Unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten Dutzende Beamte des Sondereinsatzkommandos „Cobra“ vor vier Tagen in Ober- und Niederösterreich zugeschlagen. Bei 13 Hausdurchsuchungen wurden große Mengen an Waffen, NS-Devotionalien, Kriegsmaterial und illegalen Suchtmitteln sichergestellt. Neben fünf Kilo Cannabiskraut, einem Kilo Kokain und 650 Gramm Amphetamine beschlagnahmten die Sicherheitskräfte nicht weniger als 35 Langwaffen, 25 Maschinenpistolen, 100 Pistolen, mehr als eintausend Waffenteile und 10.000 Schuss Munition sowie Granatwerfer und Rauch- und Nebelwurfkörper. Bei den Nazi-Fundstücken handelte es sich um Hakenkreuz-Fahnen, Uniformteile, Büsten, Bilder und Dolche.
Im Zuge der Operation wurden sechs Mitglieder des „Bandidos Motorcycle Club“ festgenommen und wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz, das Kriegsmaterial- und Waffengesetz sowie das Suchtmittelgesetz angezeigt. Einige der Beschuldigten hatten enge Verbindungen zur als „Kultur- und Freizeitverein“ getarnten Neonazi-Gruppe „Objekt 21“, die eigentlich schon vor zehn Jahren ausgehoben worden war, aber im Untergrund offenbar weiter aktiv ist.
Selektive Info-Politik
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nützte die spektakuläre Erfolgsmeldung gestern auch, um Kritik an einer selektiven Informationspolitik der Sicherheitsbehörden im Extremismusbereich entgegenzuwirken. „Das Innenministerium geht konsequent, entschlossen und mit Nachdruck gegen jede Form von Extremismus vor“, betonte Karner. Dass Schläge gegen Rechtsextremisten aber nicht immer an die große Glocke gehängt werden, hatte vor Kurzem nach der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2022 für Kritik gesorgt. Erst nachdem Journalisten den ganzen Bericht studiert hatten, wurde bekannt, dass der Staatsschutz im vergangenen September einen Anschlag auf das traditionelle Sommerfest der kommunistischen Monatszeitschrift „Volksstimme“ im Wiener Prater vereitelt hatte. Es dürfte sich um eine sehr konkrete Gefahr gehandelt haben: Der mutmaßliche Urheber der Anschlagspläne, ein Anhänger der rechtsextremen „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ), wurde im Oktober zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Öffentlichkeit wurde diese Erfolgsmeldung zunächst vorenthalten. Erst im Verfassungsschutzbericht wird der Fall erwähnt, ohne freilich bei der Präsentation extra darauf hinzuweisen.
„Extremismus – ohne Unterschied ob politisch oder religiös motiviert – (wird) mit aller Vehemenz bekämpft“, beteuerte Karner jedenfalls gestern. Jetzt offenbar auch mit der entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit. Die scheint angesichts der Gefährlichkeit der Nazi-Rocker angebracht. Denn es handelt sich um eine hochbrisante Mischung aus unpolitischer Schwerkriminalität und politischem Extremismus, wie Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DNS), betonte: „Wenn Rechtsextremismus und organisierte Kriminalität in einer kriminellen Vereinigung aufeinandertreffen, entsteht eine höchst verfassungsgefährdende Lage, in der die DSN konsequent einschreiten muss.“ Die Ermittlungen hätten gezeigt, dass im Milieu der sogenannten „Outlaw Motorcycle Gangs die rechtsextreme Gewaltbereitschaft und Waffenaffinität äußerst hoch ist“.
Geschäftstüchtige Nazis
Erst seit vergangenen Dezember erfuhren die „Bandidos“ erhöhte Aufmerksamkeit der österreichischen Behörden, nachdem bekannt geworden war, dass die international operierende Gang eine Expansion nach Österreich anstrebt und hier Standorte, sogenannte Chapter, gründen möchte. Bei Aktivisten des bis zur Zerschlagung im Jahr 2013 auf einem Bauernhof in Oberösterreich seinen Neonazi-Umtrieben nachgegangen „Objekt 21“, dessen früherer Anführer noch in Haft sitzt, fand sich offenbar eine ideale Andock-Plattform. Darauf lässt das Beziehungsgeflecht der am Montag in Untersuchungshaft genommenen „Bandidos“ schließen. Schon bei „Objekt 21“ ging es wie bei den Nazi-Rockergangs nicht bloß um Politik, sondern um bloße Schwerkriminalität. Zu ihrem Repertoire zählten Raub, Menschenhandel und gewaltsame „Dienstleistungen“ als Schutztruppe für einen Rotlicht-Boss, der Anschläge auf Etablissements der Konkurrenz in Auftrag gab. Die Geschäfte dürften noch immer gut laufen: Neben Waffen und Nazi-Kram wurden bei den Razzien auch 600.000 Euro Bargeld beschlagnahmt.
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