Olaf Scholz wirkt entschlossen, auch wenn seine Augen müde aussehen. Es gibt wohl wenig Schlaf derzeit für den Kanzler. Er weiß, dass seine Regierungserklärung an diesem Dienstagmorgen viel beachtet wird, womöglich zu den wichtigsten seiner Amtszeit gehören wird.
Denn das Land steckt in einer Haushaltskrise, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesetat stellt die Ampel vor enorme Herausforderungen, die Mittel neu zu sortieren, um allen Zielen gerecht werden zu können.
Und so versucht Scholz in seiner Rede vor allem eines: die Bürger und Unternehmen beruhigen. „Der Staat wird seinen Aufgaben auch weiterhin gerecht“, sagt der SPD-Politiker etwa. Laufende Ausgaben könnten weiter fließen. „In Ihrem Alltag hier und heute ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts – völlig unabhängig davon, ob Sie Kindergeld oder Bafög bekommen, eine Rente oder Wohngeld“, versichert Scholz. „Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass der Staat seine Zusagen ihnen gegenüber einhält.“ Dabei gehe es auch um den Zusammenhalt im Land und um den Sozialstaat, so Scholz.
Scholz bringt den Spruch
Und da sagt er wieder seinen Satz, den er schon während der galoppierenden Energiepreise sagte: „You’ll never walk alone“. Das habe er im vergangenen Jahr versprochen und dabei bleibe es, so Scholz. Doch der Kanzler wird daraufhin lauthals ausgelacht von Abgeordneten der Unionsfraktion und der AfD-Fraktion. Es ist Scholz anzumerken, wie er damit hadert, wie es ihn trifft.
Es wird in den nächsten Minuten der Rede des Kanzlers immer deutlicher, dass das Verhältnis von Regierung und größter Oppositionsfraktion im Bundestag unter der Führung von Friedrich Merz (CDU) ab diesem Tag wohl ein anderes sein wird. Denn Scholz muss immer wieder ankämpfen gegen das Gelächter aus den Reihen der Parlamentarier von der Opposition, insbesondere auch von der Union. Dazu passt, dass Merz dem Kanzler im Nachgang die Fähigkeit zur Regierungsführung abspricht. „Sie können es einfach nicht“, schmettert der Oppositionschef.
Zuvor versucht Scholz, nicht nur für Vertrauen und Zuversicht zu werben, sondern auch für Verständnis für das Agieren der Ampel-Koalition. Deutschland stehe vor „Herausforderungen, wie unsere Republik sie in dieser Konzentration und Härte wohl noch nicht erlebt hat“, sagt er und kommt auf die Corona-Pandemie während des Ampel-Antritts zu sprechen, auf den russischen Überfall auf die Ukraine nur zwei Monate später, auf die Energiekrise im Nachgang.
Und Scholz räumt ein, dass das Karlsruher Urteil die Arbeit seiner Ampel-Koalition noch zusätzlich zu diesen Krisen erschwert. „Dieses Urteil schafft eine neue Realität – für die Bundesregierung und für alle gegenwärtigen und die zukünftigen Regierungen, im Bund und in den Ländern. Eine Realität, die es allerdings schwieriger macht, wichtige und weithin geteilte Ziele für unser Land zu erreichen“, sagt er. Und so kündigt Scholz zwar nur in einem Nebensatz, aber doch unmissverständlich an, dass es auch darum gehen werde, „Ausgaben zu beschränken“. Sparen also. Wie und wo das jedoch getan werden soll, lässt er offen. Ungeachtet dessen will er die Modernisierung des Landes vorantreiben. Es wäre ein „schwerer, ein unverzeihlicher Fehler“, dies nun zu vernachlässigen, denn nur so würden gute Arbeitsplätze, starke Wirtschaft und damit das Fundament des künftigen Wohlstands geschaffen, betont Scholz.
Die SPD-Fraktion bemüht sich während der Rede des Kanzlers, den zahlreichen Zwischenrufen und dem Gelächter aus der Opposition entgegenzutreten, auch aus den Reihen der Genossen gibt viele Zwischenrufe in Richtung der anderen Abgeordneten. Sie klatschen unablässig für Scholz’ Botschaften. Einmal jedoch bleibt es still in der SPD-Fraktion: Als Scholz erklärt, dass die Strom- und Gaspreisbremsen zu Beginn des kommenden Jahres enden würden. Ein Schritt, den die SPD kritisiert.
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