Strafandrohungen und strenge Ermahnungen des Westens können Bosniens russophilen Strippenzieher schon lange nicht mehr schrecken. „Bruder, willkommen im Club der Sanktionierten. Du wirst sehen, es wird Dir besser gehen“, reagierte Serbenführer Milorad Dodik (SNSD) letzte Woche launig auf die Kunde, dass im benachbarten Serbien nun auch sein Gesinnungsbruder und Geheimdienstchef Aleksandar Vulin von den USA auf die Schwarze Liste der unerwünschten Personen gesetzt worden ist.
Selbst hatte den derzeitigen Präsident des Teilstaates der Republika Srpska (RS) der US-Bannstrahl bereits 2017 zum ersten Mal getroffen: Die wegen der Untergrabung des Dayton-Friedensabkommens verhängten US-Sanktionen gegen Dodik wurden 2021 noch verschärft. Obwohl auch Großbritannien 2022 Sanktionen gegen Dodik verhängt hat und das Europaparlament einen ähnlichen EU-Schritt fordert, zeigt sich der Wiederholungstäter wenig beeindruckt.
Mit regelmäßigen Sezessionsdrohungen hält der serbische Rumpelpatriot Bosniens labiles Politlabyrinth und die Internationale Gemeinschaft schon seit 2006 auf Trab: Der einstige Hoffnungsträger des Westens hat sich als hartnäckigster und langlebigster Störenfried im zerrissenen Vielvölkerstaat entpuppt. Mit seinen Attacken gegen Bosniens Verfassungsgericht und seiner eskalierten Fehde mit Christian Schmidt, dem Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (OHR), hat er die Dauerstaatskrise in diesem Sommer bedrohlich verschärft.
Erst ließ Dodik Ende Juni ein Gesetz durch das Teilstaatsparlament peitschen, mit dem alle ihm missliebigen Urteile von Bosniens Verfassungsgericht für die Republika Srpska kurzerhand für ungültig erklärt wurden: Bosniens Verfassung wurde damit praktisch für das halbe Land für außer Kraft erklärt.
Warnungen aus den USA
Als OHR-Chef Schmidt zu Monatsbeginn seine Vollmachten als Hüter des Dayton-Friedensabkommens dazu nutzte, das Skandalgesetz per Dekret zu annullieren, holte Dodik zum Gegenschlag aus. Erst unterzeichnete der RS-Präsident ein Gesetz, dem zufolge OHR-Dekrete nicht mehr im Amtsblatt des Teilstaats veröffentlicht werden dürfen, um deren Rechtskräftigkeit zu verhindern. Dann reichte er gegen den OHR-Chef auch noch Strafanzeige ein. Der Grund: Mit der „Absicht, der Republika Srpska Schaden zuzufügen“, übe Schmidt sein Amt ohne die nötige Autorisierung des UN-Sicherheitsrats aus.
Tatsächlich erkennen auch Moskau und Peking die 2021 von den westlichen Schutzmächten forcierte Ernennung von Schmidt nicht an, da ihrer Meinung nach dafür die Bestätigung des UN-Sicherheitsrats fehle. Nach Ansicht anderer Staaten ist diese allerdings auch nicht nötig: Selbst Serbiens Präsident Aleksandar Vucic pflegt den von Dodik boykottierten OHR-Chef zu empfangen.
Der Sezessionismus von Dodik „gefährde die Stabilität der Region“, warnt der US-Balkanbeauftragte Gabriel Escobar. Die Internationale Gemeinschaft dürfe nicht die Fehler der 90er Jahre wiederholen, fordert gar der frühere OHR-Chef Christian Schwarz-Schilling: Dodik dürfe „keinen neuen Krieg anzetteln“.
Feuerwehrmann für selbst gelegte Brände
Er sei nicht zum Präsident der Republika Srpska gewählt worden, um vor „jedem Abschaum das Haupt zu beugen“, gibt sich Dodik kämpferisch: Er werde „bis zum Ende gehen“. Doch will der starke Mann in Banja Luka dieses Mal tatsächlich den Bruch mit Sarajevo forcieren? Mit jeder von ihm inszenierten Krise scheint Orban- und Putin-Freund Dodik die Konfliktschraube weiter anzuziehen. Doch trotz der erneuten Eskalierung deutet die Erfahrung bisher eher auf ein weiteres taktisches Sommerspektakel als auf einen finalen Kamikazelauf hin.
Ob mit der Drohung eines Unabhängigkeitsreferendums oder der einer eigenen Teilstaatsarmee; ob mit zeitweiligen Serben-Auszügen aus den nationalen Institutionen oder der versuchten Aneignung von Staatsimmobilien und Zuständigkeiten von der Zentralregierung: Polternde Ultimaten und das Köcheln der Dauerstaatskrise zählen seit 2006 genau zu Dodiks Standardrepertoire wie der lautlose Rückzug der von ihm mit lautem Getöse lancierten Probeballons.
Auch dieses Mal versucht Dodik, den Feuerwehrmann für die von ihm gelegten Brände zu mimen. So rief er letzte Woche erstmals zur „Deeskalierung der Krise“ auf – und nannte unter anderem die „Lösung“ der Frage der von ihm abgelehnten ausländischen Verfassungsrichter als Bedingung zum Rückzug der umstrittenen Gesetze. „Erst schafft Dodik das Problem. Und dann fordert er zu dessen Beilegung ein Politgeschacher, bei dem er die Bedingungen diktiert“, umschreibt das Webportal „klix.ba“ die vertraute Strategie des Strippenziehers.
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