Der folgende Artikel wird sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob denn ein Schwangerschaftsabbruch legal sein soll oder nicht. Die Legalisierung des Abbruches ist das Resultat jahrhundertlanger Kämpfe mutiger Frauen und Männer gegen ein restriktiv frauenfeindliches, negativ-klerikal besetztes Patriarchat.
Während das freiheitlich-tolerante humanistische Denken von je her eine Legalisierung befürwortet, so findet man in den nationalistisch-ultrakonservativen Lagern eine fortwährende Abneigung. Aber die Aufteilung der Welt in Schwarz und Weiß ist Teil ihrer Doktrin und es bringt auch nichts, die Diskussion der Ideologie wegen zu polarisieren. Im Parteiprogramm der ADR wird das Thema ausgeklammert und es zeigt sich einmal mehr, dass Feigheit Teil des Extremismus ist.
Die pränatale Medizin hat sich in den siebziger Jahren nicht zuletzt wegen der Entwicklung der Ultraschalluntersuchung und der genetischen Untersuchung der Feten zu einem eigenen klinischen Fach entwickelt.
Keine leichte Entscheidung
Wer pränatale Diagnostik und Therapie anbietet und betreibt, stimmt ungefragt dem Schwangerschaftsabbruch zu. Ist doch in den meisten Fällen der Abbruch die einzige Konsequenz einer pränatal diagnostizierten Erkrankung.
Die Annehmbarkeit einer während einer Schwangerschaft entdeckten Anomalie liegt nach entsprechender Beratung im Ermessen der Eltern. Das ist Bestandteil einer ergebnisoffenen, freien ärztlichen Betreuung. Das ist ebenso Bestandteil einer nach den menschlichen Bedürfnissen gearteten Jurisprudenz.
Es gibt kaum einen Unterschied in der Entwicklung eines Fetus zwischen der 12. und 14. Schwangerschaftswoche. Aber es gibt einen Unterschied in der Anwendung des Abbruchs. Er ist etwas komplizierter in der technischen Durchführung und hat eine höhere Komplikationsrate. Dies ist ein medizinisches und nicht ethisches oder juristisches Problem. Das Leben in der 12. Schwangerschaftswoche steht dem in der 14. in nichts nach.
Keiner Frau fällt ein Schwangerschaftsabbruch leicht, kein Paar, das respektvoll mit sich und der Schwangerschaft umgeht, entscheidet sich unbedarft zum Abbruch.
Kein Arzt tut sich leicht und unbedacht in der Beratung und Ausführung, es sei denn, es fehle ihm an ärztlichem Bewusstsein.
Ethisch unantastbares Axiom
Keine moralische Instanz vermag zwischen Leben und Tod zu entscheiden, vermag zu urteilen, ob ein behindertes Leben weniger wert sein darf als ein vermeintlich gesundes. Diese Unterscheidung darf auch nicht das ärztliche Handeln beeinflussen.
Es gibt keinen theoretischen Überbau des Alltags. Die gewissenhafte Entscheidung über Leben und Tod ist ein ethisch unantastbares Axiom. Welche Argumente werden gegen und für die Anhebung des Schwangerschaftsalters über die 12. Woche hinaus aufgeführt?
Der Eingriff ist komplizierter, je länger die Schwangerschaft dauert. Das ist ein rein medizinisches Problem und ist rein medizinisch zu lösen, allein wird das in der obligaten Patientenaufklärung berücksichtigt werden müssen.
Ab der 13. Schwangerschaftswoche kann man mit einer Blutanalyse bei der Mutter nicht nur das Risiko für eine Trisomie bei dem Ungeborenen, sondern auch das Geschlecht des Fetus bestimmen. Das wird, so die Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Luxemburg (SLGO), dazu führen, dass Paare, je nach Geschlechtsdiagnose, einen Abbruch wünschen oder auch nicht. Um diesem ethisch verwerflichen Grund eines Abbruches entgegenzuwirken, ist die SLGO gegen eine Ausweitung des bestehenden Gesetzes dahingehend, einem Abbruch bis zur 18. Woche zuzustimmen. Hinzu kommt für die SLGO die Tatsache, dass je später der Abbruch erfolgt, er desto gefährlicher für die Frau wird. Diese ehrenwerte Argumentation führt allerdings, wie so oft in diesem sensiblen Thema, an der Realität vorbei. Dass die Geschlechtsdiagnose über die Fortführung der Schwangerschaft maßgebend entscheidet, ist ein Wunsch, der in unserem Breitengrad äußerst selten formuliert wird. Keine mir bekannte Ärztin oder Arzt würde dem entsprechen. Aber, und das ist entscheidend, wird dieses Paar einen Weg finden, um die Schwangerschaft abzubrechen. Notfalls in einer Klinik im nahen Ausland. Das wird unsere Gesetzgebung kaum verhindern können. Die Konsequenz wäre, die Geschlechtsdiagnose erst viel später in der Schwangerschaft mitzuteilen.
Gesetz den Bedürfnissen anpassen
Wesentlich häufiger wird die Schwangerschaft erst ab der 12. Woche bekannt oder die Frau weiß über lange Wochen hinweg in ihrem Konflikt nicht, ob sie denn ein Kind alleine aufziehen kann. Ab der 12. Woche ist der Abbruch nur noch sozial komplett ungerecht mit nicht unerheblichen Kosten (500-800 Euro) und einer Reise in die Niederlande durchzuführen.
Ab der 14. Schwangerschaftswoche wird in der Mehrzahl der Fälle nur die von der Frau verdrängte Schwangerschaft festgestellt und die ist dann oftmals so weit fortgeschritten, dass ein Abbruch nicht infrage kommt.
Ein Hauptargument, die Indikation zum Abbruch auszuweiten, ist, dass kein Gesetz einen erzieherischen Impakt haben kann und es weiterhin unklar bleibt, wo wirklich der Unterschied sein soll, wenn man als Arzt den Eingriff selber durchführt oder wenn man die Telefonnummer eines Kollegen oder einer Klinik, an der Abbrüche vorgenommen werden, an die Patientin weitergibt. Das Gewissen lässt sich nicht durch die Weitergabe von Adressen entlasten. Ich habe Respekt vor Kollegen, die für sich entschieden haben, keine Abbrüche durchzuführen. Wenn Frauenärztinnen oder Frauenärzte bedenkenlos Schwangerschaften eines Trisomie-Kindes weit über die 12. Schwangerschaftswoche hinaus durchführen, jedoch den Abbruch eines chromosomal gesunden Kindes zwar bewilligen, aber nicht selber ausführen, drängt sich die Frage auf: Welches Leben ist denn nun mehr wert? Einen Abbruch je nach Diagnose oder Sachlage durchzuführen oder nicht, dem haftet etwas Willkürliches und Nicht-Aufrichtiges an.
Aber da sich im besten Fall das Gesetz nach der Realität richtet und nicht umgekehrt, wird man nicht umhinkommen, das bestehende Gesetz an die Bedürfnisse anzupassen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können