Ternium ist kein Ruhmesblatt. Das in der Stahlproduktion tätige Unternehmen ist eines der führenden in Lateinamerika – und hat seinen Sitz in Luxemburg. Zu Beginn des Jahres landete es wegen des Verschwindens des Indigenen-Anführers Antonio Díaz Valencia und des Menschenrechtsanwalts Ricardo Arturo Lagunes Gasca in Mexiko in den internationalen Schlagzeilen. Und schon seit Längerem wird die Firma für Gewalt und Umweltzerstörung in der Region in Mexiko verantwortlich gemacht.
Der Fall wurde hierzulande öffentlich, nicht nur, weil Ternium S.A. ihren Sitz am hauptstädtischen Boulevard Royal hat, sondern weil er auch zeigt, wie wichtig es ist, dass multinationale Konzerne für den Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflicht zur Rechenschaft gezogen werden. Darauf hat die luxemburgische „Initiative pour un devoir de vigilance“ ein ums andere Mal aufmerksam gemacht und fordert daher eine nationale Gesetzgebung. Der Fall Ternium zeigt außerdem, dass auch die „Sociétés de participations financières“ eine Sorgfaltspflicht haben, wie Jean-Louis Zeien, einer der Koordinatoren der Initiative, gegenüber dem Tageblatt sagte. Der Fall Ternium geht auch die LuxPCN an, den luxemburgischen „Point de contact national“ (PCN), die Nationale Kontaktstelle, die dem Wirtschaftsministerium untersteht.
Leitlinien für Konzerne
Die OECD hat für die multinationalen Unternehmen Leitlinien geschaffen. Diese werden von den Regierungen der jeweiligen Länder, in denen das Unternehmen seinen Sitz hat, als unverbindliche Standards für ein verantwortungsvolles Handeln gerichtet. Die Regierungen waren verpflichtet, solche Kontaktstellen einzurichten, die sichtbar, zugänglich, transparent und rechenschaftspflichtig sein müssen. Die Leitlinien, eine Art Verhaltenskodex, der bereits 1976 eingeführt wurde und zu dem sich 51 Länder multilateral verpflichtet haben, wurden zuletzt und auch dieses Jahr aktualisiert. Nun sind sie verbindlich. Um ihre Umsetzung zu überprüfen, finden sogenannte Peer-Reviews seitens der OECD statt. Sie werden, mit der Unterstützung des OECD-Sekretariats, von Gutachtern aus zwei bis vier anderen PCN geleitet. Im luxemburgischen Fall waren Island, Lettland und die Schweiz zuständig. Diese haben während ihrer Erkundungsmission im September letzten Jahres sowohl die Stärken als auch die Schwächen respektive Verbesserungsmöglichkeiten herausgefunden.
Der luxemburgische PCN, der in den vergangenen Jahren regelmäßig seine Jahresberichte an die OECD übermittelte, wurde von Bașak Bağlayan und Christian Schuller, juristischer Berater im Wirtschaftsministerium, vertreten. Dass die Aufmerksamkeit der hiesigen Öffentlichkeit für das Thema Unternehmen und Sorgfaltspflicht da ist, zeigt auch die Zahl der parlamentarischen Anfragen, die nach Angaben des Ministeriums in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Allerdings sei die Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit begrenzt, wird auch in der Peer-Review moniert. Dabei obliegt es dem LuxPCN, stärker für die OECD-Leitlinien zu werben. Seine Stellungnahmen sollen online zugänglich sein.
Besonders Başak Bağlayan ist eine in dem Bereich Business und Menschenrechte erfahrene Rechtswissenschaftlerin. Sie schloss ihr Bachelorstudium über Internationale Beziehungen an der Universität von Istanbul ab, danach absolvierte sie ein Masterstudium in Theorie und Praxis der Menschenrechte an der Universität von Essex. An der Uni Luxemburg promovierte sie über „Human Rights and Corporations: Searching for International Norms for Corporate Conduct in Domestic Case Law“ mit „exzellent“. Bağlayan ist Autorin der Studie „Mapping the business and human rights landscape in Luxembourg“ von 2019.
