Mit dem Protest demonstriert Nawalny gegen seinen Ausschluss von der Präsidentenwahl am 18. März. Er will die Russen zu einem Boykott bewegen. Lange hatte sich der Blogger und selbst ernannte Anti-Korruptionskämpfer bemüht, gegen Amtsinhaber Wladimir Putin antreten zu dürfen. Die Wahlleitung schloss ihn aber wegen einer umstrittenen Bewährungsstrafe in einem Fall von Unterschlagung aus. Ein Wahlsieg Putins gilt ohnehin als sicher. Nawalny argumentiert, durch seinen Ausschluss gebe es keinen echten Gegenkandidaten.
«Streik der Wähler»
Nawalny hatte 2017 mehrfach Massenproteste gegen die Staatsführung organisiert. Dabei waren Hunderte Menschen festgenommen worden. Für Experten waren vor allem die Teilnehmerzahlen dieses Mal spannend. Eine große Beteiligung wäre ein Zeichen für eine breite Unterstützung seines Wahl-Boykotts; eine geringe Mobilisierung könnte als Hinweis auf die Schwäche der Opposition gedeutet werden. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl in Moskau bei knackigen Minusgraden auf rund 1000, Beobachter hielten 2000 bis 3000 Demonstranten für möglich. Dennoch war der Zulauf im Vergleich zu Kundgebungen 2017 geringer. Gesicherte Zahlen lagen zunächst nicht vor.
Nawalny hatte in rund 90 Städten zum «Streik der Wähler» aufgerufen. In Moskau und St. Petersburg waren die Routen nicht genehmigt worden. In mehreren Städten in der Provinz wurden sie erlaubt. «Boykott, Boykott» und «Putin verschwinde!» skandierte die Menge vielerorts. Vor allem junge Menschen folgten Nawalnys Aufruf in Moskau. Einer von ihnen war der 15-jährige Sergej, der schon zum zweiten Mal dabei war. «Beim ersten Mal hatte ich noch Angst, festgenommen zu werden. Jetzt habe ich Angst, dass es keine Zukunft für Russland gibt», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Viele hatten rote Nawalny-Zeichen und Russlandfahnen dabei. Andrej (31) sagte, die Demonstranten seien friedlich. «Wenn es eskaliert, ist es nicht unsere Schuld.»
«Sie heizen uns nur an»
Zwar blieben große Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten aus, aber schon im Vorfeld griff die Polizei gezielt und präventiv durch. Sicherheitskräfte durchsuchten Nawalnys Moskauer Büro und beschlagnahmten Material. Sie hätten die Tür aufgebrochen und seien in die Aufnahme einer Videobotschaft hereingeplatzt, hieß es. Die Polizisten hätten eine Bombe gesucht. Mehrere enge Mitarbeiter Nawalnys wurden festgenommen. Zu seiner eigenen Festnahme schrieb er: «Das hat nichts zu bedeuten. Ihr geht nicht für mich auf die Straße, sondern für euch und eure Zukunft.»
Seit Mitte Januar hatten die Behörden den Druck auf Nawalny erhöht. Sein Team berichtete, Aktivisten seien befragt und Mitarbeiter festgenommen worden. Täglich habe es vier bis fünf Durchsuchungen in den Büros gegeben, sagte Stabschef Leonid Wolkow der Zeitung «Nowaja Gaseta». «Ihr Ziel ist es, uns Organisatoren zu stören. Beim harten Kern unserer Freiwilligen heizt das aber nur die Stimmung an.» Auch der Politloge Abbas Galljamow schätzte, dass das Vorgehen der Behörden Nawalnys Team anstachele. Zugleich schrecke es aber auch andere ab. «Es verhindert, dass sich der Protest weiter ausweitet.»
Die meisten Festnahmen gab es OVD-Info zufolge in weitgehend unbedeutenden Provinzstädten wie Tscheboksary an der Wolga und Ufa am Ural-Gebirge. In anderen Orten endete der Protest Berichten zufolge friedlich. Die Massenfestnahmen und Gewalteskalationen in den Metropolen Moskau und St. Petersburg, den «Schaufenstern Russlands», hatten 2017 scharfe internationale Kritik ausgelöst.
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