreitet. Die Türkei hat mehrfach angedroht, das Flüchtlingsabkommen mit der EU vom März 2016 aufzukündigen, sollte die Visumpflicht nicht aufgehoben werden.

Das Spitzentreffen in Warna findet auf Einladung des bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borissow statt. Am Montag ist ein gemeinsames Abendessen der EU-Spitzen, Erdogans und Borissows mit einer anschließenden Pressekonferenz geplant. Zuletzt waren Tusk, Juncker und Erdogan im vergangenen Mai in Brüssel zusammengekommen.