Headlines

Russland wittert Geheimnisverrat

Russland wittert Geheimnisverrat

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ein russischer Raumfahrtwissenschaftler ist wegen Geheimnisweitergabe an ein NATO-Land verhaftet worden. Er soll Informationen zu den von Präsident Putin angekündigten Hyperschallwaffen weitergegeben haben. Beobachter glauben an einen Machtkampf in Geheimdienstkreisen.

Von unserem Korrespondenten Axel Eichholz, Moskau

Der 74-jährige Doktor der Physik Viktor Kudrjawzew ist wegen Hochverrats verhaftet und in das Geheimdienstgefängnis Lefortowo gebracht worden. Das hat am Montag der offizielle Sprecher der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Wladimir Ustimenko, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS bestätigt. Kudrjawzew sei bisher als Einziger angeblich wegen der Übergabe von Geheiminformationen über die neuesten Hyperschallwaffen an ein NATO-Land festgenommen worden, heißt es. Er war bis zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter der wichtigsten Forschungseinrichtung von Roskosmos gewesen, des Maschinenbauinstituts ZNIImasch, heißt es.

Im vergangenen Winter hatte Präsident Wladimir Putin die Entwicklung dieser Waffen in seiner Botschaft an das Parlament bekannt gegeben. Den jetzigen Verhaftungen waren am letzten Freitag Durchsuchungen von Diensträumen bei der Raumfahrtbehörde Roskosmos in Moskau und dem moskaunahen Koroljow vorausgegangen. Unter anderem wurde das Arbeitszimmer des Direktors des analytischen Forschungszentrums von Roskosmos, Dmitri Paison, durchsucht. Das bestätigte er selbst.

Paison wurde nicht festgenommen und tritt nur als Zeuge auf. Gerüchteweise heißt es aber, er sei bereits zurückgetreten. Nach inoffiziellen Angaben überprüft der Geheimdienst FSB etwa ein Dutzend Personen aus der russischen Raumfahrtbranche wegen deren möglicher Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten.

Wissenschaftler bereits in Ungnade gefallen

Kudrjawzew wurde 2003 mit einem Preis der russischen Regierung für die Entwicklung eines SeaLaunch-Systems ausgezeichnet. 2016 fiel er jedoch bereits in Ungnade, weil er den Raketenkonstrukteur Wladimir Lapygin in einem Brief unterstützt hatte, der ebenfalls wegen Hochverrats angeklagt wurde. 2016 fiel eine Sojuz-2.16-Rakete mit 19 Satelliten nach dem Start in den Atlantik. Damals nahm die Suche nach Schuldigen mitunter groteske Formen an. Der kirchliche Dissident Andrej Kurajew erhob sogar Vorwürfe gegen den orthodoxen Bischof Kilian, der die Rakete vor dem Start «nicht sachgemäß» geweiht haben soll.

Liberale Politiker bringen die neueste Hochverratsaffäre mit Reibereien zwischen russischen Geheimdiensten und anderen Teilen der Justiz und Strafverfolgung in Verbindung. Vor wenigen Tagen wurde unter anderem der frühere Leiter der städtischen Moskauer Hauptverwaltung der zentralen russischen Ermittlungsbehörde SKR, Alexander Drymanow, verhaftet.

«Im Herbst steht offenbar ein umfassender Personalwechsel im Bereich der Machtämter bevor», sagt die Chefredakteurin der politischen Zeitschrift The New Times, Jewgenija Albaz. Der SKR werde seine jetzige Selbstständigkeit wieder einbüßen und der Generalstaatsanwaltschaft zugeschlagen werden. Es gebe auch hartnäckige Gerüchte, wonach der alte KGB in seiner alten Form wiederauferstehen werde. Der FSB werde wieder wie früher als «Erste Hauptverwaltung» die auswärtige Aufklärung übernehmen. Der ganz große altneue Geheimdienst soll angeblich den Namen Ministerium für Staatssicherheit bekommen.