Anstrich von Verantwortung
Große Unternehmen geben sich oftmals den Anstrich der sozialen Verantwortung, gebündelt unter einer sogenannten Corporate Social Responsability (CSR), die auf freiwilligen Beiträgen an die Gesellschaft gründet. Ähnlich verhält es sich mit der Betonung von Klima- und Umweltschutz, nicht selten in Form von „Green Washing“. Doch Verantwortung für Menschen- und Umweltrechte zu übernehmen, bezieht sich nicht zuletzt darauf, wie Unternehmen ihr Geld verdienen und welche Auswirkungen dies auf die Menschenrechte hat.
Die OECD-Leitlinien, denen sich 51 Länder verpflichtet haben, wurden bereits 1976 eingeführt. Sie decken verschiedene Bereiche ab, „gehen also weit über die Menschenrechte hinaus“, wie Wirtschaftsminister Franz Fayot (LSAP) auf einer Pressekonferenz diese Woche erklärte. Sie beinhalten außerdem die Offenlegung von Informationen über Geschäftsaktivitäten, die Verwaltung von Arbeitsbeziehungen und Beschäftigungspraktiken, den Schutz der Umwelt, die Bekämpfung von Korruption, die Förderung von Verbraucherinteressen und die Ausrichtung auf die Wissenschafts- und Technologiepolitik der jeweiligen Länder, ebenso die Einhaltung der Wettbewerbsgesetze und der steuerlichen Anforderungen. Ein PCN hat demnach unter anderem folgende Aufgaben, so Fayot: für die Richtlinien zu werben, als Anlaufstelle für Beschwerden sowie für einen Austausch mit anderen PCN zu sorgen. Dass die Kontaktstelle im Ministerium angesiedelt ist, was bereits mehrere Male kritisiert wurde, sieht Fayot eher als einen Vorteil.
Limitierter Handlungsspielraum
Kritik kommt von Seiten der Zivilgesellschaft. Diese sei auf der Ebene der PCN zu wenig eingebunden, sagt etwa Jean-Louis Zeien, zumindest nicht so, wie es in anderen Ländern der Fall sei. Von der Grundausrichtung sei er zwar mit dem PCN einverstanden, so Zeien, dessen „Handlungsspielraum bleibt jedoch extrem limitiert“. Bei der Ahndung von Vergehen gegen die Menschenrechte sei man hierbei an die Grenzen gelangt. „Die Opfer brauchen die Möglichkeit einer Wiedergutmachung und einen Zugang zu rechtlichen Mitteln“, sagt der Co-Koordinator der „Initiative pour un devoir de vigilance“.
Er verweist darüber hinaus auf einen Kritikpunkt der Peer-Review, dass der PCN nicht genügend bekannt sei. „Er war in den vergangenen Jahrzehnten eine große Unbekannte“, sagt Zeien. Nun würden jedoch endlich konkrete Schritte unternommen. Auch dass es bislang nur wenige Beschwerdefälle gab – laut Peer-Review vier: Ternium Guatemala, Pharmakina und Pharmeg in der Demokratischen Republik Kongo sowie KBC und KBL in Südafrika und ArcelorMittal in Liberia betreffen – könnte zu dem falschen Rückschluss führen, dass es nur wenige Beanstandungen gibt. „Wenn man in der Zivilgesellschaft anspricht, dass es ein solches Gremium gibt, bekommt man erst einmal fragende Gesichter zu sehen“, stellt Jean-Louis Zeien fest. Dass die Sichtbarkeit des LuxPCN verbessert und seine Rechtsgrundlage gestärkt werden soll, kam bei der Pressekonferenz ebenfalls zur Sprache. Dass dieser personell aufgestockt wurde und Bașak Bağlayan die richtige Person dafür sei, begrüßt Zeien. Nichtsdestotrotz müsse die Einrichtung reformiert werden. Zudem führe kein Weg an einer nationalen Gesetzgebung vorbei, was die Sorgfaltspflicht der Unternehmen betrifft. Eine nationale und eine europäische Gesetzgebung, welche von der Regierung bevorzugt wird, schließen nach Zeiens Worten einander nicht aus. Die Geschichte von Verstößen durch Konzerne ist lang. Die Macht hat sich längst verschoben. Und ihr Einfluss auf Regierungen ist noch größer geworden.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können