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Kino„Roter Himmel“ von Christian Petzold: Die unerträgliche Leichtigkeit des Club-Sandwichs

Kino / „Roter Himmel“ von Christian Petzold: Die unerträgliche Leichtigkeit des Club-Sandwichs
Leon ist mit der Situation an der Ostsee alles andere als zufrieden Foto: Christian Schulz

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„Roter Himmel“ von Christian Petzold, mit unter anderem Paula Beer, Thomas Schubert und Matthias Brandt, ist zurzeit im Ciné Utopia und in den Regionalkinos von Cinextdoor zu sehen.

Zwei junge Männer sind im Auto unterwegs. Während der eine, Leon, abwesend aus dem Wagen schaut und der Musik im Radio zuhört, macht sich der andere, Felix, am Lenkrad Sorgen. Irgendetwas stimmt nicht, gibt er gleich in der ersten Szene zu verstehen. Er glaubt, der Motor seines Wagens hätte Aussetzer. „Ich hör’ nicht“, entgegnet ihm Beifahrer Leon. Keine Minute später steht das Auto am Straßenrand. Wenn die beiden Freunde vor Sonnenuntergang am Ziel – einem abgelegenen Ferienhaus an der Ostsee – ankommen wollen, müssen sie ihr Gepäck auf die Schultern hieven und kilometerweit durch den Wald schleppen. Aber auch dort angekommen: Irgendetwas stimmt nicht. Schmutziges Geschirr und Lasagne-Reste stehen auf dem Tisch, die Waschmaschine dreht ruhig ihre Runden und die Unterwäsche einer Frau, scheinbar hastig abgestreift, liegt auf dem Boden. Jemand anderes ist noch im Ferienhaus. Tatsächlich hat Felix Mutter vergessen zu sagen, dass Nadja, die Nichte einer Arbeitskollegin, ebenfalls dort anwesend sei.

Ärgerlich, wollten die beiden Männer eigentlich arbeiten. Felix an einer Mappe für die Kunstakademie, während Leon das Manuskript seines zweiten Romans mit dem Arbeitstitel „Club Sandwich“ finalisiert. Vor allem Leon ist mit der nicht vorhergesehenen Situation unzufrieden, was er jedem wiederholt zu verstehen gibt. Dass in weiter Ferne Waldbrände wüten, scheint nicht weiter hoch auf seiner Prioritätenliste zu stehen. Zu seiner Verteidigung: Niemand scheint sich sonderlich am apokalyptisch anmutenden roten Himmel zu stören.

Durch und durch deutsches Kino

Wer hätte gedacht, dass Christian Petzold nach fast 30 Jahren Regieerfahrung die Antwort auf die Frage wäre: Was wäre, wenn es Eric Rohmer auf Deutsch gäbe? Sein jüngster, auf der Berlinale wieder einmal prämierter Film „Roter Himmel“ lässt sich vom Grundgerüst her so verstehen. Sommerferien, junge, schöne Menschen – wo bitte ist Franz Rogowski? – und eine drückende Hitze, die alles und jeden langsamer treten lässt. Figuren schlendern durch den (auf den ersten Blick locker leicht inszenierten) Film, es passiert eigentlich nicht allzu viel und trotzdem entfaltet sich eine vielschichtige Geschichte mit Figuren voller Wünsche und Begehren. Mit Figuren, die sich über weite Strecken oft selbst im Weg stehen. Das gilt vor allem für Leon, der zentralen Figur in „Roter Himmel“. Während sein Kumpel Felix zuerst ankommen, zum Strand gehen und Leuten begegnen will, stellt sich Leon unentwegt selbst unter Druck. Die Arbeit lässt es nicht zu, gibt er irgendwann zu verstehen, als er zum x-ten Mal gefragt wird, ob er dann endlich mal mit zum Wasser kommen würde. Die Arbeit lässt es nicht zu – was für ein Satz. Deutscher geht kaum. Rohmer hätte so etwas nicht schreiben können.

Petzolds Kino ist eben ein deutsches. Durch und durch. Aber das hindert ihn weiß Gott nicht, dieses Unbehagen, welches seinen Filmen schon seit immer inne lag, hier gleich auf vielen Levels durchzudeklinieren. Leon kann, muss aber nicht, als Alter Ego von Petzold selbst verstanden werden – weil selbst (Drehbuch-) Autor, der übrigens seinen zweiten Film Cuba Libre am allerwenigsten mag, der sich allen gegenüber aus unerklärlichen Gründen schroff und antipathisch verhält. So auf sich selbst fixiert kriegt er um sich herum nichts, aber auch wirklich gar nichts mit. Thomas Schubert, der hier sein Petzold-Debüt feiert – während man Paula Beer schon zum dritten Mal im Oeuvre des Deutschen antrifft –, weiß eine Figur zu materialisieren, die die ganze Zeit zwischen überheblichem Künstler-Arschloch, pummeligem Motzkind und nettem Jungen oszilliert und die man eigentlich nur wachschütteln und umarmen will. „Ich hör’ nichts“ sind seine ersten Worte im Film. Und tatsächlich dauert es lange, bis Leon etwas hört. Oder sieht. Oder bewusst fühlt. „Roter Himmel“, der scheinbar zweite Teil einer losen Trilogie der Elemente, kommt vielleicht zum gleichen Entschluss wie Petzolds romantischster Film davor: „Undine“. Dass die Liebe, das Miteinander diese Oszillation der Gefühle inmitten des Himmels erträglicher macht. Solange man nur zuhört.