Für Charel Schmit, den „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“ (Okaju) ist diese Langlebigkeit der Vorwürfe „der eigentliche Skandal“ am neuesten Report: Dass es Luxemburg in 30 Jahren nicht gelungen sei, „sich konform zu machen mit der Kinderrechtskonvention, mit internationalen Richtlinien im Bereich des Jugendstrafvollzugs, aber auch im allgemeinen Umgang mit Kindern im Freiheitsentzug“. Das sei umso ärgerlicher, da Luxemburg selbstverständlich nicht nur längst die UN-Anti-Folter-Konvention ratifiziert habe, sondern auf internationaler Ebene auch Mitglied des UN-Menschenrechtsrats ist.
Es sei daher nur folgerichtig, dass das Komitee im Report seine Enttäuschung und Frustration durchblicken lasse. „Die schreiben ja auch, dass es nicht ausreicht, wenn man lieb und nett ist, wenn man sie empfängt, sondern dass es auch wichtig ist, die ausgesprochenen Empfehlungen umzusetzen.“
Der Psychologe und Familientherapeut Gilbert Pregno, der unter anderem Präsident der das Parlament beratenden Menschenrechtskommission ist, ärgert sich, dass das Thema sogar noch älter sei: „Ich bin jetzt 70 – und schon aus meiner Zeit als junger Psychologe, vor mehr als 40 Jahren, erinnere ich mich an Kritik daran, dass Jugendliche hierzulande in Erwachsenengefängnissen sitzen.“
Nach viel Kritik aus In- und Ausland sei erst Bewegung in die Sache gekommen, als die Errichtung des Jugendknasts („Unisec“) beschlossen wurde. Allerdings hätten sich die meisten daran geknüpften Erwartungen ganz offensichtlich nicht erfüllt: „Das ist kein guter Ort“, fasst Pregno seinen Eindruck zusammen und meint damit etwa das enge Nebeneinander von Strafvollzug und Heimeinrichtung mit sozialpädagogischem Anspruch am Standort Dreiborn.
Der Bericht zeigt klar, wie hart Luxemburg mit seinen Jugendlichen ins Gericht geht. Man behandelt sie nicht wie schutzbedürftige Jugendliche, sondern wie kleine Erwachsene.
In dieselbe Kerbe schlägt auch der Ombudsmann Schmit – und sieht bereits in den reinen Äußerlichkeiten erste Probleme: „Dieses Gebäude ist rein architektonisch schon sehr unfreundlich. Es sieht aus wie ein Gefängnis und funktioniert auch so – nur nennen wollen wir es nicht so.“
Es dominierten Beton, Stahl und Glas, die nicht klimatisierten Zimmer seien im Sommer zu heiß, im Winter sei es aufgrund der Tallage ständig duster und deprimierend. In der „Fehlkonstruktion“ müssten sowohl die Jugendlichen als auch die Mitarbeiter täglich „ankämpfen“ gegen das, was das Gebäude symbolisiere: „Es illustriert geradezu die Sackgasse, in der sich der Jugendschutz in diesem Bereich befindet.“
Dass die im Report angeprangerten Mängel keineswegs zufällig entstanden seien, wird von beiden Experten festgestellt – zugrunde liegend sei offenbar ein altmodisches Verständnis im Strafrecht, das sich modernen Erkenntnissen gezielt verschließe und pädagogische, aber auch kriminologische Erkenntnisse außer Acht lasse: „Der Bericht zeigt klar, wie hart Luxemburg mit seinen Jugendlichen ins Gericht geht“, findet Schmit. „Man behandelt sie nicht wie schutzbedürftige Jugendliche, sondern wie kleine Erwachsene.“
Ich habe da jedenfalls wenige Stimmen gehört, auch nicht vonseiten der Staatsanwaltschaft, dass da etwas ändern müsste im Land
Pregno sieht sogar einen „sozialen Rassismus gegenüber Jugendlichen“ in Luxemburg: Weite Teile der Gesellschaft würden von Kindern und Jugendlichen offenbar besseres Verhalten erwarten als von Erwachsenen. An – zweifellos verurteilungswürdigen – Taten wie Raubüberfällen von Jugendlichen etwa berausche sich die Öffentlichkeit seiner Ansicht nach mehr als an anderen Delikten, deren Erwähnungen in Polizeiberichten oder Presseartikeln gleichgültiger hingenommen würden.
