Fintan Magee steht auf einer Hebebühne in zehn Metern Höhe. Mit ruhiger Hand tunkt er seine Malerrolle in den Farbtopf und fährt damit über die Wand. «Ich mag es, ganz normale Leute zu malen», sagt der australische Street-Art-Künstler an einer mächtigen Hausfassade in Saarbrücken. Nach sechs Tagen ist sein großflächiges Werk fertig: Es zeigt einen Jugendlichen in Sportklamotten mit Pfeil und Bogen.
Mit dem letzten Pinselstrich des 32-Jährigen ist ein neuer «Artwalk» in Saarbrücken entstanden. In den vergangenen Monaten haben insgesamt 16 Urban-Art-Künstler aus aller Welt 12 Wände in der Innenstadt in Kunstwerke verwandelt.
Besonderer Kunstspaziergang
«Wir wollen mit der Kunst dorthin, wo die Menschen sind», sagt Saarlands Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD). Bislang gebe es kein vergleichbares Projekt, bei dem die besprayten oder bemalten Wände alle derart geballt mitten in der Innenstadt liegen – mit nur kurzen Fußwegen dazwischen. In anderen Städten seien die Wände meist in Randgebieten, sagt der Saarbrücker Künstler Patrick Jungfleisch (Reso), der die Idee für den «Artwalk» hatte – und mit Benjamin Knur Kurator ist. Der Kunstspaziergang wird als Teil des neuen Festivals «Colors of Pop» Mitte Oktober offiziell eröffnet. Will man ihn ganz ablaufen, muss man sechs Kilometer zurücklegen.
Ganz klar, Saarbrücken ist damit bunter geworden. Im Nauwieser Viertel beispielsweise leuchten knallgelbe große Zitronen des Spaniers Aryz von einer Fassade. Abstrakte Formen und geometrische Figuren hat der Russe Alexey Luka unweit davon hinterlassen, Heiko Zahlmanns und Stohead haben eine 24 Meter hohe Fassade an einer Schule mit ihrer eigenen Schrift verschönert. Der Parcours zeige, wie facettenreich Urban Art sei – und: Dass es mittlerweile eine «wirklich ernstzunehmende Kunst ist», sagt Jungfleisch, der die Musikhochschule Saar gestaltet hat.
Dauer von 8 bis 10 Jahre
Das Projekt werde 2018 weitergehen: Dann sollen mindestens noch zwei Wände hinzukommen, eine in der Nähe des Saar-Landtags. «Wir wollen ein Zeichen setzen, wie ernst wir diese junge Kunst nehmen», sagt Uschi Macher, die im Ministerium das Referat für Internationales und EU-Angelegenheiten der Kultur leitet. Man gehe davon aus, dass die Kunst an den Wänden acht bis zehn Jahre halte. «Ein Geschenk für die Hausbesitzer», sagt sie. Das Budget des Projekts, zu dem auch eine App, Führungen und Workshops geplant sind, beläuft sich auf 450 000 Euro. Rund 200 000 Euro kommen aus Interreg-Mitteln der EU.
«Ich will zeigen, dass Kultur im Saarland sehr viel urbaner ist, als man das Saarland so von außen sonst wahrnimmt», sagt Minister Commerçon. «Dass wir nicht nur Wald und Industrie haben, sondern auch großes künstlerisches Potenziel.» Vier der 16 Künstler stammten aus dem Saarland. Derzeit laufe auch die «Urban Art Biennale» im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, bei der knapp 100 Künstler aus rund 20 Ländern aktuelle Trends zeigten. «Wir sind so ein bisschen der Hotspot der aktuellen Entwicklung der Urban Art», sagt Commerçon.
Dazu passt das neue Festival «Colors of Pop», das vom 12. bis 22. Oktober mit rund 100 Veranstaltungen an den Start geht. Es wird genreübergreifend sein: Neben Konzerten soll es unter anderem auch Poetry-Slam, Modeschauen, Ausstellungen und Fantastik geben, sagt Festivalleiter Thilo Ziegler. Die Landesregierung fördert das Festival mit 350 000 Euro.
Auch für Luxemburg gibt es Pläne
Und auch die «Artwalk»-Pläne gehen weiter. Es sei geplant, dass im Laufe der nächsten Jahre 100 Wände in der gesamten Großregion, zu der auch Luxemburg, Teile in Frankreich und Belgien sowie Rheinland-Pfalz gehörten, zu gestalten, sagt Macher. «Es ist das Museum der Zukunft.»
Bei den Saarbrückern kommt die Kunst an den Fassaden schon mal gut an. «Ich finde die Aktion gut, weil es wieder Kunst im öffentlichen Raum gibt», sagt Spaziergänger Mike Hieronymus. Außerdem gebe es ja immer noch das Vorurteil, dass Graffiti nur Schmiererei sei. «Das hier zeigt, es geht auch anders», sagt er vor dem Werk von Magee.
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