Verbogenes Wellblech und versengte Getreideberge. So präsentierte sich am Mittwochmorgen der Hafen der ukrainischen Kleinstadt Reni. Nur 200 Meter sind es von hier über die Donau nach Rumänien, doch die Russen hat die mögliche Konfrontation mit dem NATO-Mitglied nicht abgeschreckt. In der Nacht zum Mittwoch schickte die russische Armee mindestens 13 iranische Shahed-Drohnen vom Typ 131/136 und elf Marschflugkörper in die bisher ruhige Region im Dreiländereck Ukraine-Moldawien-Rumänien. Sie sollen die ukrainische Getreide-Export-Infrastruktur zerstören und damit Kiew der Möglichkeit berauben, Hungerhilfe in Afrika zu leisten oder einfach nur etwas Geld für die Verteidigung des Landes zu verdienen.
Die Donau ist nach der russischen Aufkündigung des von der UNO und der Türkei im Sommer 2022 vermittelten Schwarzmeer-Getreideexport-Abkommens als sichere Alternative ins Augenmerk der Logistiker gerückt. Die eher kleinen ukrainischen Flusshäfen Ismail und Reni erlebten schon in den vergangenen Monaten enorme Zuwachsraten.
Explosion von Rumänien aus zu sehen
Doch früher haben sie vor allem kleine Getreideproduzenten bedient, die sich den kriegsbedingt teuren Transport durch das Schwarze Meer nicht mehr leisten konnten. Seit der Aufkündigung des Abkommens Mitte Juli versuchen nun aber alle Firmen, über diese zwei Häfen zu exportieren. Das Getreide gelangt dabei direkt via die Donau in den Balkan und nach Westeuropa, oder aber es wird im rumänischen Schwarzmeer-Hafen Constanta wieder auf Hochseeschiffe umgeladen und von dort durch den Bosporus transportiert.
Am Mittwoch kamen bei dem nächtlichen russischen Angriff auf den Hafen von Reni keine Personen zu Schaden. Vor drei Wochen indes wurden sieben Hafenarbeiter bei einem vierstündigen massiven Drohnenangriff auf Reni und Ismail verletzt. Die Trümmer sollen damals bis auf rumänisches Gebiet geflogen sein, berichtete ein Donau-Segler. Am Mittwoch war die explosionsbedingte Feuersäule in Reni bis in die 22 Kilometer entfernte rumänische Hafenstadt Galati zu sehen.
Laut ukrainischen und rumänischen Logistikexperten könnte die Ukraine bis zu 50 Prozent ihres Getreides über die Donau exportieren. Weitere 50 Prozent müssten auf dem Landweg via Rumänien, Ungarn, Slowakei und Polen transportiert werden. Da vor allem in der Slowakei und Polen ukrainisches Getreide auch mit lokaler Produktion vermischt und dann billiger verscherbelt wird, kommt es immer wieder zu Bauernprotesten. In der Slowakei und Polen wird im Herbst gewählt, was den ukrainischen Getreide-Export zum Wahlkampfthema macht. Besonders die an sich pro-ukrainische, aber eben auch rechtspopulistische Kaczynski-Regierung in Warschau stellt sich immer wieder quer. Umso sicherer wird damit die Fluss-Exportroute auf der Donau.
Erster Frachter seit Monaten
Erstmals seit der vollständigen russischen Blockade der drei ukrainischen Scharzmeerhäfen Odessa, Piwdenne und Tschernomorsk vor Monatsfrist hat am Mittwoch ein Hochseeschiff den Hafen Odessa verlassen, indes auf einem humanitären Evakuierungskorridor.
Das Containerschiff „Joseph Schulte“ unter der Flagge von Hongkong verließ die größte ukrainische Hafenstadt mit über 2.100 Containern, darunter auch Lebensmitteln. Es war noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine vor 18 Monaten in Odessa eingelaufen.
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