Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez, der seit fünf Jahren mit einer Minderheitsregierung im Amt ist, gibt sich optimistisch, dass es trotzdem eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft wird. Sánchez klammert sich an die Hoffnung, dass er mit seiner Mitte-links-Regierung die Stimmungswende schafft und nicht abgewählt wird.
Politisches Chaos, wie es manche Stimmen in Brüssel bei einem Regierungswechsel während des spanischen Ratsvorsitzes vorhersagen, befürchtet er nicht. „Es ist nicht das erste Mal, dass es Wahlen in einem EU-Land gibt, das den Vorsitz hat. Die Demokratie ist noch nie ein Problem gewesen.“
Frankreich befand sich im ersten Halbjahr 2022 während seiner EU-Präsidentschaft in einer ähnlich angespannten Situation. Damals standen im April Präsidentschaftswahlen an. Es kam aber nicht zum Machtwechsel in Paris, der Kursänderungen für die französische EU-Politik gebracht hätte. Amtsinhaber Emmanuel Macron setzte sich damals mit seiner Mitte-Partei Renaissance gegen Marine Le Pen von der rechten Partei Rassemblement National durch.
Es ist nicht das erste Mal, dass es Wahlen in einem EU-Land gibt, das den Vorsitz hat. Die Demokratie ist noch nie ein Problem gewesen.
In Spanien dürfte die Regierungswahl hingegen ein Erdbeben auslösen, dessen Erschütterungen auch die EU erreichen würden. Denn wenn die Wahlforscher richtig liegen, wird Spanien deutlich nach rechts rücken. Dem Spitzenkandidaten der konservativen Volkspartei, Alberto Núñez Feijóo, wird ein Sieg vorausgesagt. Er gilt zwar als überzeugter Europäer. Allerdings wird Feijóo den Prognosen zufolge nicht allein regieren können. Er wird für eine ausreichende Mehrheit die Hilfe der rechten und europaskeptischen Partei Vox benötigen, die 13-15 Prozent erringen könnte.
Vox-Chef Santiago Abascal kündigte bereits an, dass er sich nicht mit einer Rolle als Steigbügelhalter der Konservativen begnügen wird. „Vox wird nicht nur der Begleitwagen der Volkspartei sein.“ Seine Partei wolle mitregieren. Die Rechtspopulisten wollen als künftiger Juniorpartner neben Ministerposten das Amt des spanischen Vize-Regierungschefs besetzen.
Sollte Vox tatsächlich demnächst Spaniens Europapolitik mitbestimmen, dann könnte die spanische EU-Ratspräsidentschaft ziemlich unberechenbar werden. In Sachen gemeinsamer Migrationspolitik zum Beispiel. Vox lehnt den von den EU-Innenministern geschlossenen Asyl-Kompromiss, der noch unter spanischem Ratsvorsitz abschließend verhandelt und durchs EU-Parlament gebracht werden soll, strikt ab. Der Pakt sieht ein rasches Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine gerechte Umverteilung von Asylsuchenden auf alle Mitgliedsstaaten vor.
Drohen Querschüsse?
Vox hält dieses Abkommen schon vom Ansatz her für falsch: Statt die Aufnahme von Asylsuchenden zu regeln, müsse ein Migrationspakt sich auf die Abwehr der „Immigranteninvasion“ durch eine Abschottung der Außengrenzen konzentrieren, sagt Jorge Buxadé, europapolitischer Sprecher der Rechtspartei. Damit liegt Vox ganz auf der Linie der ultrakonservativen Regierungen Polens und Ungarns, die beim EU-Innenministertreffen Anfang Juni gegen den Asylpakt gestimmt hatten.
Auch beim von der EU vorangetriebenen „grünen Deal“, mit dem der umweltfreundliche Wandel des Energiesektors, des Verkehrs, der Wirtschaft und der Gesellschaft vorangetrieben werden soll, steht Vox-Chef Abascal auf der Bremse. Die europäischen und spanischen Klimaschutzbemühungen bezeichnet er als „Klimafanatismus“. Abascal ist der Anführer der Klimaleugner-Front in Spanien. Er fordert die Rücknahme der Gesetze, mit denen die Erderwärmung bekämpft wird. „Spanien und Europa sind auf dem Weg, ihre Zukunft zu ruinieren, wenn sie am aktuellen Klimaschutzprogramm festhalten“, heißt es im Vox-Programm.
Drohen also der EU, die schon mit den rechtslastigen Regierungen in Ungarn, Polen und Italien zu kämpfen hat, demnächst auch Querschüsse aus Spanien? Bisher war Spanien ein äußerst europafreundliches EU-Mitglied – ein Land, das bis zur EU-Osterweiterung 2004 der größte Nettohilfsempfänger der Union war. Autobahnen, Zugstrecken, Flughäfen, Strandpromenaden und Altstadtsanierungen wurden von der EU mit Milliarden subventioniert. Premier Sánchez: „Wir sind das, was wir heute sind, zum Großteil dank Europa.“
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