Es sei ein Klima, in dem auch die Magistratur offenbar „nicht so begeistert über die Entwicklung im Bereich der Kinderrechte“ sei: „Ich habe da jedenfalls wenige Stimmen gehört, auch nicht vonseiten der Staatsanwaltschaft, dass da etwas ändern müsste im Land“, kritisiert Pregno.
Dass man „in der Diskussion kaum vom Fleck“ komme, frustriert auch Ombudsmann Schmit – und will sich gegen den Vorwurf wappnen, man fordere eine lasche „Kuschelpädagogik“. Dagegen könne ein maßvoller und fairerer Umgang mit auffällig gewordenen Jugendlichen auch der Gesellschaft nutzen – wenn diese nämlich erstmals erfahren könnten, dass nicht immer nur das Recht des Stärkeren gelten muss: Dinge wie die im Report monierten ständigen Fesselungen mit Handschellen, etwa bei Transporten, empfänden die Betroffenen schließlich subjektiv immer als Strafmaßnahmen, die immer aufs Neue die Oppositionshaltung zum ausübenden Staatswesen verstärkten.
„Es wäre aber sinnvoll, dass die Jugendlichen den Rechtsstaat auch auf positive Art und Weise kennenlernen und sich so mit ihm identifizieren können, was ihnen aufgrund der familiären und sonstigen Sozialisation oft schwer genug fällt“, findet Schmit.
Auch eine Übereinstimmung der beiden Experten: Sie glauben, dass sich die Dinge in Luxemburg jetzt endlich aus ihrer Sicht bessern: „Nach diesem Bericht kann ich mir nicht vorstellen, dass alles beim Alten bleiben kann.“
Beide Befragten bauen dabei sehr auf die sich im Instanzenweg befindliche Reform des Jugendstrafrechts, die vor allem auf drei Gesetzesprojekten beruht. Zwar kritisiert Gilbert Pregno, dass darin auf Druck der Magistratur ein sehr niedriges Alter zur Strafmündigkeit von 13 Jahren angepeilt werde, was vor allem im europäischen Vergleich extrem niedrig sei, doch immerhin enthielten die Entwürfe auch viele gute Ansätze – und dann werde „auch der Jugendschutz seinen Niederschlag finden“.
Dass man grundsätzlich mit der avisierten Reform auf einem guten Weg sei, erwähne ja auch das Komitee des Europarats mehrfach in seinem Report, betont Ombudsmann Schmit. Das derzeit Geplante stärke auf verschiedenen Ebenen die Rechtsgarantien, sehe die Schaffung einer neuen Infrastruktur vor – und damit auch die längst überfällige Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen.
Schmit hofft dringend, dass die nächste Regierung das Thema prioritär angeht und natürlich die bereits gemachte Arbeit weiterführt und nicht sogar etwa einen „Rollback“ anstrebt – oder gar weiter inaktiv bleibt: „Man kann natürlich auch eine Vogel-Strauß-Politik betreiben und auf den nächsten Besuch des Komitees warten.“
Beide Experten sind sich aber einig, dass selbst im besten Fall noch eine weitere Herausforderung warte: nämlich das Finden zweckmäßiger Zwischenlösungen. Schließlich würde das, was bisher in den Gesetzesprojekten festgezurrt ist, wie der Neubau eines Jugendgefängnisses in Dreiborn und die Dezentralisierung der anderen derzeitigen Strukturen, in der praktischen Ausführung weitere lange Jahre dauern. Auch das, so der Ombudsmann, sei schließlich eine zentrale Forderung des Komitees, „dass man nicht noch mal zehn Jahre wartet, sondern zügig zu Lösungen kommt, damit kein junger Mensch mehr in ein Erwachsenengefängnis kommt“. Gallig vergleicht er das Verdikt des Anti-Folter-Komitees mit dem so wichtigen Rating der Wirtschaftsagenturen: „Hätte es so ein desaströses Urteil wie vom Komitee von Wirtschaftsprüfern gegeben, würde Luxemburg keine Zeit verstreichen lassen, um von der schwarzen Liste zu kommen.“
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Amplatz emmer Alles ze kritisei'eren, waat proposei'ert dir dann fir eng ordentlech Erzeihung an der Famill, dei alternativloos ass, an fir dass dei' Mannerjaereg net an d'Kriminalitei't ranrutschen.
Mangel un Erzeihung an der Famill as d'Ursach vun Jugendkriminalitei't !!